14. Juni: 32 Grad, Tausende Demonstrierende und eine grosse Ankündigung

Hitzewelle trifft Protestwelle: Beim feministischen Streik marschierten Tausende für Gleichstellung, Care-Arbeit und gegen rechte Machtfantasien. Das Motto: «Do you care? Gegen Faschismus & Aufrüstung».

Feministicher Streik 14. Juni 2025
Tausende gingen am Samstag für feministische Anliegen und gegen Patriarchat und Faschismus auf die Strasse. (Bild: Sofie David)

Bei heissen 32 Grad und praller Sonne zogen tausende demonstrierende Frauen, inter-, nonbinäre, trans und agender Personen (FINTA) am Samstag während der Feministischen Demo durch die Stadt.

Das Streikkollektiv hatte im Vorfeld geraten, sich mit Caps, Sonnencreme und genügend Wasser für den dreistündigen Demo-Umzug zu wappnen.

Bis es losging, drängten sich die FINTAS in den Schatten und kühlten sich an Brunnen und mit Schläuchen ab, hier und da wurden die letzten Transpis bemalt oder Sprech-Chöre geübt.

Schon vor Beginn des Umzugs richteten Redner:innen scharfe Worte in die Richtung von Donald Trump, der AFD, der SVP, der Rüstungsindustrie und gegen den «Genozid in Palästina». Mit einem 15-sekündigen Schrei — für die 15 Feminizide, die es in diesem Jahr schweizweit schon gegeben hat, begann der Umzug, während lila Rauch über dem Lindenhof hochzog.

Die Demonstration verlief entlang der bewilligten Route von der Rudolf-Brun-Brücke über die Bahnhofstrasse und den Talacker, dann auf der anderen Seite der Sihl über die Sihlpost, die Militärstrasse und Langstrasse zum Helvetiaplatz.

Kreative Schilder, klare Botschaften

Am Traktor, der dem Demozug vorausfuhr, flatterte in diesem Jahr auch eine Palästina –Flagge, weiter hinten liefen ein «Care-Block» und ein antikolonialer und pro-palästinensischer Block. Die Mehrzahl der Demonstrierenden in diesem Block war in Kufiya gehüllt, immer wieder wurde gesungen: «Bullen, Bosse, Banken, alle müssen wanken». Doch auch ausserhalb des Palästina-Blocks waren zahlreiche palästinensische Flaggen oder Schilder wie «Soli 4 Gaza» zu sehen.

Auf den Plakaten liess sich der Einfallsreichtum der Demonstrierenden ablesen. Neben Klassikern wie «Girls just want to have fundamental rights» waren Sprüche wie «Alles was du kannst, kann ich blutend», «Die Scham muss die Seite wechseln», «dörfsh eus ernst näh imfall» oder «Unsere Lieblingsstellung ist Gleichstellung» zu lesen.

Auch, als der vorderste Wagen am Paradeplatz haltmachte, wurde nochmals eindringlich auf die katastrophale Situation im Gaza-Streifen hingewiesen, der auch schon Tausende Kinder und Frauen zum Opfer gefallen sind. «Wer von Feminismus spricht, darf bei Genozid nicht schweigen», betonte die Rednerin.

An einem der hinterem Wagen wurde gegen «Macker, Finanzheinis und Kriegstreiber» gewettert, zwischendurch schepperten «Bella Ciao», Tomboy von Princess Nokia oder «Daylight» von den New Angels durch die Boxen, an einem anderen Wagen spielte eine DJane harten Techno.

  • Feministischer Streik 2025

    Not All Men, Aber: (Bild: Sofie David)

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    Für viele Demonstrierende stand der Kampf gegen Rechtsruck und Faschismus im Vordergrund. (Bild: Sofie David)

  • Feministischer Streik 2025

    Zahlreiche Schilder und Transpis zeigten Solidarität mit Gaza. (Bild: Sofie David)

  • Feministischer Streik 2025

    Auch mehrere Redner:innen adressierten die verheerende Lage und den «Genozid» im Gaza-Streifen. (Bild: Sofie David)

«Kein Alltagssexismus mehr, das ist mir am wichtigsten»

Im Vorfeld hatte sich der Feministische Streik für Gleichstellung und Lohngleichheit eingesetzt. Die Organisation mahnte: «Klassische Frauenberufe werden weiterhin schlechter entlöhnt, jede zweite Frau erlebt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – und international greifen rechte Kräfte Gleichstellungspolitiken frontal an.»

Auch die Juso Schweiz warnt in einer Medienmitteilung vom Samstag vor zunehmender Gewalt gegen Frauen, misogynen Frauenbildern bei Männern und einem «antifeministischen Backlash». Als Antwort darauf fordert die Juso eine «obligatorische Bildungs- und Präventionswoche gegen sexualisierte Gewalt und Frauenhass an allen Schweizer Schulen.»

Gefragt, was sie sich für die Feministische Demo erhoffen, sagen zwei Demonstrierende: «Ich hoffe auf eine gute Energie und darauf, dass unsere Forderungen endlich umgesetzt werden». Eine der beiden ist jedes Jahr an der Demo dabei, die andere zum ersten Mal.

Eine andere Demonstrierende antwortet darauf, was der 14. Juni für sie bedeutet: «Es geht um Widerstand, aber auch darum, die Gemeinschaft mit anderen Frauen und Streikenden zu spüren. Das ist mega schön.»

Ihre Kollegin gibt hinzu: «Kein Alltagssexismus mehr, das ist mir am wichtigsten. Er steckt überall und in jeder beruflichen Branche, das muss aufhören».

Im Anschluss an die Demo hat das Feministische Streikkollektiv Zürich auf dem Helvetiaplatz bekanntgegeben, eine Kampagne für einen überregionalen Care-Streik lancieren zu wollen.

Die Demonstration vom Samstag solle ein Startschuss für eine breite Initiative sein, «die von verschiedenen feministischen Streikkollektiven in der ganzen Schweiz getragen und weiterentwickelt wird», heisst es dazu in einer Medienmitteilung. Der koordinierte Streik in der Care-Arbeit soll 2027 stattfinden. Damit möchten die verschiedenen feministischen Kollektive einmal mehr aufzeigen: «Ohne uns steht alles still».

Mit dem Streik fordern die Kollektive eine gerechte Entlohnung für bezahlte und bisher unbezahlte Care-Arbeit, mehr Zeit und bessere Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung für Care-Arbeitende und eine «Sichtbarmachung der meist unsichtbaren Care-Arbeit.»

  • Feministischer Streik 2025

    Los ging der Demo-Umzug um 15 Uhr auf der Rudolf-Brun-Brücke und endete um 18 Uhr auf dem Helvetiaplatz. (Bild: Sofie David)

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    «Mit Caps und Sonnenschirmen schützten sich die Demonstrierenden vor der Hitze.» (Bild: Sofie David)

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    Heute statt an die Demo in die Badi zu gehen, kam für diese Streikenden nicht infrage. (Bild: Sofie David)

  • Feministicher Streik 14. Juni 2025

    Kurz vor der Frauen-Fussball-EM in der Schweiz «It's a beautiful day to kick the patriarchy». (Bild: Sofie David)

Die Streiks und Demonstrationen der letzten Jahre sind an den ersten grossen Frauenstreik vom 14. Juni 1991 angelehnt. Damals legten in der ganzen Schweiz rund 500’000 Frauen unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» die Arbeit nieder – es war die grösste landesweite Mobilisierung seit dem Generalstreik 1918.

Erstmals hat es in diesem Jahr einen neurodiversen Silent Block für Menschen gegeben, die an der Demo teilnehmen wollten, ohne sich einem Übermass an Lärm und Reizen auszusetzen. Auch in zahlreichen anderen Schweizer Städten wurde zu Demonstrationen aufgerufen.

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Kommentare

Markus
16. Juni 2025 um 06:22

Pro Palästina Demo?

Ich finde es unsäglich, dass die pro Palästina Demos alle anderen Veranstaltungen für ihre Zwecke kapern. Die Situation der Frauen in Palästina unter den Palästinensern, welche Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten als Schutzschilde missbrauchen, war sicher vorher auch nicht gut. Wie die Toleranz gegenüber LGBTIQ in Palästina vor dem verabscheuenswürdigen Angriff der Israelis war, möchte ich gar nicht wissen. Dass trotzdem unhinterfragt Hass gegen jüdische Personen an einer Demo verbreitet wird ist sehr schlimm. Der Angriff begann von Seite der Palästinenser. Dass auf beiden Seiten leider schlimme Parteien das Sagen haben ist natürlich zu verurteilen. Aber das einseitige in Schutz nehmen mag mich sehr.