Weniger Geld für Frauenfussball – weil die Spiele friedlicher sind?!
15 Millionen hat der Bund für die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz gesprochen. Ein Bruchteil davon, was er für die EM der Männer ausgegeben hat. Über die Gründe kann unsere Kolumnistin Jane Mumford nur den Kopf schütteln.
Heute ist ein monumentaler Tag: England spielt gegen Frankreich – und ich gehe schauen. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich an einem grossen Match einer Europameisterschaft (EM) sein! Beziehungsweise zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt an ein Fussballspiel.
Ich gehöre zu jenen Menschen, die sich bis jetzt nicht gross für Fussball begeistern konnten, und das Spektakel auch nicht ganz ernst nahmen. Zu viel Tamtam, zu viel Geld, zu viel Gewalt.
Aber dieses Jahr ist alles anders: Soccer is coming home – to Switzerland! Und dazu noch die EM der Frauen!
Es macht schon was mit mir, wenn ich die Reportagen und Interviews mit tollen Spielerinnen schaue und mir denke: «Krass! Wenn es die schon gegeben hätte, als ich ein kleines Mädchen war, dann hätte ich, vielleicht, genauso wenig Interesse dafür gehabt! Ätsch.»
Aber nur weil es mich nicht begeistert – bis jetzt, mal schauen, was dieses grosse Spiel mit mir macht – heisst das nicht, dass es mich nicht interessiert.
Denn natürlich alles ist miteinander verbunden und alles ist politisch. Egal, ob Eurovision Song Contest oder EM: bei Grossanlässen werden versteckte Strukturen unserer Gesellschaft sichtbar.
Hellhörig beim Thema Fussball wurde ich schon letztes Jahr im Februar, als der Bund die versprochenen 15 Millionen Unterstützungsgelder für die EM auf mickrige 4 Millionen kürzte. Echt jetzt?!
Über so wenig Geld diskutiert das Parlament normalerweise nicht einmal! Solch ein Betrag könntest du aus den Taschen der Abgeordneten zusammenkratzen, die mit der Waffenlobby flirten. In Bar! Ein Trinkgeld für den Sport! Vier Millionen für eine EM, das ist wie 1.95 Franken für ein Geburtstagsgeschenk. «Alles Gute! Hier, ein Bier aus dem Denner.»
Glücklicherweise gab es Widerstand: Eine Petition von Zürcher Fussballspielerinnen brachte das Thema unters Volk und eine Motion von der SP rüttelte das Parlament wach und am Ende haben sie’s geschafft, die ursprünglich versprochenen 15 Millionen zurückzuholen.
In einer idealen Welt wäre jetzt erst mal Happy End und Vorfreude auf die Spiele. Doch der Sieg schmeckte bitter, denn 15 Millionen klingt erst mal nach viel Geld, aber gegenüber den 80 Millionen (!), die der Bund für die EM der Männer ausgegeben hat, wirken sie eher wie Häme.
Apropos Häme – vergessen wir nicht, dass 1989 das Siegerteam der ersten Frauen-EM kein Siegespokal bekam, sondern ein Kaffeeset und ein Bügelbrett.
«Vielleicht ist das unser Moment, militanter zu werden, damit man uns endlich ernst nimmt?»
Jane Mumford
Falls ihr euch fragt, wie der Bund den massiven Unterschied an Unterstützungsgeldern rechtfertigte: Es liegt angeblich grösstenteils an den unterschiedlichen Sicherheitskosten. Männerspiele würden von mehr Hooligans besucht, lösen mehr Gewalt aus, brauchen mehr Security und Polizei.
Und für die friedlichen Frauen wird’s ja wohl kein Militäreinsatz brauchen, oder?
…. ODER?! Wer weiss! Vielleicht ist das unser Moment, militanter zu werden, damit man uns endlich ernst nimmt? Vielleicht müssen wir… «schlägeln» für die EM! Vielleicht müssen wir Baschi’s alter Fussballsong noch bitz BASH-iger machen und im Stadion zusammen singen:
«Chum gingg is Bei, chum gingg is Bei!!!»
Nein, Spass.
Das ist nicht der Moment, um den Männern in Sachen Gewalt nachzueifern. Es ist eher der Moment für Männer, sich ein gutes Beispiel an uns zu nehmen und sich besser in den Griff zu kriegen.
Dann müsste man das viele Geld nämlich nicht für einen Militäreinsatz an einem Fussballspiel nutzen, sondern für etwas Sozialeres. Zum Beispiel gratis ÖV für alle in den Spielstädten während der EM! Oder gratis Wasser für alle während den Spielen bei 35 Grad!
Aber bis diese gar-nicht-mal-so-utopische Zukunft eintrifft erst mal: Hopp Schwiiz, hopp England und Frankreich und hopp alle, die für gute Stimmung in den Stadien sorgen!
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!
Natürlich jederzeit kündbar.