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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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30. Januar 2022 um 07:00

Aktualisiert 30.01.2022

Brunchgeschichten: Warum ich die «Generation Z» bewundere

Wir Millenials haben irgendwann angefangen, uns um uns selbst zu drehen. Die Generation nach uns ist kompromissloser, denn sie steht mit dem Rücken zur Wand.

Illustration: Zana Selimi

Es passiert unweigerlich, das Älterwerden. Die Schulzeit ist vorbei, man überlegt sich, was aus einem werden soll, probiert so manches aus, überlegt noch ein bisschen weiter. Und plötzlich stellt man fest, dass schon eine neue Generation von sich reden macht, die anders tickt, andere Werte und einen anderen Drive hat. So ging es mir jedenfalls.

Die neue Generation ist die, die gerne als «Generation Z» kategorisiert wird. Die Generation, die die Klimastreiks lostrat und seither die globale Klimapolitik vor sich her- und antreibt. Meine Generation ist die davor, die mit dem Ypsilon. Auch wir hatten unsere politischen Proteste: Gegen die ungerechten Auswüchse der Globalisierung, gegen die Bologna-Reform, die das europäische Hochschulsystem vereinheitlichen sollte und dabei vor allem verschulte, gegen die globale Massenüberwachung unserer Telekommunikation, die Edward Snowden öffentlich gemacht hatte. Oft stiessen wir damit auf Verständnis bei den Alten an den Schalthebeln der Macht. Nur: Passiert ist meistens trotzdem nichts.

«Während sich die Gespräche in meinem Umfeld in den letzten Jahren verstärkt um nachhaltige ETFs, teure Siebträgermaschinen und die besten Therapieplätze drehen, hat sich die ‹Generation Z› auf den Weg gemacht, die herrschenden Verhältnisse grundlegend zu hinterfragen»

Steffen Kolberg

Wir waren irgendwann enttäuscht und resigniert und begannen, das Weltgeschehen lieber aus bequemer ironischer Distanz zu betrachten. Wir fingen an, Idealismus zu belächeln. Und wir richteten den Blick auf uns selbst, auf unsere Gefühle, unsere Beziehungen, unsere Psyche. Mit Self-Care und Diversity würden wir die Verhältnisse zwar nicht radikal auf den Kopf stellen, aber wir konnten uns damit eine Umgebung schaffen, in der sich möglichst viele von uns möglichst wohl fühlen und aufeinander achten. Mit dieser Haltung durchdringen wir inzwischen die Arbeitswelt und immer weitere Teile der Gesellschaft.

Doch während sich die Gespräche in meinem Umfeld in den letzten Jahren verstärkt um nachhaltige ETFs, teure Siebträgermaschinen und die besten Therapieplätze drehen, hat sich besagte «Generation Z» auf den Weg gemacht, die herrschenden Verhältnisse grundlegend zu hinterfragen. Was sie dabei auszeichnet, ist ihre Kompromisslosigkeit, ihre Verständnislosigkeit gegenüber denen, die sie bremsen und beschwichtigen wollen.

Dafür haben die um 2000 herum Geborenen auch einen guten Grund: Sie haben nicht nur die Wissenschaft auf ihrer Seite, sie stehen auch mit dem Rücken zur Wand. Denn es geht um ihre Zukunft, von der bereits jetzt klar ist, dass sie sich in einer stark veränderten Umwelt abspielen wird. Warum sollte da das Bedürfnis eines Boomers, mit seinem 300-PS-SUV in der Innenstadt parken zu können, irgendeine Rolle spielen?

Das gilt auch für andere Themen, die mit dieser Generation in den Fokus rücken, zum Beispiel nonbinäre und transgeschlechtliche Identität: Warum sollte es wichtiger sein, dass man in ein tradiertes Muster passt, als dass man sich in seiner Haut wohlfühlt? Diese Generation akzeptiert die alten Selbstverständlichkeiten nicht mehr, und sie lässt sich auch von vermeintlichen Widersprüchen nicht beirren.

Uns konnte man mit einer Frage wie «Wieso benutzt du ein iPhone, wenn du doch gegen Ausbeutung bist?» noch verunsichern. Die Jüngeren wissen, dass ein widerspruchsfreies Leben gar nicht möglich ist, und verlieren trotzdem ihr Ziel nicht aus den Augen. Sie wissen, dass man auf sich selbst achten muss, um nicht unterzugehen, und bleiben trotzdem für ihre Anliegen präsent. Das finde ich bewundernswert. «The kids are alright», würden Boomer sagen.

Brunchgeschichten


Das Wochenende bietet meistens viel Gesprächsstoff für den Sonntagmorgen. Wir wollen dich an unseren bescheidenen Erlebnissen teilhaben lassen. Simon, Elio, Ladina, Alice, Isa, Nico, Steffen, Seraina, Rahel, Jonas, Sofie, Emilio und Lara erzählen dir jeden Sonntag abwechselnd eine Geschichte aus deiner Lieblingsstadt, die sich bestens beim gemütlichen Brunch besprechen lässt – sollten euch dabei mal die Themen ausgehen.

1. Warum ich abhaue, ohne Tschüss zu sagen

2. Weshalb zu einer Stadt Lärm gehört

3. Warum Tattoos keinen Sinn machen müssen

4. Warum wir seltener in den Club gehen sollten

5. Warum ich meinen Geburtstag so mag

6. Weshalb wir alles andere als wild sind

7. Warum wir öfters Langweiler:innen sein sollten

8. Weshalb ich nicht in meiner Bubble bleiben will

9. Warum eigentlich Berlin?

10. Warum ich keine Flohmis mag

11. Weshalb wir über unsere Körper sprechen sollten

12. Warum ich wieder mehr Ankerbier statt Naturwein trinken will oder «Auch ich werde älter!»

13. Warum ich fast immer zu Fuss gehe

14. Warum ich mein Sternzeichen nicht kenne

15. Weshalb der Dezember ohne Weihnachten nur ein zweiter Januar wäre

16. Mit der Deutschen Bahn von Zürich nach Berlin – ein 12-stündiges Abenteuer

17. Wieso ich Brunch blöd finde

18. NZZ & FDP gegen den Rest

19. Fomo? Jomo!

20. Endlich eine Bachelorette

21. Warum ich mich am Hobby meiner Freund:innen störe

22. Der Konsumkritik zum Trotz oder weshalb ich Geschenke mag

23. Wieso Langlaufen mehr als nur ein Boomer-Sport ist

24. Der brennende Tannenbaum auf dem Bullingerplatz – und was ich (nicht) damit zu tun habe

25. Warum Sex für viele Zürcher:innen ein Tabuthema bleibt

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