Neue Parkplatzverordnung

Präsident Fussverkehr Schweiz: «Wir können die Trottoirs nicht noch mehr belasten»

In Zürich sollen Gewerbefahrzeuge künftig auf den Trottoirs parkieren dürfen. Mehrere Verbände legten Einspruch ein und blockieren so die Umsetzung der neuen Regel. Pascal Regli, Präsident von Fussverkehr Schweiz, erklärt wieso.

Blaues Auto steht auf blaue Zone Parkplatz
Die neue Parkkartenverordnung der Stadt Zürich wird aufgrund von Rekursen vorerst nur teilweise umgesetzt. (Bild: Lara Blatter)

In Zürich sorgt die neue Parkkartenverordnung weiterhin für politischen Zündstoff. Zwar will der Stadtrat einzelne Teile bereits im kommenden Jahr in Kraft setzen, doch ein laufender Rekurs mehrerer Fussgänger- und Sehbehindertenverbände blockiert vorerst die Umsetzung der «erweiterten Gewerbebewilligung». Wann die Regelung tatsächlich greifen könne, lasse sich derzeit nicht abschätzen, heisst es weiter.

Die Bewilligung würde Handwerker:innen und Servicemonteur:innen erlauben, ihre Fahrzeuge stadtweit abzustellen – auch auf Trottoirs, sofern 1,5 Meter Platz für den Fussverkehr bleiben. Zudem dürften sie in Fahrverbotszonen einfahren. Die Stadt will dafür 1200 Franken pro Jahr von lokalen Betrieben verlangen, auswärtige müssten 1800 Franken bezahlen. 

Dagegen wehren sich mehrere Verbände, wie der Fussgängerverein Zürich, die Zürcher Sektion des Blinden- und Sehbehindertenverband sowie der Fussverkehr Schweiz.

Jenny Bargetzi: Die neue Parkkartenverordnung fand nach langen Diskussionen breite Unterstützung  – warum hat der Fussverkehr Schweiz trotzdem Rekurs erhoben?

Pascal Regli: Grundsätzlich begrüssen wir 95 Prozent an der Verordnung. Sie bringt langfristig Vorteile für die Fussgänger:innen und enthält viele gute Ansätze. Was uns stört, ist die Ausnahme für das Trottoirparkieren für das Gewerbe, die ganz am Schluss in die Verordnung geschoben wurde.

Was stört Sie daran genau?

In einer dichten Stadt wie Zürich, mit Fahrrädern, E-Trottis, Stadtmobiliar, Signalschilder und bald auch Lieferrobotern, bleibt den Fussgänger:innen schon heute wenig Platz und ihre Rechte werden weiter eingeschränkt. Gleichzeitig verstösst die Regelung gegen das Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege und das Strassenverkehrsgesetz.

In der Verkehrsregelnverordnung steht, Fahrräder dürften auf dem Trottoir abgestellt werden, wenn für die Fussgänger:innen mindestens 1,5 Meter Platz bleibt. Warum sollte das bei Autos anders sein?

Stellen Sie sich vor: Ein Auto ist 2,50 Meter lang und 2 Meter breit, dazu kommen 1,5 Meter freier Raum – es müsste also ein 3,50 Meter breites Trottoir sein. Solche Trottoirs sind nicht zufällig so gebaut. Sie geben den Fussgänger:innen genug Platz, sich sicher zu bewegen, denn dort strömen viele Menschen entlang. Wenn man Autos auf diesen Flächen parken lässt, ignoriert man genau diesen Zweck.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Die Bahnhofstrasse: Die Trottoirs sind auf beiden Seiten sechs bis sieben Meter breit. Plakativ betrachtet liessen sich fast zwei Reihen Gewerbefahrzeuge darauf abstellen, und die 1,5-Meter-Regel bliebe formal eingehalten. Gerade zur Weihnachtszeit, wenn viele Menschen unterwegs sind, wird die Situation schnell unübersichtlich und gefährlich.

Warum gefährlich, wenn 1,5 Meter freibleiben?

Für sehbehinderte Menschen wird es kritisch. Sie tasten sich mit dem Blindenstock entlang der Trottoirränder und riskieren ständig, gegen Fahrzeuge zu stossen. Auch Rollstuhlfahrer:innen müssen ausweichen: Sobald sie Fussgänger:innen kreuzen, reichen die 1,5 Meter Durchgangsbreite nicht mehr. Bislang kontrolliert die Stadt Zürich das Parkverbot sorgfältig: Sie markiert, beschildert und überwacht die verbotenen Bereiche – meist aus gutem Grund. Nun sollen Autos auf den Trottoirs stehen dürfen, und damit bricht die Stadt die Regeln, die sie bisher minutiös aufgebaut hat.

Gibt es Orte oder Situationen, in denen Sie Ausnahmen für sinnvoll halten?

Nein, es gibt keinen Spielraum. Das Bundesrecht ist klar: Motorräder und Autos dürfen nicht auf Trottoirs parken. Jede Ausnahme öffnet Tür und Tor für Missbrauch: Fahrzeuge würden überall stehen, und die 1,5 Meter Durchgangsbreite blieben nur formal. Die Situation liesse sich nicht kontrollieren. Irgendwann reicht es. Wir können die Trottoirs nicht noch mehr belasten.

Welche Art von Regelung für Gewerbetreibende wäre für Sie akzeptabel?

Das Gewerbe verfügt bereits über Parkflächen und mit der neuen Parkkarte verbessern sich die Bedingungen deutlich: Wer eine solche Karte besitzt, kann das Fahrzeug auf allen öffentlichen Parkplätzen abstellen. Dagegen haben wir nichts, das ist notwendig. Problematisch bleibt die neue Regel, weil sie das Parkieren auf Trottoirs über längere Zeit erlaubt. Kurzzeitige anzuhalten oder auszuladen ist laut Strassenverkehrsgesetzgebung heute schon möglich. Neu wäre das Parkieren über einen längeren Zeitraum – dies darf nicht erlaubt werden.

Sehen Sie Chancen, dass der Rekurs erfolgreich ist?

Ja. Schon vor der Abstimmung haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass die Regelung das Bundesrecht verstösst und wir Einsprache erheben würden. Wir waren transparent und haben eng mit den Behindertenorganisationen zusammengearbeitet. Menschen mit Behinderungen, ältere Personen und Familien mit Kinderwagen, die stark auf Trottoirflächen angewiesen sind, sind durch die Regelung benachteiligt – und das stellt ein ernstes Problem dar.

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jenny

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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