Brunchgeschichten: Warum mich mein Job als Klimajournalistin oft deprimiert
Die Recherchen, die unsere Klimaredaktorin Isabel für ihre Beiträge macht, stimmen sie meistens nicht positiv. Im Gegenteil; oft ist sie danach deprimiert und hoffnungslos. Wie sie es schafft, nicht selber in den Krisenmodus zu schalten.
Kennst du das Lied «Hurra, die Welt geht unter»? Ich musste in den vergangenen Monaten immer wieder an diese Zeile denken – nach jeder Recherche, jedem Interview, jedem gelesenen wissenschaftlichen Bericht zur Klimakrise. Zeitweise wusste ich danach tatsächlich nicht, ob mir zum Heulen oder Lachen zumute war, so ausweglos schien mir die Situation. Denn ja, seit meiner Tätigkeit als Klimajournalistin sehe ich mich immer öfters im Auge des Sturms stehen; mit meiner – nein, unserer – eigenen Unfähigkeit konfrontiert, während der Klimawandel unaufhaltsam voranschreitet. Gleichzeitig wird die globale Krise auch immer mehr zu meiner eigenen.
Vom Wunsch, ein besserer Mensch zu sein
Dass mich mein Job regelmässig emotional mitnimmt, bekommt in erster Linie mein Umfeld zu hören. Oft bin ich frustriert, sage Sätze wie: «Eigentlich sind wir eh am Arsch» und der Wunsch, einmal Kinder in diese Welt setzen zu wollen, wird für mich auch immer absurder. Neben viel Verständnis kommen manchmal auch Kommentare wie: «Hä, aber du hast dich schon früher mit dem Thema befasst» oder «das Klima war dir doch immer schon wichtig.» Tja, nein, so ganz stimmt das eben nicht. Zwar hatte ich Naturphänomene wie die Waldbrände in Nordamerika oder Überschwemmungen in Australien auf dem Radar, fand immer alles sehr schlimm und war auch mal nachhaltig schockiert, als in der Tagesschau ein neuer Bericht des Klimarats analysiert wurde. Aber so richtig etwas mit mir gemacht, hat es nicht.
«Dabei würde ich manchmal lieber lauter sein als ich darf, um alle wachzurütteln.»
Isabel Brun, Klimaredaktorin bei Tsüri.ch
Ich kann es mir nicht mehr so richtig erklären, aber wahrscheinlich dachte ich tatsächlich, es würde das Klima retten, wenn ich kein Fleisch und Fisch mehr esse, das Auto nur in Ausnahmefälle benutze und möglichst auf Secondhand setze. Und wenn mich ab und zu ein schlechtes Gewissen plagt, nachdem die Freude über das letzte Zalandopäckli verflogen ist. Denn ja, das Klima lag mir bereits damals am Herzen. Obwohl ich mir meines Erachtens wirklich Mühe gab, war ich stets neidisch auf den Durchhaltewillen von Veganer:innen, nie mehr Käse zu essen und ich wünschte mir ein Leben, in dem auch ich nur noch im Unverpackt-Laden oder auf dem Markt einkaufen gehe – dem Mehraufwand zum Trotz. «Fürs Klima, weisch.» Stattdessen kaufe ich auch heute noch den Salat aus der Migros, der in Plastik eingepackt ist.
Nicht mein, sondern unser Problem
Was sich also verändert hat, ist nicht, dass ich keinen Käse mehr esse oder nicht mehr bei Zalando bestelle. Es ist vielmehr mein Mindset, das Bewusstsein darüber, dass die Klimakrise ein viel grösseres, ein strukturelles Problem ist. Eines, das sich nicht durch den Verzicht einzelner Individuen auf tierische Produkte lösen lässt. Bevor ich letzten Sommer die Stelle als Klimajournalistin antrat, hatte ich die Brisanz des Themas unterschätzt. Und ich glaube, vielen Menschen, die sich nicht beruflich oder aktivistisch mit dem Klimawandel und dessen Folgen beschäftigen, geht es ähnlich, wie mir früher. Es ist wohl mitunter der Grund, weshalb es nur schleppend vorangeht; dass das Argument, Klimaschutz sei zu teuer oder lohne sich nicht, noch immer zieht und die Politik von konkreten Massnahmen lieber die Finger lässt. In der Zwischenzeit zitiere ich Klimaforschende, die davor warnen, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt. Und während das verzweifelte Echo der Wissenschaft im Rauschen des städtischen Autoverkehrs untergeht, frage ich mich einmal mehr, was das alles denn noch bringen soll.
Ich weiss, es ist das Los meines Berufsstandes, mit solchen Schwierigkeiten konfrontiert zu werden. Wir müssen schlechte Meldungen auhalten können. Schliesslich sind wir Medienschaffenden nicht die Politik, sondern die Beobachter:innen, oft schweigend, im besten Fall nur dann laut, wenn wir eine Kolumne oder einen Kommentar verfassen dürfen. Informieren, aufdecken, zusammenfassen, extrahieren lautet unser Auftrag. Nicht mehr, nicht weniger. Dabei würde ich manchmal lieber lauter sein als ich darf, um alle wachzurütteln. Damit wir schneller vorwärts machen, weil wir halt doch ziemlich am Arsch sind. Doch das gehört nicht zu meinen Aufgaben als Journalistin – und das ist auch gut so, denn es ist schliesslich nicht meine Krise, sondern unsere.