Raphael Golta zur Wohnkrise: «Stadtrat muss stärker auftreten»
Raphael Golta will Stadtpräsident werden – und hat beste Karten. Im ersten Interview nach der Nomination spricht er über langweilige Etiketten, Mandy Abou Shoak und wie er Zürichs Wohnkrise angehen will.
Simon Jacoby: Sie wurden von der SP als Kandidat für das Stadtpräsidium nominiert. Damit sind sie praktisch schon gewählt. Mit wem müssten die anderen Parteien antreten, um Sie noch zu schlagen?
Raphael Golta: (Lacht) Es ist nicht meine Aufgabe, meine Konkurrenz auszuwählen. Ich bin sehr gespannt, wer noch ins Rennen steigt und werde mich dann danach richten. Der Wahlkampf dauert lange und es kann noch viel geschehen. Ich gebe Vollgas, unabhängig davon, wer gegen mich antritt. Schliesslich müssen wir auch die fortschrittliche Mehrheit im Gemeinderat ausbauen!
Innerhalb der Partei wurden Sie von Mandy Abou Shoak herausgefordert, welche in kurzer Zeit eine kleine Bewegung gestartet hat. Wie wollen Sie diese Stimmen nun für sich gewinnen?
Bisher habe ich mich auf die interne Ausmarchung konzentriert. Dank den Sommerferien haben wir jetzt einen Moment Zeit für die weitere Planung. Die Frage, wie ich unterschiedliche Menschen abholen kann, ist natürlich wichtig. Dank meiner langjährigen Arbeit als Sozialvorsteher habe ich viele gute Kontakte in die Zivilgesellschaft und zu den NGO und werde für diese ein glaubwürdiger Ansprechpartner sein.
Es heisst, Sie seien der vernünftigere, erfolgsversprechendere, aber damit auch der langweiligere Kandidat als Abou Shoak es gewesen wäre. Was entgegnen Sie darauf?
Nach zwölf Jahren im Amt ist es schwierig, in den Medien noch überraschend und prickelnd dargestellt zu werden. Dafür wissen die Wähler:innen, was sie an mir haben – und das ist doch einiges. Als Stadtrat habe ich viel ausprobiert und bin Risiken eingegangen. Mit Erfolg. Dies zeichnet mich aus und darauf baue ich jetzt auf. Man kann mir sicher nicht vorwerfen, ein langweiliger Politiker zu sein.
Zürich kämpft mit steigenden Mieten, Gentrifizierung und Verdrängung. Wollen Sie hier eine aktivere Rolle einnehmen – auch in Verhandlungen mit Investor:innen?
Die Sichtbarkeit des Stadtrats in diesem Thema sollten wir verstärken. Nach den Wahlen im Frühling werden wir zwei wichtige Sitze neu verteilen, die sich mit der Wohnkrise befassen: das Hochbaudepartement und das Präsidium. Wir werden dann auch bestimmen, wer gegenüber der Öffentlichkeit und einzelnen Gruppen mit welchem Anspruch auftritt.
Die linke Mehrheit im Stadtparlament ist äusserst knapp. Wie wollen Sie als Spitzenkandidat der linken Parteien auch Neu-Wähler:innen für Politik begeistern?
Der Wahlkampf besteht für mich aus zwei Teilen. Zum einen werde ich zusammen mit der Partei schauen, auf welche Themen wir gemeinsam setzen und wie ich die Partei unterstützen kann – mit dem Ziel, die SP im Gemeinderat weiter zu stärken. Zum anderen präsentiere ich mich als Person.
Als Sozialpolitiker nehme ich den Fokus auf weniger privilegierte Menschen in unserer Stadt mit in Wahlkampf und Amt – also etwa Menschen mit kleinerem Portemonnaie, ohne grossen Bildungsrucksack oder prekär Beschäftige. Ich weiss, wo den Menschen in Zürich der Schuh drückt. Damit kann ich die Menschen abholen.
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An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.