US-Zölle drücken auf Zürcher Wirtschaft

Die angekündigten Strafzölle sorgen für Unruhe bei Zürcher Unternehmen. Während sich einzelne Firmen schon aus dem US-Markt zurückziehen, warten andere noch ab und beobachten. Die Zürcher Handelskammer fordert derweil politische Unterstützung.

Ein Fabrikgebäude mit gelben Röhren vor blauem Himmel
Eine mögliche Reaktion auf die US-Zölle ist die Verlagerung von Produktionsstätten, etwa in die EU oder gar in die USA. (Bild: Unsplash)

US-Präsident Donald Trump hat Ende vergangener Woche Einfuhrzölle in Höhe von 39 Prozent auf Schweizer Exportwaren angekündigt. Diese Nachricht sorgte am Montag für Unruhe unter Anleger:innen. Der Swiss Market Index (SMI), der Leitindex der Schweizer Börse, eröffnete mit einem Minus von 1,8 Prozent.

Auch Zürcher Unternehmen haben Kursverluste eingefahren. So sank etwa die Aktie des Industriekonzerns ABB, dessen Hauptsitz in Zürich liegt, zeitenweise um 1,5 Prozent. Was rollt hier auf die Zürcher Wirtschaft zu?

Auf Anfrage kann ABB noch nicht abschätzen, wie stark sich die angekündigten Zölle konkret auf das Geschäft auswirken werden. Die Medienstelle verweist jedoch auf einen hohen Lokalisierungsgrad: «Unser Ziel ist es, in jeder Region autark zu sein», so ein Sprecher. In den USA würden rund drei Viertel der Produkte lokal gefertigt. Die politischen Entwicklungen verfolge man aktuell «sehr genau».

Firmen treffen erste Vorkehrungen

Ähnlich wie bei ABB tönt es auch bei mehreren exportorientierten Zürcher Unternehmen, die Tsüri.ch am Montag kontaktiert hat – darunter der Mikrosensoren-Hersteller Sensirion, die Weltraumtechnikfirma Beyond Gravity und der Schuhhersteller On. Doch keines der Unternehmen will sich derzeit zu konkreten Massnahmen äussern, sollten die Zölle am 7. August tatsächlich in Kraft treten. Nur On fügt an, dass seine Schuhproduktion überwiegend in Vietnam stattfindet und das Unternehmen daher nicht direkt von den US-Importzöllen betroffen wäre.

Einen Überblick über die Gesamtlage hat Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer. «Viele Unternehmen stehen aktuell in engem Austausch mit ihren Kund:innen in den USA und treffen bereits erste Vorkehrungen», sagt er. Sollten die Zölle wie angekündigt greifen, wäre das ein harter Schlag für die Zürcher Wirtschaft.

Besonders gefährdet seien Firmen, die in die USA liefern und deren Produkte sich leicht durch Alternativen ersetzen lassen, sagt Tschanz. Hochspezialisierte Anbieter:innen hingegen, deren Kund:innen auf ihre Produkte angewiesen sind, hätten bessere Chancen, die höheren Kosten an sie weiterzugeben. 

Handelskammer fordert «bessere Rahmenbedingungen»

Im Gegensatz mit anderen Regionen der Schweiz dürfte der strukturelle Schaden für den Standort Zürich dennoch begrenzt ausfallen, weil hier vergleichsweise wenig produziert wird. Nur 13 Prozent der Zürcher Betriebe gehören zur Industrie, während der schweizweite Durchschnitt bei 26 Prozent liegt. Über vier Fünftel der Unternehmen im Kanton sind im Dienstleistungssektor angesiedelt.

Laut dem Zürcher Wirtschaftsmonitoring von April 2025 exportieren Unternehmen aus dem Kanton jährlich Güter im Wert von rund zwei Milliarden Franken in die USA. Das entspricht nur 1,2 Prozent des kantonalen Bruttoinlandprodukts. Zum Vergleich: In die Europäische Union exportiert die Zürcher Wirtschaft viermal so viel.

Tschanz warnt dennoch vor indirekten Folgen: Auch Firmen ohne direkten US-Export könnten betroffen sein – etwa durch unterbrochene Lieferketten oder eine sinkende Gesamtnachfrage. «Wenn der Export insgesamt schwächelt, könnte das letztlich zu einer Rezession führen», sagt er.

Der Direktor der Zürcher Handelskammer fordert deshalb die Politik zum Handeln auf. Einerseits solle der Bund die maximale Bezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung auf 24 Monate verlängern, um den Unternehmen «eine Verschnaufpause zu geben», wie Tschanz sagt. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer forderte im Tages-Anzeiger gar, Kurzarbeit solle so lange möglich bleiben, «bis Trump weg ist – sonst sind die Arbeitsplätze weg».

Andererseits müssten Stadt und Kanton laut Tschanz die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern. Dazu gehörten tiefere Firmensteuern und Abgaben, den Abbau von Regulierungen und die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse.

Erster Boykott durch Confiserie Bachmann

Wie ein möglicher Umgang mit den US-Zöllen aussehen kann, zeigt das Beispiel der Confiserie Bachmann. Das Luzerner Unternehmen mit prominenter Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse will nicht mehr in die USA exportieren. Geschäftsführer Raphael Bachmann sagte gegenüber Tele Züri, die Zahlungsbereitschaft für Schweizer Edelprodukte habe Grenzen. Der Rückzug vom US-Markt bringe Planungssicherheit. «Mister Trump kann uns den Buckel runterrutschen», so Bachmann.

Wer am US-Geschäft festhalten will, hat eine andere Option: die Verlagerung der Produktion – etwa in die EU oder direkt in die USA. Diese Strategie verfolgt der Industriekonzern ABB schon länger. Das Unternehmen hat laut eigenen Angaben in den letzten drei Jahren rund 500 Millionen US-Dollar in sein US-Geschäft investiert, etwa in neue Fabriken und Labore. Doch dafür brauche es erhebliche Ressourcen, betont Handelskammerdirektor Raphaël Tschanz.

Als Nächstes will der Bundesrat die Verhandlungen mit den USA fortsetzen – auch über ein mögliches Inkrafttreten der neuen Zollregelung hinaus. In einer Medienmitteilung vom Montag heisst es, Ziel sei es, «die Zoll-Situation zu verbessern und gleichzeitig die Anliegen der USA zu berücksichtigen».

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kai

Kai hat Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Seine ersten journalistischen Erfahrungen sammelte er beim Branchenportal Klein Report und bei der Zürcher Studierendenzeitung (ZS), wo er als Redaktor und später als Co-Redaktionsleiter das Geschehen an Uni und ETH kritisch begleitete. So ergibt es nur Sinn, dass er seit 2024 auch für Tsüri.ch das Geschehen der Stadt einordnet und einmal wöchentlich das Züri Briefing schreibt. Auch medienpolitisch ist er aktiv: Seit 2023 engagiert er sich beim Verband Medien mit Zukunft. Im Frühjahr 2025 zog es Kai nach Berlin. Dort absolvierte er ein Praktikum im Inlandsressort der tageszeitung taz.

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