Brunchgeschichten: Wie mir eine Party die Skiferien versaute
Etwas zu verpassen macht keinen Spass. So wenig, dass es sogar ein Wort dafür gibt. Wie 'The fear of missing out' mir die Skiferien versaute und was Instagram damit zu tun hat.
Nach einer Woche in den Bergen bei herrlichem Wetter sass ich vor ein paar Monaten mit meinem Snowboard im Zug und ärgerte mich. Ich hatte absolute Stinklaune. Und das, obwohl die Ferien eigentlich sehr schön waren: Gutes Essen, blauer Himmel und ein, zum Ende der Saison, fast leeres Skigebiet.
Meine schlechte Laune war sehr zum Missfallen meiner Familie und wenn ich ehrlich bin, auch sehr zu meinem eigenen. Auslöser dafür war – fast schäme ich mich, es hier preiszugeben –, dass ich an jenem Wochenende eine Party verpasst hatte. Es ist mir peinlich, weil mir durchaus bewusst ist, dass es sehr viel grössere Probleme gibt als eine verpasste Party. Die Welt steht praktisch in Flammen und ich jammere darüber, dass ich in den Skiferien war.
Ich mag es nicht, nicht dabei zu sein
Meine Kollegin Rahel hat an dieser Stelle mal über eine Bekanntschaft mit Jomo (The Joy of missing out) geschrieben. Jene Bekanntschaft sei die entspannteste Person, die sie je kennenlernen durfte. Fast schon unnötig, das hier noch klarzustellen: Diese Person war nicht ich. Denn statt wie Rahels Bekanntschaft habe ich kein Jomo sondern Fomo, The fear of missing out – also die Angst, etwas zu verpassen. Ich bin 20. Damit trennt mich zum Teil fast ein Jahrzehnt von meinen Mitarbeiter:innen.
Vielleicht ist das der Grund, wieso Rahel Personen mit Jomo kennt und ich schlechte Laune wegen einer verpassten Party habe. Doch auch in meinem gleichaltrigen Umfeld scheine ich von Fomo stärker betroffen zu sein als meine Freund:innen.
Meine Fomo sorgte dafür, dass ich vergangenen November trotz starkem Husten und Fieber an der Critical Mass mitfuhr, weil ich nicht an einem Freitagabend Zuhause sitzen wollte. Sie sorgt dafür, dass ich, immer wenn ich weiss, dass Freund:innen etwas unternehmen und ich nicht dabei sein kann, irgendwie traurig werde. Sei es eine Party, ein Picknick oder ein Fussballmatch – dabei interessiere ich nicht einmal richtig für Fussball.
Und meine Fomo sorgte dafür, dass ich nicht nur mir, sondern auch meiner Familie ein bisschen die Skiferien verdarb.
Instagram: Ursache oder Lösung
Irgendwo habe ich mal gelesen oder gehört, dass diese Fomo mit dem Internet aufgekommen sei. Nämlich mit den sozialen Medien. Weil man da immer alles direkt mitbekommt. Ob an dieser These etwas dran ist, weiss ich nicht. Bei mir persönlich haben die sozialen Medien, oder jedenfalls Instagram eher den gegenteiligen Effekt. Wenn mich meine Fomo stresst, hilft es mir durch Instagram zu scrollen. Aber nicht etwa durch die Profile meiner Bekannten oder gar Fremder, sondern durch mein eigenes. Weil ich immer alles festhalte, ist mein persönlicher Instagram-Account für mich wie ein Fotoalbum, gefüllt mit schönen Momenten. Und wenn ich mich da so durchklicke und mich an coole Partys erinnere, fällt mir auch wieder ein, dass die, die ich gerade verpasse, nicht die einzige und nicht die letzte gewesen sein wird.
«Instagram ist ein bisschen zu meinem Wunderheilmittel gegen Fomo geworden.»
Mutters Rat
Auf dem Skilift hatte meine Mutter bekräftigt, man müsse manchmal fehlen, es sei peinlich, immer überall dabei zu sein. Von links meinte mein Bruder dann noch dazu: «Hüül nöd so ume, ihr händ doch sowieso jedi Wuche irgende Party.» Er hat fast recht damit. Jede Woche nicht, aber es war weder die legendärste Party des Jahres, noch wird es die letzte gewesen sein. Und dass ich doch genug oft dabei bin, das bestätigt mir ein Blick in meine Instagram-Highlights.
Meine schlechte Laune habe ich inzwischen glücklicherweise auch hinter mir gelassen. Vielleicht ist das mit der Fomo Übungssache und ich sollte anfangen, gelegentlich die eine oder andere Party willentlich zu verpassen, es sei ja schliesslich peinlich immer dabei zu sein. Aber ich weiss, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen fehlt mir die Willenskraft, da komme ich gegen meine Fomo nicht an. Ich hoffe einfach, dass ich vielleicht mit den Jahren doch noch ein bisschen Jomo finde. Oder dass sie mich findet.