Wohnraum für alle? Diese sieben Initiativen sollen Zürichs Krise lösen
Die Bevölkerung wächst, die Städte verdichten sich, Mieten steigen, und der Traum vom eigenen Zuhause wird für immer mehr Menschen unerreichbar. Sieben Initiativen wollen gegensteuern: drei von bürgerlicher, vier von linker Seite. Ein Überblick.
Starthilfe-Initiative des HEV: Ein Haus für die eigene Zukunft
Der Traum vom Eigenheim ist für viele Zürcher:innen kaum mehr erreichbar. Nur rund 26,7 Prozent der Bevölkerung im Kanton lebten 2023 in Wohneigentum – deutlich weniger als der Schweizer Durchschnitt von 35,8 Prozent. Viele junge Familien und Menschen mit mittleren Einkommen können sich den Kauf schlicht nicht leisten. Sie scheitern oft an den hohen Eigenkapitalanforderungen der Banken.
Die Starthilfe-Initiative des Hauseigentümerverbands (HEV) will diese Hürde abbauen. Der HEV fordert, dass der Kanton bis zu 15 Prozent des Kaufpreises verbürgt – aber nur, wenn die Käufer:innen die Immobilie selbst bewohnen. Damit könnten Käufer:innen mit kleinerem Budget leichter den Schritt ins Eigenheim schaffen. Die Bürgschaft soll jedes Jahr um mindestens 0,75 Prozent sinken, bis sie ganz wegfällt. Gedacht ist das Modell für Menschen zwischen 30 und 50 Jahren, die Eigentum erwerben wollen, aber an den Finanzierungsvorgaben scheitern.
Die Zürcher Regierung unterstützt den Vorstoss als Mittel, Familien mit mittlerem Einkommen zu entlasten. Die linke Opposition warnt dagegen vor einem Bumerang-Effekt: Mehr Kaufkraft treibe die Nachfrage in die Höhe, die Bodenpreise ebenfalls und das Eigentum werde dadurch nicht günstiger, sondern teurer. Die Wohnungsnot als eigentliches Problem bleibe ungelöst.
Wohneigentums-Initiative des HEV: Gleichbehandlung von Eigentum und gemeinnützigem Wohnbau
Die zweite HEV-Initiative fordert, dass bei kantonalen und kommunalen Wohnbauprojekten nicht nur günstige Mietwohnungen, sondern mindestens gleich viel Fläche für selbstgenutztes Wohneigentum reserviert wird. Dabei geht es um preisgünstige Eigentumswohnungen im Stockwerkeigentum für Menschen mit mittlerem Einkommen.
Heute, kritisiert der HEV, fliesse die öffentliche Unterstützung fast ausschliesslich in den gemeinnützigen Mietwohnungsbau. Wer kaufen will, gehe leer aus. Darum fordert der Verband, dass der Staat Bauland für Eigentumswohnungen nicht zum Marktpreis, sondern zu den effektiven Kosten abgibt, damit Käufer:innen nicht schon beim Erwerb am Bodenpreis scheitern.
Die Regierung lehnt das ab: Quoten für Eigentum würden Bauprojekte erschweren, verzögern oder gar verhindern. Am Ende werde gar weniger gebaut. Auch Genossenschaften und linke Parteien warnen davor, dass der gemeinnützige Wohnungsbau geschwächt würde, da geförderte Flächen teilweise von privaten Eigentümer:innen beansprucht würde. Das schwäche den gemeinnützigen Wohnbau und lenke staatliche Unterstützung dorthin, wo sie am wenigsten gebraucht werde – zu privaten Käufer:innen statt zu Menschen mit tiefem Einkommen.
Beide HEV-Initiativen sind seit März 2024 in der parlamentarischen Beratung und kommen frühestens Ende 2025 oder 2026 zur Abstimmung.
SVP-Initiative «Recht auf Heimat – Wohnige für eusi Lüüt»
Die Zürcher SVP will die Wohnungsvergabe im Kanton Zürich zugunsten der einheimischen Bevölkerung regeln. Dazu hat sie eine Initiative lanciert, die fordert, dass Wohnraum vorrangig an Schweizer:innen sowie Personen vergeben wird, die seit mindestens zehn Jahren im Kanton Zürich wohnen – allerdings erst, falls die Schweizer Bevölkerung vor 2050 auf über 10 Millionen Menschen wächst.
Hintergrund ist die aktuelle Wohnungsknappheit, die die SVP vor allem auf hohe Zuwanderung zurückführt. Laut der SVP entsteht rund 80 Prozent der Wohnungsnachfrage durch Zuzug. Die Initiative soll verhindern, dass Einheimische durch steigende Nachfrage verdrängt werden und hohe Mieten zahlen müssen. Deshalb sollen Vermieter:innen bei freien Wohnungen Schweizer:innen und langjährige Zürcher:innen bevorzugen, statt die Vergabe dem freien Markt zu überlassen. Mieter:innen, die sich bei der Wohnungsvergabe benachteiligt fühlen, sollen sich bei mietrechtlichen Stellen wehren können.
Laut Kritiker:innen ist die Initiative rechtlich problematisch. Sie greife in die Wirtschaftsfreiheit der Vermieter:innen und die Niederlassungsfreiheit von EU-Bürger:innen ein. Zudem könnten solche Regeln den Wohnungsmarkt verzerren. Die Ursachen der Wohnungsknappheit sei deutlich komplexer, heisst es.
Der Zürcher Regierungsrat hat sich zur Initiative «Recht auf Heimat – Wohnige für eusi Lüüt» bislang öffentlich nicht detailliert positioniert.
Vorkaufsinitiative von Mitte-Links: Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich
Die Vorkaufsinitiative, getragen von SP, Grünen, AL, GLP, Mitte, EVP und den Zürcher Wohngenossenschaften, will den Gemeinden ein neues Instrument geben: das Recht, bei grossen Immobilienverkäufen als Erste zuzuschlagen. Verkauft etwa eine Pensionskasse einen Wohnblock, soll die Gemeinde diesen Kauf übernehmen können, mit dem Ziel, die Liegenschaft gemeinnützig zu nutzen oder an eine Genossenschaft weiterzugeben. Die Initiant:innen versprechen sich so mehr bezahlbare Wohnungen, weniger Spekulation, mehr Planungshoheit für die öffentliche Hand.
Die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat sieht darin einen massiven Eingriff in Eigentums- und Vertragsfreiheit. Gemeinden könnten laufende Geschäfte sabotieren, private Verkäufer:innen verunsichern und Investor:innen abschrecken – ohne Garantie auf mehr günstigen Wohnraum.
Stattdessen setzt Regierungsrätin Carmen Walker Späh auf mehr Geld für Genossenschaften: Der Wohnbauförderkredit soll von 180 auf 360 Millionen Franken verdoppelt werden. Mehr Geld für Genossenschaften, die bezahlbaren Wohnraum bauen, ohne in den Markt einzugreifen.
Im Juni 2025 folgte das Parlament dieser Linie: Mit 94 zu 78 Stimmen lehnte der Kantonsrat die Initiative ab, der Gegenvorschlag erhielt 105 zu 71 Stimmen. Die Linke kündigte gemeinsam mit der EVP an, die Stimmbürger:innen entscheiden zu lassen, ob sie den Gemeinden das Vorkaufsrecht gibt oder nicht.
Auch hier steht noch kein konkreter Abstimmungstermin fest.
Grüne-Wohnungsinitiative: Mehr günstige und gemeinnützige Wohnungen
Die Wohnungsinitiative von Grünen, zusammen mit SP und AL will den Kanton selbst in die Pflicht nehmen: Mit einer öffentlichen Wohnbaugesellschaft, ausgestattet mit mindestens 500 Millionen Franken Startkapital und geeigneten Grundstücken, soll dauerhaft günstiger, gemeinnütziger und klimafreundlicher Wohnraum entstehen. Statt nur auf Marktmechanismen zu setzen, soll der Staat aktiv bauen, Land bereitstellen und Projekte unterstützen, um Mieten für Normalverdienende nachhaltig zu senken.
Der Regierungsrat winkte jedoch ab. Er sieht in der Initiative eine Konkurrenz zu Genossenschaften und privaten Bauträger:innen und fürchtet massive Kosten für den Staat. Stattdessen unterbreitete er einen Gegenvorschlag, der Kanton und Gemeinden verpflichten soll, innerhalb von drei Jahren konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Wohnraum vorzulegen. Dazu zählen Deregulierung, beschleunigte Bauverfahren und verstärkte Förderung von Verdichtungsprojekten.
Die Initiative wird derzeit im Kantonsrat beraten. Eine Volksabstimmung könnte folgen, falls die Initiative nicht durch den Gegenvorschlag ersetzt wird.
Wohnschutz-Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands Zürich, SP, Grünen und AL
Die Wohnschutz-Initiative will Mieter:innen im Kanton Zürich besser davor schützen, verdrängt zu werden. Bei Umbauten, Sanierungen oder Neubauten sollen Gemeinden die Mieten begrenzen können. Bei Abriss kann der Ersatz von günstigem Wohnraum verlangt werden. Ziel ist, steigende Mieten nach Renovationen oder Neubauten zu verhindern und bezahlbaren Wohnraum zu erhalten.
Die Initiative wurde Anfang 2024 mit über 20'000 Unterschriften von Mieterinnen- und Mieterverband Zürich, SP, Grünen und AL eingereicht. Gemeinden sollen selbst entscheiden können, ob und wie sie diese Instrumente nutzen. Ein entsprechender Entscheid wäre jeweils dem lokalen Stimmvolk unterstellt.
Befürworter:innen sehen die Initiative als nötiges Gegengewicht zu einem zunehmend renditegetriebenen Wohnungsmarkt. Sie wollen verhindern, dass Mieten nach Sanierungen sprunghaft steigen und Leerkündigungen zunehmen. Zudem soll die Initiative ökologisch sinnvolle Sanierungen fördern und den sozialen Zusammenhalt in Quartieren stärken.
Gegner:innen – darunter der Zürcher Regierungsrat, bürgerliche Parteien und der Hauseigentümerverband (HEV) – warnen vor einer Überregulierung, die Investitionen hemmt, den Neubau verteuert und das Wohnungsangebot langfristig verringert. Energetische Sanierungen könnten weniger attraktiv werden, wenn Eigentümer:innen die Kosten nicht mehr über Mieterhöhungen refinanzieren können. Der Regierungsrat setzt stattdessen auf Anreize für Neubauten und gemeinnützigen Wohnraum.
Als abschreckendes Beispiel nennen Kritiker:innen Basel-Stadt und Genf. Dort hätten ähnliche Instrumente die Bautätigkeit gebremst, weil Investor:innen unter strengen Mietzinsauflagen weniger bereit seien zu investieren. Dadurch könnte die Wohnungsnot sogar verschärft werden.
Die Initiative wird aktuell im Kantonsrat behandelt. Ein Volksentscheid ist für Ende 2025 oder Anfang 2026 vorgesehen. Bei Annahme könnten Gemeinden frühestens in ein bis zwei Jahren eigene Wohnschutzregeln erlassen.
AL-Volksinitiative: «Hier leben, hier wohnen, hier bleiben»
Die Alternative Liste (AL) reichte vergangenes Jahr die Volksinitiative «Hier leben, hier wohnen, hier bleiben» ein. Sie verlangt, dass bei Ein-, Um- oder Aufzonungen – also wenn Bauland neu ausgewiesen oder höhere Bauhöhen erlaubt werden – ein festgelegter Anteil an preisgünstigen Wohnungen vorgeschrieben wird. Konkret fordert die Initiative, dass bei Aufzonungen die gesamte zusätzlich geschaffene Wohnfläche für günstigen Wohnraum reserviert wird, bei Ein- und Umzonungen mindestens die Hälfte.
Hintergrund ist der 2014 eingeführte Paragraf 49b im kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG), der Gemeinden das Recht gibt, bei neuen Bauzonen günstigen Wohnraum zu verlangen. Bisher wurde dieses Instrument in Zürich kaum angewendet. Nun steht eine grosse Revision der Bau- und Zonenordnung (BZO) bevor, die in Quartieren wie Albisrieden, Altstetten oder Schwamendingen mehr Stockwerke zulassen sollen. Die AL befürchtet, dass dabei vor allem teure Wohnungen entstehen und langjährige Mieter:innen verdrängt werden. Mit der Initiative will sie klare Regeln für günstigen Wohnraum schaffen.
Unterstützt wird die Initiative von linken Parteien wie den Grünen, SP und der AL selbst sowie vom Mieterinnen- und Mieterverbands Zürich. Die Gegenseite, FDP, SVP, Mitte und GLP, warnen vor zu strikten Vorgaben, die Investitionen bremsen könnten. Der Stadtrat teilt zwar grundsätzlich das Anliegen, hält die Initiative aber nur teilweise für gültig und erarbeitet einen Gegenvorschlag.
Die Abstimmung dürfte in den kommenden Jahren stattfinden. Wird die Initiative angenommen, müssten Grundeigentümer:innen bei künftigen Um- oder Aufzonungen zwingend günstigen Wohnraum schaffen und das bereits vor Inkrafttreten der neuen Bau- und Zonenordnung.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.