Brunchgeschichten: Der brennende Tannenbaum auf dem Bullingerplatz – und was ich (nicht) damit zu tun habe

Ein brennender Tannenbaum, vier Polizisten und ich, als tatverdächtiger Pyromane! Eine absurde Geschichte aus einer kalten Nacht im Januar.

Brunchgeschichte
Illustration: Zana Selimi

Freitagnacht im Januar. Nullgradgrenze. Stauffacherstrasse. Ein Freund und ich sind mit dem Velo auf dem Weg nach Hause von einem Geburtstagsfest. Auf dem Bullingerplatz endet normalerweise unser gemeinsamer Nachhauseweg. Beim Brunnen sagen wir uns jeweils «tschüss». Doch nicht in dieser Nacht.

Heute ist alles anders. Unsere Verabschiedung wird durch ein heran brausendes Polizeiauto unterbrochen. Türen knallen. Und keine zwei Sekunden später werden wir mit einem freundlichen und gleichzeitig passiv-aggressivem Ton angesprochen. «Guten Abend, das ist eine Personenkontrolle!». Ich frage nach dem Grund. Der Beamte erklärt, dass er unsere Personalien für weitere Abklärungen aufnehmen müsse. Ich frage noch einmal nach, ob er denn keinen Grund nennen kann? Er wiederholt genervt: «Wie ich schon gesagt habe, für weitere Abklärungen!». 

Meine Nachfrage war ehrlich gesagt ein bisschen unnötig. Die Antwort des Polizisten auch. Denn eigentlich ist allen Beteiligten klar, um was es hier geht. Denn vor uns brennt ein etwa zehn Meter hoher Tannenbaum lichterloh – mitten auf dem Bullingerplatz. Unsere Identitätskarten werden eingepackt und mitgenommen.

Tannenbaum Bullingerplatz
Lichterloh sieht anders aus! Ein gutes Foto auch! Aber fünf Sekunden nach diesem Foto wurden wir von der Polizei konfrontiert. Foto: Emilio Masullo

Neben uns wird ein weiterer Polizist mit ernster Miene platziert, er steht einfach nur da und beobachtet uns. Nach einigen Minuten kommt Beamte Nummer 1 retour, steht vor uns hin und fragt: «Woher kommen Sie?» Wir erklären noch einmal, dass wir auf dem Nachhauseweg seien. Es folgten weitere Fragen wie «Wohnen Sie hier im Quartier?» oder «Von welcher Strasse her sind sie auf den Bullingerplatz gefahren?» Wir hätten die Antworten verweigern können, doch dann hätte wir uns wohl noch verdächtiger gemacht, als wir anscheinend schon waren. Der Polizist zischt wieder ab.  

In der Zwischenzeit trifft die Feuerwehr ein. In einer 30-sekündigen Löschaktion ist die Sache erledigt. Der Baum brennt nicht mehr. Die Szene wird nun von weiteren Personen beobachtet, die sich rund um den Platz versammeln. Wir sind aber anscheinend weiterhin die einzigen zwei Personen, die verdächtigt werden, den Tannenbaum angezündet zu haben.

Tannenbaum Bullingerplatz 2
Wir haben uns gefragt, ob ein Feuerlöscher wohl nicht auch gereicht hätte, um den Brand zu löschen? Foto: zVg

Neben dem Polizisten, der uns die Identitätskarten entnommen hat, stehen nun zwei weitere Personen, die die Aktion anscheinend beobachtet haben. Ihre Blicke wandern vom Smartphone zu uns und wieder zurück. Dann kommt der Polizist auf uns zu. Er stellt uns keine weitere Frage, sondern entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten. 

Nun gibt es auch eine Antwort darauf, warum wir kontrolliert wurden. Und zwar passt die Beschreibung der Person, die den Tannenbaum angezündet hatte, genau auf mich zu. Rucksack, Fahrrad und weisse Kappe. Durch das Abgleichen der Fotos mit den Zeug:innen, die die Aktion beobachtet und fotografiert haben, kann ausgeschlossen werden, dass ich der Täter bin. Da war ich wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Die Geschichte hat mir gezeigt, wie schnell es geht, dass man von Polizist:innen verdächtigt wird. Nur weil man zufälligerweise gleich angezogen ist, wie der Täter oder die Täterin. Aber in solchen Situationen hat sich meine Devise bewährt: «Nicht aus der Ruhe bringen und Gelassen bleiben». 

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Eigentlich im Schulzimmer zu Hause, fand Emilio während der Corona-Pandemie unerwartet den Weg in den Journalismus. Nach mehreren Jahren als Primarlehrer im Kanton Luzern tauschte er 2020 Schulbücher gegen Newsfeeds gehen ein Civic-Media-Praktikum bei Tsüri.ch. Aus dem Praktikum wurde eine Stelle als Projektleiter – und damit der Beginn einer neuen beruflichen Richtung.

2022 zog es ihn zu Ron Orp, wo er als Texter und Storyteller die Stadt in Worte fasste. Dazwischen und davor sammelte Emilio vielfältige Erfahrungen: als Zivildienstleistender in einem Kinderheim, als Barmitarbeiter in der Volière von Radio 3Fach, in einem kurzen Videojournalismus-Praktikum bei Nau.ch und als Vorstandsmitglied des mittlerweile eingestellten Online-Stadtmagazins Kultz aus Luzern.

2025 kehrte Emilio zurück zu Tsüri.ch – mit frischem Blick, neuen Ideen und derselben Neugier für die Stadt und ihre Menschen.

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