«Wir ärgern uns darüber, dass die FDP so häufig mit Links paktiert»
Die Zürcher SVP will zurück in den Stadtrat – mit einem offensiveren Wahlkampf. Co-Präsident Ueli Bamert spricht über Steuern, Strategien und Secondos.
Sofiya Miroshnyk: Seit 35 Jahren ist die SVP nicht mehr in der Regierung vertreten. Wie wollen Sie wieder in den Stadtrat gelangen?
Ueli Bamert: Am 1. April geben wir unsere Kandidatur bekannt – kein Scherz. Wir werden angriffiger auftreten und klar aufzeigen, wo die linke Politik destruktiv ist. Trotz hoher Steuereinnahmen ist es unsinnig, jedes Problem mit Steuergeldern zuzuschütten, wie das die rot-grüne Mehrheit tut – sei es bei der Wohnungspolitik oder bei der Förderung von allerlei anderen linken Luxusprojekten. Wir bieten eine echte Alternative zum politischen Einheitsbrei.
Was meinen Sie mit «angriffiger»?
Wir werden unter anderem auf Social-Media aktiv sein und versuchen, neue Wähler:innen-Segmente mit einem erfrischenden Wahlkampf anzusprechen.
Welche?
Junge Menschen und Secondos. Ich bin überzeugt, dass beide Gruppen häufig konservativ denken und uns wählen würden.
Sie wollen Secondos als Wähler:innen gewinnen, doch Ihre Partei steht oft in der Kritik wegen Diskriminierung und Rassismus. Laut einer städtischen Befragung erlebt jede fünfte Person Diskriminierung. Was unternehmen Sie dagegen?
Gegen den Vorwurf des Rassismus wehre ich mich in aller Form, das ist falsch. Wir kritisieren einerseits die schiere Menge der Zuwanderung und andererseits straffällige Ausländer:innen – ihre höhere Kriminalitätsrate ist statistisch belegt. Gesetzestreue Migrant:innen sind hochwillkommen und ärgern sich selbst über die ausländische Kriminalität.
Werden Sie selbst auch kandidieren?
Dazu kann ich noch nichts sagen.
Sie überlegen sich nicht mal eine Kandidatur?
Nun gut, überlegen tue ich schon.
2002 erreichte die Zürcher SVP das beste Wahlresultat in ihrer Geschichte mit 31 Sitzen im Gemeinderat. Seither verlor sie stetig Wähler:innenanteile. Warum haben Sie so viel Mühe in Zürich?
Wir verlieren seit Jahren Stimmen. Das ist Fakt. Deshalb müssen wir mal was Neues wagen. Unser erklärtes Ziel ist, bei den Wahlen 2026 wieder zuzulegen. Die Stadt wächst, wobei vor allem Mitte-Links-Wähler:innen zuziehen. Ausserdem gelingt es der SP geschickt, mit ihrer Politik neue Wählerschichten «einzukaufen».
«Die Stadt hat rekordhohe Steuereinnahmen, und trotzdem gab es ewig keine Steuersenkung mehr.»
Ueli Bamert, Kantonsrat und Co-Präsident SVP Stadt Zürich
Inwiefern?
Zum Beispiel mit gratis Laptops für Menschen, die nicht viel verdienen. Das ist nur ein Beispiel von vielen, wie die SP die linke Wählerschaft an sich bindet. Das ist keine nachhaltige Politik. Die SP behauptet, sie habe für alles eine Lösung, aber ihre einzige Lösung ist die Umverteilung – diese ist schädlich, denn damit wird der Mittelstand belastet, der schon seit Jahren eine Steuersenkung zugute hätte.
Wir hingegen sehen uns als Partei der normalen Bürger:innen, die möglichst in Ruhe gelassen werden und weniger Steuern zahlen wollen. Die Stadt hat rekordhohe Steuereinnahmen, und trotzdem gab es ewig keine Steuersenkung mehr. Dabei würden davon alle profitieren.
Rot-Grün sieht das anders. Aktuell hat sie eine äusserst knappe Mehrheit von einem Sitz im Stadtparlament.
Diese Mehrheit wollen wir kippen. Ziel ist, auf den Stand von 2018 zu kommen, also plus drei Sitze. Damit käme die bürgerliche Seite mit der GLP über 50 Prozent, das ist machbar. Bleibt dann nur die Frage, wie oft man sich auf die GLP verlassen kann.
Das hört sich nach einem Kraftakt an: Susanne Brunner ist derzeit ausgefallen, Hoffnungsträgerin Camille Lothe hat sich für den Journalismus entschieden. Ist der Job des Parteipräsidiums einfach zu hart oder sind Sie zu schlecht organisiert?
Parteipräsident:innen arbeiten fast ausschliesslich gratis. Frau Brunner hat neben ihrem Posten bei der SVP eine eigene Firma und auch ich habe einen anspruchsvollen Job. Ausserdem wird es immer schwieriger, Leute zu finden, die es sich antun wollen, unentgeltlichen Einsatz zu leisten. Es ist eine sehr hohe Arbeitsbelastung. Und am Samstagmorgen vor der Migros stehen und Flyer verteilen, ist halt nicht so sexy.
Die SVP wirkt nicht nur in der städtischen Bevölkerung, sondern auch im Gemeinderat isoliert – nur selten schaffen es Vorstösse durch die Abstimmung. Wollen Sie nicht mit den anderen spielen oder umgekehrt?
Es liegt in der Natur der Sache: Wir sind die Opposition und häufig anderer Meinung. Da ist es unumgänglich, dass wir uns oft von den anderen Parteien abgrenzen müssen. Aber häufig sagen die Linken auch einfach Nein zu allem, was von der SVP kommt.
Es gibt auch Ausnahmen: Etwa bei der Initiative für mehr Alterswohnungen, mit der wir ein mehrheitsfähiges Anliegen lanciert haben.
Die FDP zeigt sich kompromissbereiter und erzielt dadurch häufiger Erfolge.
Mehr überparteiliche Zusammenarbeit wäre wünschenswert, aber nicht zum Preis, dass unser eigenes Profil dadurch aufgeweicht wird. Das ist bei der FDP wegen ihrer Zusammenarbeit mit Links leider oftmals der Fall. Weil die Linke nicht kompromissbereit ist, müssen sich die Freisinnigen verbiegen. Wir ärgern uns auch darüber, dass die FDP so häufig mit Links paktiert.
Abgesehen von den Steuersenkungen, was ist ihr Gegenangebot zur rotgrünen Politik?
Unser genaues Programm für die Wahlen 2026 steht noch nicht fest. Aber das Hauptproblem der Stadt ist klar: Es kommen immer mehr Menschen. Was dazu führt, dass der Wohnraum und der Platz für Verkehr immer knapper werden. Wir müssen die Zuwanderung bremsen.
«Wer 5000 Franken für eine 2-Zimmer-Wohnung zahlt, treibt die Preise zusätzlich in die Höhe, das finde ich auch ärgerlich.»
Ueli Bamert, Kantonsrat und co-Präsident SVP Stadt Zürich
Welche Zuwanderung meinen Sie; die Expats, die Asylsuchenden oder alle?
Es geht nicht um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, sondern um die schiere Menge an Menschen. Die Stadt soll auf eine halbe Million Menschen anwachsen. Das wäre eine ungute Entwicklung.
Gemäss dem städtischen Sorgenbarometer 2023 treibt das Thema Wohnen die Zürcher Bevölkerung besonders stark um. Wie wollen Sie bezahlbaren Wohnraum schaffen?
Es braucht einen Abbau dieser horrenden Bürokratie. Es muss einfacher werden, mehr und höher zu bauen. Wichtig sind flexible Regeln, etwa bei der Deckenhöhe, um mehr Bauflächen nutzbar zu machen.
«Ein Mietendeckel wäre das Dümmste überhaupt.»
Ueli Bamert, Kantonsrat und co-Präsident SVP Stadt Zürich
Sie fordern einfachere Baubewilligungsverfahren und weniger Regulierung. Doch steigendes Angebot allein schafft noch keinen bezahlbaren Wohnraum, da viele bereit sind, hohe Preise zu zahlen.
Das sehe ich anders: Knapper Wohnraum bedeutet höhere Preise. Wenn deutlich mehr Wohnungen gebaut würden, würde das Angebot steigen und der Preisdruck sinken. Aber ist halt schon so: Wer 5000 Franken für eine 2-Zimmer-Wohnung zahlt, treibt die Preise zusätzlich in die Höhe, das finde ich auch ärgerlich.
«Linke Rezepte funktionieren nicht.»
Ueli Bamert, Kantonsrat und co-Präsident SVP Stadt Zürich
Wollen Sie denn gar keinen bezahlbaren – also viel günstigeren – Wohnraum?
Doch, aber nicht durch staatlich gedrückte Mietpreise und noch mehr Auflagen. Der Mieter:innenschutz in der Schweiz ist hoch und ein Mietendeckel wäre das Dümmste überhaupt – niemand würde mehr sanieren. Ein Bekannter aus Basel besitzt eine ältere Wohnung, wenn er die saniert, kann er aufgrund der dort geltenden Bestimmungen nur 50 Franken mehr dafür verlangen. Das lohnt sich nicht. Daraus sieht man: Linke Rezepte funktionieren nicht.
Laut linken Parteien blockieren FDP und SVP auf Kantons- und Bundesebene ein Vorkaufsrecht für die Stadt und ein Wohnschutzgesetz, das bezahlbaren Wohnraum fördern würde.
Mit dem Vorkaufsrecht gäbe es nur noch mehr städtische Wohnungen. Das kann nicht die Lösung sein. Denn dann werden diese unter der Hand vergeben, wer weiss nach welchen Kriterien! Die Zahl ist zwar schon etwas älter, aber eine Analyse hat gezeigt: Von den 125 Gemeinderät:innen wohnen Linke überproportional oft in subventionierten Wohnungen.
Die SVP betont oft den Wert der direkten Demokratie, beim Thema Verkehr zeigen Sie sich aber nicht sehr demokratisch: Ihre Parkplatz-Initiative will die Anzahl Parkplätze einfrieren, was der angenommenen Velo-Initiative um die Velovorzugsrouten widerspricht. Warum akzeptieren Sie den Volkswillen nicht?
Selbstverständlich akzeptieren wir den Volkswillen. Das eine hat aber nicht direkt etwas mit dem anderen zu tun: Der Parkplatzkompromiss wurde einseitig von Links gekündigt. Die Umsetzung der Velo-Initiative darf nicht dazu führen, dass einfach immer mehr Parkplätze gestrichen werden. Diese einseitige Anti-Auto-Politik bekämpfen wir.
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Sofiya Miroshnyk begann ihre berufliche Laufbahn als Chemielaborantin mit einer Ausbildung beim Labor Spiez und anschliessender Tätigkeit bei Givaudan. Nach ihrer Weiterbildung über die BMS am Inforama Zollikofen und der Passerelle am Gymnasium Neufeld studierte sie Philosophie, Politik und Wirtschaft an der Universität Luzern.
Bereits während des Studiums entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Journalismus und sammelte erste Erfahrungen bei Tink.ch, wo sie später als Chefredaktorin tätig war. Nach einem Praktikum bei SRF in der Sendung SRF-Schawinski war sie ein halbes Jahr Produzentin bei Schawinski, danach arbeitete sie drei Jahre als Produzentin und Redaktorin bei der SRF-Arena. Es folgten Stationen bei Blick TV und der NZZ am Sonntag. Derzeit ist sie als Redaktorin beim SRF-Club tätig und arbeitet parallel in einem befristeten Teilzeitpensum bei Tsüri.ch.