16 Bewerbungen, 9 Sitze: Diese Personen kämpfen um ein Stadtratsamt
Die Tickets der Stadtzürcher Parteien für die Stadtratswahlen vom März 2026 stehen beinahe komplett fest. Neun Sitze gibt es insgesamt, durch den Rücktritt dreier Mitglieder werden die Karten neu gemischt.
Gleich drei neue Gesichter wird es ab nächstem Frühling im Zürcher Stadtrat geben. Die SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch hängt nach 17 Jahren als Stadtpräsidentin den Hut altersbedingt an den Nagel. Auch der 65-jährige André Odermatt (SP), langjähriger Vorsteher des Hochbaudepartements, und der 72 Jahre alte Schulvorsteher Filippo Leutenegger von der FDP treten zurück.
Die übrigen sechs aktuellen Stadträt:innen – Raphael Golta (SP), Simone Brander (SP), Daniel Leupi (Grüne), Karin Rykart (Grüne), Andreas Hauri (GLP) und Michael Baumer (FDP) – stellen sich allesamt zur Wiederwahl. Weil die SP die grösste Partei in der Stadt ist und mit den Grünen und der AL üblicherweise ein Wahlbündnis eingeht, wird Raphael Golta als Präsidiumskandidat der SP aller Voraussicht nach zum neuen Stapi gewählt werden.
Spannender wird es jedoch im Rennen um die Stadtratssitze, mehrere Parteien schielen auf den vakanten FDP-Sitz von Filippo Leutenegger. Die FDP selbst hat ein Ticket mit drei Kandidat:innen aufgestellt, um die zwei Sitze halten zu können. Und die SVP, EVP, AL und Mitte kämpfen um einen Wiedereinzug in den Stadtrat. Ein Überblick nach Parteien:
Bewährte Gesichter auf dem SP-Ticket
Die stärkste Stadtzürcher Partei setzt mit Tobias Langenegger und Céline Widmer auf parteiinterne Grössen. Mandy Abou Shoak blieb trotz grosser Bemühungen ein Platz auf dem Stadtrats-Ticket verwehrt. Geht es nach der SP wird man die vier Sitze halten wollen, mit Golta als neuem Stapi und Langenegger und Widmer neben der bereits amtierenden Simone Brander. Céline Widmer ist Nationalrätin, hat Politikwissenschaften studiert und arbeitete von 2014 bis 2024 im Stab von Corine Mauch. Sie hat zwei Kinder und lebt im Kreis 4. Der 40-jährige Tobias Langenegger ist Ökonom und wohnt seit 18 Jahren im Kreis 5. Sein politischer Schwerpunkt liegt im Kampf für bezahlbaren Wohnraum.
Nationalrätin Céline Widmer arbeitete zehn Jahre lang unter Corine Mauch. (Bild: Elio Donauer)
Simone Brander und Raphael Golta waren als amtierende Stadträt:innen für die Kandidatur gesetzt, Golta greift nach dem Präsidium. (Bild: Jenny Bargetzi)
Die SP-Delegiertenversammlung hat sich noch vor Céline Widmer für den Ökonomen Tobias Langenegger als Kandidat entschieden. (Bild: Jenny Bargetzi)
Hochkarätige Namen bei den Grünen
Für die Grünen werden die bisherigen Stadträt:innen Daniel Leupi und Karin Rykart wieder antreten. Beide hatten bei der Wahl 2022 mehr als 50’000 Stimmen eingefahren, rund 41’000 waren für einen Stadtratssitz nötig gewesen. Jedoch wird die Partei an der Mitgliederversammlung am kommenden Dienstag mit aller Wahrscheinlichkeit mit Balthasar Glättli eine dritte hochkarätige Kandidatur lancieren. Glättli war von 2020 bis 2024 Präsident der Grünen Schweiz und sitzt seit 2011 für den Kanton Zürich im Schweizer Nationalrat. Die Grünen erhoffen sich, mit Glättli einen dritten Sitz sichern zu können – wunschgemäss auf Kosten der FDP und nicht der SP. Doch gewinnt die Partei nur zwei Sitze, könnte Glättlis Kandidatur auch auf Kosten von Leupi oder wahrscheinlicher von Rykart gehen. Am 8. Juli werden die Grünen ihr Ticket offiziell bekanntgeben.
Finanzvorsteher Daniel Leupi tritt erneut für die Grünen an. 2022 hatte er hinter Corine Mauch die zweitmeisten Stimmen erhalten. (Bild: Yves De Prà)
Die Vorsteherin des Sicherheitsdepartements Karin Rykart (Grüne) will im Stadtrat bleiben. (Bild: Simon Jacoby)
Auch Nationalrat Balthasar Glättli hat seine Kandidatur bekanntgegeben. Am 8. Juli werden die Grünen ihr Ticket offiziell verkünden. (Bild: Benjamin Zumbühl)
Frischer Wind bei der FDP
Die FDP schickt neben dem amtierenden Stadtrat Michael Baumer auch noch den Zürcher FDP-Präsidenten Përparim Avdili und Gemeinderätin Marita Verbali ins Rennen. Die Freisinnigen träumen mit ihrem Ticket vom dritten Sitz im Stadtrat, realistisch betrachtet wird die Partei jedoch froh sein, wenn sie den frei werdenden Sitz von Filippo Leutenegger neu besetzen kann. Denn Leutenegger und Baumer waren 2022 als acht- und neuntplatzierte gewählt worden. Tsüri-Chefredaktor Simon Jacoby sieht in Përparim Avdili den aufregendsten Kandidaten für den Stadtrat, wie er kürzlich in einem Kommentar erklärte. Avdili ist seit sieben Jahren im Gemeinderat, medial sehr präsent und in der grossen albanischen Diaspora bestens vernetzt. Neben dem Stadtratssitz fordert er auch offiziell Raphael Golta in der Wahl ums Präsidium heraus. Marita Verbali sitzt aktuell für die FDP im Gemeinderat und ist als Unternehmerin im Gesundheitswesen tätig.
Nachwuchshoffnung bei der GLP
2018 hatte die GLP mit Andreas Hauri erstmals einen Stadtrat gestellt, nun schielen die Grünliberalen bereits auf einen zweiten Sitz. Dafür haben sie neben dem gesetzten Hauri, Leiter des Gesundheits- und Umweltdepartements, Serap Kahriman aufgestellt. Kahriman ist 34 Jahre alt, im Toggenburg geboren und hat familiäre Wurzeln in der Türkei. Bereits 2022 hatte sie sich – damals noch bei der Jungen GLP – für den Stadtrat zur Wahl gestellt. Mit über 23'000 Stimmen landete die junge Kandidatin damals einen überraschenden Achtungserfolg und landete bei der Wahl insgesamt auf Platz 14.
Die 34-jährige Serap Kahriman hatte 2022 für die junge GLP einen Überraschungserfolg erzielt. Nun versucht sie, ihr Wahlergebnis noch zu verbessern. (Bild: GLP)
Neben Kahriman tritt der Andreas Hauri wieder an. Amtierende Stadträt:innen werden bei den Wahlen üblicherweise nicht abgewählt. (Bild: Elio Donauer)
Nächster Anlauf für die AL
Die Alternative Liste (AL) hat sich am 27. Mai mit einer grossen Mehrheit für eine Stadtratskandidatur ausgesprochen. Seit dem 10. Juni steht fest: Tanja Maag wird für die AL nach dem Sitz greifen. Zuvor hatte sie sich intern gegen den Mitbewerber Michael Schmid durchgesetzt. Die 51-Jährige ist Co-Präsidentin im Gemeinderat und ehemalige Pflegefachfrau. Die Wohnkrise ist eines ihrer wichtigsten Anliegen. So war sie an einer Petition gegen den Rausschmiss von 800 Mieter:innen beim Letzigarten-Areal beteiligt.
Richard Wolff war von 2013 bis 2022 der letzte Stadtrat der AL in Zürich. Nach seinem Rücktritt war Walter Angst als AL-Kandidat bei der Wahl 2022 hauchdünn gescheitert: Mit 40'802 Stimmen war er auf Platz zehn gelandet, stattdessen wurde Michael Baumer von der FDP als neuntplatzierter mit 42'007 Stimmen gewählt.
Aussenseiterchancen bei der SVP
Die SVP ist schon seit 1990 nicht mehr im Stadtrat vertreten. Um das zu ändern, schickt die Partei den Kantonsrat und Co-Präsidenten der Zürcher SVP, Ueli Bamert ins Rennen. Gegenüber Tsüri.ch sagte Bamert im Interview, die SVP werde «angriffiger auftreten und klar aufzeigen, wo die linke Politik destruktiv ist». So spricht er sich unter anderem dagegen aus, «jedes Problem mit Steuergeldern zuzuschütten, wie das die rot-grüne Mehrheit tut». Für einen Sprung in den Stadtrat müsste die SVP jedoch deutlich zulegen. 2022 hatten die zwei Kandidaten Roland Scheck und Stephan Iten je rund 19'000 Stimmen geholt, was nur für die Plätze 15 und 16 reichte.
Für die Alternative Liste wird Tanja Maag antreten. 2022 war Walter Angst hauchdünn am Stadtratssitz vorbeigeschrammt. (Bild: Diana Studerus)
Ueli Bamert will für die SVP erstmals seit 1990 wieder einen Sitz erobern, doch die Chancen sind sehr gering. (Bild: Elio Donauer)
Auch EVP und Mitte hoffen auf Rückkehr in den Stadtrat
«Die Politik der Mitte fehlt im Stadtrat. Das muss sich ändern», befand die Mitte Stadt Zürich in einer Medienmitteilung vom 19. Juni. Um genau das zu tun, stellt man mit Karin Weyermann die städtische Parteipräsidentin persönlich zur Wahl. Weyermann ist Juristin mit Anwaltspatent und langjährige Gemeinderätin. Am 26. Juni, zeitgleich mit dem SP-Parteitag, gab die Partei Weyermanns Kandidatur offiziell bekannt. Um sich ganz auf den Wahlkampf konzentrieren zu können, gibt sie sogar per September 2025 den Parteivorsitz ab. 2022 hatte es Josef Widler mit knapp 27'000 Stimmen auf Platz 13 geschafft.
Auch die EVP wünscht sich eine Rückkehr in den Stadtrat, seit 1994 ist die Evangelische Volkspartei dort nicht mehr vertreten. 2022 hatte Roger Föhn für die Partei kandidiert und rund 9300 Stimmen geholt, was nur für Platz 17 reichte. Am 20. Mai hat sich die Partei einstimmig für Co-Präsidentin Sandra Gallizzi als Kandidatin entschieden. Aktuell ist Gallizzi Gemeinderätin und beruflich als diplomierte Fusspflegerin tätig. Persönlich liegt Gallizzi der Umweltschutz und die Sozialhilfe sehr am Herzen. «Es geht mir um die Menschen und Tiere auf unserem Planeten – eben um die Schöpfung», sagte sie gegenüber Tsüri.ch im Interview. Die Kandidaturen der Kleinparteien EVP/ Mitte sind aber wenig erfolgversprechend: Die EVP schaffte bei den letzten Gesamterneuerungswahlen nur in einem Wahlkreis die notwendige Fünf-Prozent-Hürde, und die Mitte musste von 2018 bis 2022 eine vom Stimmvolk diktierte Pause im Gemeinderat einlegen.
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Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich, Master in Kulturanalyse und Deutscher Literatur. Während des Masters Einstieg als Redaktionsmitglied in der Zürcher Studierendenzeitung mit Schwerpunkt auf kulturellen und kulturkritischen Themen. Nebenbei literaturkritische Schreiberfahrungen beim Schweizer Buchjahr. Nach dem Master Redaktor am Newsdesk von 20Minuten. Nach zweijährigem Ausflug nun als Redaktor zurück bei Tsüri.ch