Das Geschäft mit Apartments

Airbnb in Zürich: Firmen tarnen sich als «Dimi» oder «Stephanie»

«Stephanie» vermietet 237 Wohnungen, «Dimi» 221 – doch sind sie keine Privatleute, sondern Firmen auf Airbnb. Ihr Business: teure Kurzzeitmieten statt Wohnraum. Ein drohendes Verbot bringt das profitable Modell ins Wanken.

Business Apartments im Kreis 4
Sieht jeder Balkon gleich aus, handelt es sich wohl um Business-Apartments. 5000 von ihnen gibt es inzwischen schon in der Stadt Zürich. (Bild: Isabel Brun )

Wer auf Airbnb nach Übernachtungsmöglichkeiten in Zürich sucht, stösst schnell auf die Accounts von «Dimi», «Giancarlo», «Stephanie» oder «Moritz». Wer denkt, dass es sich dabei um Einzelpersonen handelt, irrt jedoch. So verbirgt sich hinter «Stephanie» der Business-Apartment-Anbieter HITrental, Dimiter Tschawow alias «Dimi» ist Verwaltungsrat bei der ZR Zurich Relocation AG. Und «Giancarlo» Fiorio sitzt im Verwaltungsrat des Unternehmens PABS Residences, das in Zürich 139 Business-Apartments vermietet.

All diese Unternehmen kaufen Häuser auf oder mieten – im Wissen der Besitzer:innen – einzelne Wohnungen an. Dann werden sie möbliert und teuer weitervermietet, insbesondere an Expats, wobei ein grosser Teil des Geschäfts über Airbnb läuft. 

«Dimi» und «Stephanie» vermieten hunderte Wohnungen  

Letzte Woche vermeldete der Stadtrat, dass die Anti-Airbnb-Initiative zustande gekommen ist. Wann die Zürcher Stimmberechtigten darüber abstimmen können, ist noch unklar, ein Ja an der Urne könnte den Markt jedoch umkrempeln. Die Initiative will «den kommerziellen Missbrauch von Wohnraum stoppen» und fordert eine Begrenzung der Kurzzeitvermietung auf maximal 90 Tage pro Jahr. Ein anderer politischer Vorstoss, der Business-Apartements ebenfalls massiv einschränken will, wird seit Jahren von den betroffenen Unternehmen vor Gericht blockiert. Grund genug, sich einmal anzuschauen, wer auf dem Markt so mitmischt. 

Fast 3000 Airbnb-Inserate gibt es für Zürich. Beinah 30 Prozent davon stammen von Anbieter:innen, die in Zürich zehn oder mehr Wohnungen auf Airbnb inserieren, wie Informationen von Inside Airbnb zeigen. Somit handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um gewerbliche Anbieter:innen. So sind mit dem Profil von Stephanie insgesamt 237 Inserate verknüpft, mit dem von Dimiter 221 und bei Giancarlo sind es 88.     

Bei einigen Inseraten tauchen auch Moritz, Dimiter und Giancarlo als Co-Gastgeber auf – es handelt sich um ein ganzes Netz von Profilen und Firmen, die miteinander kooperieren. So lebt «Moritz» gemäss seinem Profil in Dubai und ist als Berater darauf spezialisiert, «Kurzzeitvermietungen auf der ganzen Welt zu helfen, die Belegung zu maximieren und den Umsatz zu steigern».

1-Zimmer-Wohnung für 4500 Franken im Monat

Auch das international operierende Unternehmen Blueground ist mit über 208 Inseraten auf Airbnb vertreten – von Seebach bis Leimbach und von Dietikon bis Horgen. Anders als die genannten Unternehmen tritt Blueground auf Airbnb – soweit überprüfbar – mit dem Namen des Unternehmens auf, und nicht als Privatperson. Mindestens für einen Monat müssen Gäst:innen die Unterkünfte buchen, auch Buchungen für ein Jahr oder mehr sind möglich. Kund:innen unterschreiben einen Vertrag und können sich dann offiziell an der Adresse registrieren. 

Für einen Monat kostet etwa eine Unterkunft in der Nähe des Kunsthauses satte 6500 Franken, bei einer Buchung über neun Monate kostet sie noch 4300 Franken monatlich – fast 40'000 Franken für die gesamte Dauer. Wer den kompletten Betrag vorauszahlt, kriegt noch mehr Rabatt. In Seebach vermietet das Unternehmen eine 1-Zimmer-Wohnung, mit einem winzigen Hochbett – für 4500 Franken im Monat. Ein grösseres Apartment mit 3 Schlafzimmern für bis zu fünf Gäste ist für 7750 Franken im Monat zu haben.

Airbnb Screenshot
Für diese 1-Zimmer-Wohnung in Seebach verlangt Blueground via Airbnb über 4500 Franken monatlich. (Bild: Screenshot Airbnb)

Der CEO von Blueground Alex Chatzieleftheriou gibt sich auf LinkedIn als innovativer Problemlöser. So habe er selbst als Berater für McKinsey fünf Jahre lang in Hotels übernachtet. Als Antwort darauf habe er sein Unternehmen gegründet und «gebaut, was er brauchte».

Besitzer:innen schätzen die Ruhe

Zum Erfolg von Unternehmen wie Blueground tragen auch die Besitzer:innen der Liegenschaften bei, die offenbar in vielen Fällen lieber an Grossunternehmen vermieten, als an die örtliche Bevölkerung. So können Besitzer:innen den Umgang mit den Mietenden quasi «outsourcen» – Sie erhalten die Miete ohne Unterbrüche und müssen sich nicht einmal kümmern, wenn der Kühlschrank kaputt ist, da die Unternehmen faktisch als Verwaltung operieren.   

Die Pressesprecherin von Blueground, Jamie Goldstein betont: «Alle Vermieter:innen kennen und akzeptieren unser Modell, bevor sie unterschreiben.» Besitzer:innen wüssten es zu schätzen, an ein vertrauenswürdiges Unternehmen zu vermieten, das Verantwortung für die Immobilie übernehme und sich um die Überprüfung der Gäst:innen und die Zahlung der Miete kümmere. 

Angesprochen auf den wachsenden Widerstand gegen die Business-Apartments in Zürich schreibt Goldstein: «Wir verstehen die öffentliche Besorgnis – Wohnen ist überall ein sensibles Thema.» Doch Blueground unterscheide sich von kurzfristigen Tourismusmodellen, da ihre Kund:innen für mehrere Monate in Zürich leben und arbeiten. «Wir sind überzeugt, dass gut regulierte Business-Apartments einen echten Bedarf decken, indem sie Mobilität fördern und Fachkräfte anziehen», so Goldstein.

Airbnb-Verbot verspricht Hilfe – doch was tun dann die Expats? 

Klar ist: Es gibt einen Markt für die teuren Business-Apartments. Wer für ein halbes Jahr für die Arbeit nach Zürich kommt, will nicht zwingend neue Möbel kaufen. Viele dürften zudem vom stark umkämpften Wohnungsmarkt überfordert sein – mit der notorisch tiefen Leerwohnziffer und Inseraten, die nach wenigen Tagen schon wieder vom Markt verschwinden. Also wieso nicht einfach ohne Bewerbungsprozess ein möbliertes Apartment anmieten, auch wenn man dafür weit mehr zahlt, als die Nachbarin in einer Wohnung mit dem gleichen Grundriss? 

Die privaten Anbieter:innen wissen die Situation der Expats und die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt zu ihrem Vorteil zu nutzen. Jedoch führt das Modell dazu, dass die Apartments nicht mehr der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stehen, die immer stärker verdrängt wird.

Zahlen der Stadt zeigen: 4990 Business-Apartments gab es Ende Februar in Zürich, die Tendenz zeigt seit Jahren steil bergauf. So ist ihr Anteil am Wohnungsbestand seit Herbst 2019 um 50 Prozent gestiegen, im Kreis 4 sind inzwischen sechs Prozent der Wohnungen Business-Apartments.

Für die Zürcher:innen würde ein Ja zur Initiative viele Probleme lösen, hunderte Wohnungen an zentralen Lagen wären wieder verfügbar. Das Geschäft mit Airbnbs und Business-Apartments ist so lukrativ, dass es deshalb sogar zu Leerkündigungen kommt. So landeten Apartments in den Sugus-Häusern, die sich weiterhin gegen die Leerkündigung wehren, auf Airbnb. Und ein Besitzer einer Liegenschaft an der Konradstrasse kündigte seinen langjährigen Mieter:innen, um dort zahlreiche winzige Studi-Apartments einzurichten

Der politische Widerstand gegen Airbnb und Business-Apartments ist im Übrigen nicht neu: So reichte der Alt-Gemeinderat der Alternativen Liste (AL) Niklaus Scherr bereits 2009 eine Motion ein, die verlangt, dass Business-Apartments und Airbnb-Nutzungen nicht an den Wohnanteil angerechnet werden dürfen. Damit wären diese in Gebieten mit höheren Wohnanteilen unzulässig. 

Alt-Gemeinderat der AL Niklaus Scherr
Kämpft bereits seit 2009 politisch gegen Zürcher Business-Apartments an: der frühere AL-Gemeinderat Niklaus Scherr. (Bild: Elio Donauer)

Der Gemeinderat hatte mit einiger Verspätung im Jahr 2021 eine entsprechende Anpassung der Bau- und Zonenordnung (BZO) beschlossen. Diese Anpassung wird jedoch noch immer von vier Apartment-Anbietern mit einer Beschwerde vorm Bundesgericht blockiert. Scherr selbst spricht bezüglich seiner Motion von einer «15-jährigen Irrfahrt». Nun soll es die neue Airbnb-Initiative richten. Wie lange es dauert, bis es zu einer Abstimmung kommt, und ob auch diese Initiative vor Gericht blockiert wird, bleibt abzuwarten. 

Und was mit all den Expats passieren wird, wenn die Stadt dem Geschäft mit Business-Apartments einen Riegel vorschiebt? Droht dann der Weg zurück ins Hotel? Auch dafür müsste sich die Politik eine Lösung überlegen.

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