Die zwei Seiten der Modern Monetary Theory

An der Universität Zürich findet eine Vorlesungsreihe zu alternativen Wirtschaftsmodellen statt. Die Organisator*innen vom Verein Plurale Ökonomik präsentieren hier die besprochenen Themen. Hier folgt der elfte von dreizehn Teilen.

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Bild: Giorgio Trovato via Unsplash

Text: Joël Bühler

Die Modern Monetary Theory (MMT) ist in aller Munde. Wichtige Ökonom*innen, alle einflussreichen Wirtschaftszeitungen und selbst der Senat in den USA haben sich daran abgearbeitet – meist wenig wohlwollend. Doch oft kritisieren sie nicht den eigentlichen Kern oder den «spezifischen»Teil der MMT, sondern lediglich eine einige generelle Aussagen. Diese sind deutlich umstrittener, werden allerdings auch von den Exponent*innen immer wieder medial in verkürzter Form verbreitet. Dabei hat die MMT wichtige Beiträge zu unserem Verständnis des Geldsystems geleistet. Doch was sind ihre Kernaussagen und welche Gemeinsamkeiten haben sie mit dem Post-Keynesianisums? Der kanadische Post-Keynesianer und «freundliche Kritiker» der MMT der ersten Stunde, Marc Lavoie, hat uns diese Fragen beantwortet.

Entgegen der Norm

MMT widerspricht wichtigen Vorstellungen des ökonomischen Mainstreams: Der Vorstellung, dass ein Staat mit eigener Währung pleite gehen kann oder seine Finanzen wie ein Haushalt managen soll. Auch seien Staatsschulden keine Belastung für zukünftige Generationen, und Banken schaffen Geld aus dem Nichts und vermitteln es nicht bloss. Das sind gemäss Marc Lavoie alles Dinge, die auch im Post-Keynesianismus wichtig sind- in einigen Punkten geht MMT aber wesentlich weiter als der Post-Keynesianismus: Der Staat solle mit einer Arbeitsplatzgarantie für alle die Inflation kontrollieren und für Vollbeschäftigung sorgen. Diese Garantie könne problemlos über Staatsdefizite finanziert werden – solange das Land über eine souveräne Währung verfüge, könne es nicht zahlungsunfähig werden und Defizite würden die kurzfristigen Zinsen sogar senken und nicht erhöhen, wie das viele im Mainstream befürchten.

Während sich die MMT-Diskussionen früher um spezifische Mechanismen im Geldsystem gedreht haben, kritisieren die Mainstream-Ökonom*innen und Zeitungen heute oft eine Karrikatur von MMT, die sie auf Blogs konsumieren. Die MMT-Theoretiker*innen tragen aber durchaus ihren Teil dazu bei, weil sie Argumente für die Öffentlichkeit oft verkürzt darstellen. Vieles steht und fällt dabei mit den zwei wichtigen Konzepten.

Souveräne Währung und Zentralbank als Teil des Staates

Während sich mit etwas Buchhaltung problemlos zeigen lässt, dass Staatsdefizite zu tieferen kurzfristigen Zinsen führen, und ein Staatsbankrott tatsächlich oft unmöglich ist, gibt es bei Aussagen aus dem “generellen” Teil der MMT deutliche Einschränkungen. Sobald ein Land an Währungssouveränität verliert, beispielsweise weil es seinen Wechselkurs an eine andere Währung bindet oder seine Regierung nicht direkt von der Notenbank Geld ausleihen kann, gelten viele MMT-Aussagen nicht mehr uneingeschränkt. Ausser Kanada hat aber kaum ein Land eine fast komplett souveräne Währung - nicht die USA, schon gar nicht aber die Eurozone. MMT-Aussagen wie “das Finanzdepartement muss keine Schulden machen, um Defizite zu fahren” oder “Steuern finanzieren keine Staatsausgaben” gelten nur, weil MMT-Autor*innen dafür die Zentralbank und die Fiskalbehörden (Regierung/Finanzamt) implizit zusammen denken - was nirgends der tatsächlichen institutionellen Situation entspricht.

Die Modern Monetary Theory hat einen erheblichen Beitrag zu unserem Verständnis eines modernen Geldsystems geleistet. Wenn wir von diesen Einsichten profitieren wollen, sollten wir uns allerdings auf den Kern der MMT fokussieren. Diskussionen über die Karikatur der MMT, wie sie in den Medien oft geführt werden, sind von geringem Nutzen.

Nächste Woche kommt Claude Ménard zu uns und stellt uns die Institutionenökonomik vor.

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