Kirche verlangt 4700 Franken – so kam die hohe Kostenmiete zustande

Wegen teurer Mieten in einem Hottinger Neubau steht die reformierte Kirche Zürich in der Kritik. Diese verteidigt sich und sagt, es handle sich um Kostenmiete. Dennoch erzielt sie einen Aufwertungsgewinn.

Visualisierung Sennhauserweg 15
Diese Visualisierung zeigt, wie das Mehrfamilienhaus am Sennhauserweg künftig aussehen soll. (Bild: Screenshot reformiert-zuerich.ch/ Karin Gauch)

Bis zu 4700 Franken für eine 4,5-Zimmer-Wohnung, bis zu 2650 Franken für eine 50-Quadratmeter-Wohnung: Diese Mieten verlangt die reformierte Kirche in einem Mehrfamilienhaus in Hottingen und sorgt damit für mediales Aufsehen und Kritik.

Kann es sein, dass es sich bei den geplanten Mieten im Neubau an der Sennhauserstrasse dennoch um Kostenmieten handelt?

«Ja, es handelt sich um Kostenmieten, auch wenn diese verständlicherweise als teuer empfunden werden», sagt Michael Hauser, Ressortleiter Immobilien der Kirchenpflege, dazu auf Anfrage.

Die Mietzinse am Sennhauserweg seien gemäss dem Kostenmiet-Modell der Wohnbauförderungsverordnung des Kantons Zürich (WBFV) berechnet worden. Bei der Kostenmiete werden der Unterhalt, die Baukosten und die Kosten für den Boden mit eingerechnet. Doch zumindest für das Bauland dürfte auch die Kirche nicht viel Geld ausgegeben haben: Denn das Grundstück befindet sich bereits seit 1954 im kirchlichen Besitz.

Kein Beitrag zur «sozialen Durchmischung von Hottingen»

Gemäss Walter Angst vom Mieter:innenverband Zürich liegt das Problem bei der Kostenmiete selber: «Kostenmiete heisst nicht, dass die Mieten günstig sein müssen. Der Bauträger darf bei der Festsetzung der Miete 20 Prozent der Gesamtinvestitionskosten als Landwert einsetzen – auch wenn das Grundstück zu einem viel tieferen Preis übernommen worden ist. Das dürfte hier der Fall gewesen sein.»

Im Fall Hottingen heisst das: 20 Prozent der Baukosten in Höhe von 4,8 Millionen Franken und 20 Prozent des Grundstückpreises sind als Landwert in die Berechnung der Miete mit eingeflossen. Dadurch entsteht für die Kirche ein Aufwertungsgewinn von mindestens einer Million Franken.

Gemäss der Kirche entspricht der Landwert, der in die Miet-Berechnung einfliesst, dem Steuerwert. Der Steuerwert einer Immobilie wiederum beträgt im Kanton Zürich in der Regel 70 Prozent des voraussichtlichen Verkaufspreises unter aktuellen Marktbedingungen (Verkehrswert). So dürfte also auch der aktuelle Bodenwert in die Berechnung mit einfliessen, und nicht der weitaus günstigere Kaufpreis aus dem Jahr 1954.

Gemeinnützige Bauträger:innen wie die städtischen Genossenschaften rechnen hingegen nach einem anderen Kostenmietmodell: Hätten sie den Bau in Hottingen realisiert, wären die Mieten somit tiefer ausgefallen. «Es bleibt zu hoffen, dass die Kirche den Aufwertungsgewinn einem guten Zweck zuführt», summiert Walter Angst. Denn als Beitrag zur «sozialen Durchmischung von Hottingen» könne die Kirche das Bauprojekt definitiv nicht verkaufen.

Dabei heisst es im Mietreglement der Kirche doch so schön: «Die Wohnungen der Kirchgemeinde Zürich leisten einen Beitrag zu einer sozial vielseitig zusammengesetzten Bewohnerschaft der Stadt und ihrer Quartiere.»

Und noch vor einem Jahr hatte der Mediensprecher der reformierten Kirche, Fabian Kramer, im eigenen Onlineportal ref.ch «Mieten im mittleren Preissegment», versprochen und dass der Bau «etwas für das soziale Gleichgewicht in der Stadt tut». 

Das ist der Kirche definitiv nicht gelungen: Denn die Mieten gehören gemäss Mieter:innenverband zu den teuersten 10 Prozent im Quartier.

Gemeinnützige Bauträgerschaft ist 40 Prozent günstiger

Mit knapp fünf Millionen Franken fiel der Bau am Hottinger Sennhauserweg zudem deutlich teurer aus, als zunächst geplant. «Aufgrund der besonderen Lage und der geplanten CO₂-Reduktion durch die Holzbauweise liess sich ein günstigerer Bau leider nicht umsetzen», erklärt Michael Hauser von der Kirchenpflege. Für die hohen Baukosten seien auch die Hanglage und die geringe Grösse des Baus mit lediglich sechs Wohneinheiten verantwortlich gewesen. Ausserdem habe ein Rekurs zweier Nachbarn den Bau verzögert, man habe sich jedoch einigen können.

Klar ist, in der Stadt Zürich günstig zu bauen, ist eine Herausforderung. So erklärt Stefan Schneider, Geschäftsführer des Zürcher Regionalverbands der Schweizer Wohnbaugenossenschaften: «Land und auch Bauen sind heutzutage teuer». Dennoch gibt es krasse Unterschiede: «Die statistischen Informationen zeigen, dass gemeinnützige Bauträgerschaften gegenüber kommerziellen Immobilienfirmen auch bei Neubauten mehr als 40 Prozent günstiger sind», betont Schneider.

Für diese beachtliche Differenz seien mehrere Faktoren verantwortlich, wie etwa der tiefere Flächenverbrauch und der Bau auf eigenem Land. Ausserdem verzichteten die Wohnbaugenossenschaften auf Mietzinserhöhungen bei Mieter:innen-Wechsel und bewerten Liegenschaften nicht laufend neu, erklärt Schneider. Und selbstverständlich verzichten die gemeinnützigen Wohnbauträger auf Profit. 

Dafür, dass die kirchlichen Wohnungen auf eigenem Land und ohne Profit-Motiv gebaut wurden, überraschen die geplanten Mieten noch immer. Zum Vergleich: noch im letzten Jahr berichtete die reformierte Kirche, dass die durchschnittliche Miete in ihren Wohnungen rund 1300 Franken betrage – das ist sehr vergleichbar mit dem Preisniveau in städtischen und gemeinnützigen Wohnungen. Rund 300 Wohnungen besitze die Kirchgemeinde in der Stadt Zürich, diese seien jedoch meist alt und von langjährigen Mieter:innen bewohnt. 

Es wird sich zeigen, ob der Neubau am Sennhauserweg ein Ausreisser in der Statistik der reformierten Kirche bleibt – oder zur neuen Normalität wird.  

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