Brunchgeschichten: Velounfälle lassen sich nicht mit Kampagnen verhindern – baut Velowege!
Die Polizei-Kampagne «Sicher Velo fahren» gibt den Velofahrenden gut gemeinte Tipps, damit es zu weniger Unfällen kommt. Weil die Zweiräder meistens nicht die Unfallschuldigen sind, geht diese Kampagne am Ziel vorbei.
5151 Unfälle weist die Statistik der Stadt Zürich für das Jahr 2021 aus, in 483 Fällen war mindestens ein Velo involviert. In 250 davon sind Velofahrende als «Hauptverursacher» aufgeführt. Trotzdem wendet sich die Stadt mit ihrer aktuellen Plakatkampagne an sie. Ein Hohn, denn die Velofahrenden sind erstens offentichtlich nicht das grösste Problem und zweitens die schwächsten Verkehrsteilnehmenden und damit im Verkehr besonders gefährdet.
Mehr als die Hälfte aller Unfälle gehen auf die Kappe von Autofahrer:innen – total waren es im letzten Jahr 3'354. Viel effektiver wäre es also, diese mit einer Sensibilisierungskampagne zu adressieren. In den sozialen Medien hagelt es deshalb Kritik. Auch, weil die Stadtpolizei die Kampagne mit einem unpassenden Bild bewirbt: Auf dem Foto ist zu sehen, wie sich ein Velofahrer von einer sich öffnenden Autotüre in Sicherheit bringen muss. «Dooring» nennt sich dieses Phänomen und wer mit dem Velo auf Zürichs Strassen unterwegs ist, kennt die Angst vor der angreifenden Autotüre.
Ein Twitter-User reagiert auf das Foto: «Schon klar. Die Velofahrenden müssen schnell reagieren lernen, damit die Autofahrer:in bloss keinen Schulterblick machen muss vor dem Aussteigen. Gaht‘s no?» Jemand anderes fordert daher einen Wie-Steig-Ich-Aus-Dem-Auto-Workshop. Die Stadtpolizei reagiert und gibt zu, dass sie ein andere Bild hätten wählen sollen.
Damit nicht genug. Auch von der Politik kommt Gegenwind. GLP-Gemeinderätin Carla Reinhard twittert: «Wo bleibt die Kampagne für Autofahrer:innen, die sich z.B. an engen Fussgängerinseln mit 2 mm Abstand gefährlich an Velos vorbeidrängen?»
Will Zürich wirklich zur Velostadt werden, indem die Opfer der Blechlawinen zu vorsichtigem Fahren erzogen werden? Jede Wette: Das wird nicht klappen. Diese Aktion entlarvt die Denkweise der Stadtpolizei: Das Auto zuerst, das Velo kann schauen, wo es bleibt.
Klar ist es toll, wenn die Stadt die Sicherheit für die Zweiräder erhöhen will. Aber bitte nicht, indem diese lernen, einer sich öffnenden Autotüre auszuweichen. Es ist nie gut, den Opfern Tipps zu geben, wie sie sich zu verhalten haben. Besser wäre eine Kampagne, um die Autofahrenden zu sensibilisieren und noch viel besser wäre, die ganze Energie in eine schnelle und kompromisslose Verbesserung der Veloinfrastruktur zu investieren. Denn nur damit lassen sich wirkungsvoll Unfälle verhindern.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version wurden unpräzise Zahlen zur Unfallstatistik genannt; diese sind inzwischen korrigiert.