Geldanlage für Privatpersonen

Stockwerkeigentum boomt in Zürich – das steckt dahinter

In der Stadt Zürich entstehen bei Neubauten immer öfter Wohnungen im Stockwerkeigentum. Ein lukratives Geschäft für Immobilienfirmen – aber auch für private Anleger:innen, die ihre Eigentumswohnung an Dritte weitervermieten.

Eigentumswohnungen «Urban Nest» Wipkingen
In Wipkingen entstehen 18 neue Eigentumswohnungen. (Bild: Isabel Brun)

Noch dauert es, bis sich die ersten Bewohner:innen von «Urban Nest» einnisten können. Der Innenausbau ist noch in vollem Gange. In den letzten Monaten wurde das Wohnhaus in Wipkingen saniert: 18 Eigentumswohnungen mit 1.5 bis 3 Zimmern bietet die Firma Vetsch Immobilien dort an.

Zu stolzen Preisen: 1’360’000 Franken kostet eine 70 Quadratmeter grosse Wohnung. Trotzdem scheint die Nachfrage vorhanden. Ende Oktober waren laut Website alle Objekte verkauft oder reserviert, dabei befand sich die Liegenschaft noch mitten im Umbau.

Die Besitzverhältnisse in Zürich haben sich verschoben. Im Jahr 2023 lösten gewerbliche Investor:innen wie Immobilienfirmen Privatpersonen als grösste Gruppe von Hauseigentümer:innen ab. Neben der Vermietung der Wohnungen setzen diese immer öfter auf den Bau und Verkauf von Stockwerkeigentum.

Gemäss einer Auswertung von Homegate standen schweizweit noch nie so viele Wohnungen zum Verkauf wie 2024. Diese Tendenz lässt sich auch in Zürich erkennen: Fast jede zehnte Wohnung gehört heute einer Einzelperson, 22’000 Eigentumswohnungen sind es insgesamt. Auffällig dabei: Daten der Stadt zeigen, dass die Hälfte der Käufer:innen ihre Eigentumswohnungen nicht selbst nutzen, sondern an Dritte weitervermieten. 

1,7 Millionen Franken für 3.5 Zimmer im Neubau

Für Ursina Kubli, Immobilienexpertin bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), ist das wenig überraschend: «Immobilien sind nach wie vor interessant für Privatpersonen, die von stabilen Mietzinseinnahmen und zukünftigen Wertsteigerungen profitieren möchten.»

In einem Niedrig- oder sogar Negativzinsumfeld habe sich Stockwerkeigentum grosser Beliebtheit erfreut, sagt Kubli. «Anlagealternativen waren rar und Immobilien entsprechend gesucht. Bei den heutigen Preisen sind Mehrfamilienhäuser für die meisten Privatpersonen finanziell nicht mehr erschwinglich. Eine einzelne Wohnung eher – oder vielleicht zwei, um eine davon weiterzuvermieten.» 

«Die Nachfrage nach Wohneigentum übersteigt das knappe Angebot in Zürich bei weitem.»

Ursina Kubli, Immobilienexpertin bei der ZKB

Tatsächlich ist der Handel mit Immobilien attraktiv: 1,3 Millionen Franken kostet eine durchschnittliche Stockwerkeigentumswohnung im Kanton Zürich. Das entspricht 40 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren, wie eine Studie der ZKB zeigt.

In der Stadt können Verkäufer:innen sogar deutlich mehr verlangen. Eine 3.5-Zimmer-Wohnung in einem Neubau wurde hier im Mittel für 1,7 Millionen Franken inseriert, zeigt die Vermarktungsplattform Neho. «Die Nachfrage nach Wohneigentum übersteigt das knappe Angebot in Zürich bei weitem», erklärt Kubli. Entsprechend steigen die Preise.

Die meisten wohnen in der Stadt Zürich zur Miete – Stockwerkeigentum ist hier laut Kubli schon fast eine «Marktlücke». Denn grosse Projektentwickler:innen würden sich hauptsächlich auf den Bau von Mietwohnungen konzentrieren.

Neue Wohnungen vermehrt im Stockwerkeigentum

Projekte wie das «Urban Nest» im Kreis 10 könnten diese Lücke schliessen. Ob die Wohnungen in der Liegenschaft vor ihrer Sanierung zur Miete vergeben wurden, will der Immobilienentwickler Manuel Vetsch nicht beantworten. Auch zur grundsätzlichen Nachfrage oder den neuen Käufer:innen möchte er kein Statement abgeben. Kurz nach der Medienanfrage wird die Website vom Netz genommen. 

Eigentumswohnungen «Urban Nest» Wipkingen
Ob sich vor der Sanierung Mietwohnungen im Haus befunden haben, will die verantwortliche Immobilienfirma nicht verraten. (Bild: Isabel Brun)

Vetsch Immobilien ist nicht die einzige Firma, die sich auf die Entwicklung von Eigentum in Zürich konzentriert, wie ein Blick in die gängigsten Immobilienportale zeigt. In Witikon baut Edal Invest AG ein Mehrfamilienhaus mit sieben Wohnungen im Stockwerkeigentum. 2,4 Millionen Franken kostet eine 4.5-Zimmer-Wohnung im Neubau – sie ist die einzige, die bereits reserviert ist.

Die Entwickler:innen bei Inizia haben gleich mehrere Objekte im Angebot: In Höngg gibt es die «perfekte Stadtwohnung» für 1,7 bis 2,6 Millionen Franken, im Kreis 2 plant sie ein «exklusives Neubauprojekt mit 14 hochwertigen Eigentumswohnungen».

Sanierungsprojekte wie jenes in Wipkingen, bei denen aus Mietwohnungen Eigentum entsteht, seien eher selten, sagt Robert Weinert von Wüest Partner. In Neubauten hingegen zeichne sich ein deutlicher Trend ab: «Wird neu gebaut, nimmt aktuell die Dynamik bei Eigentumswohnungen stärker zu als bei Mietwohnungen.» Das zeigten Zahlen zu aktuellen Eingaben von Baugesuchen.

Neubau Witikon Screenshot Homegate
Fast 1,5 Millionen Franken kostet eine 70 Quadratmeter grosse Wohnung im Neubau in Witikon. (Bild: Screenshot Homegate)

Als mögliche Gründe nennt Weinert die tiefen Zinsen, wodurch die Nachfrage nach Eigentum steige. Als Reaktion darauf werde in diesem Segment mehr gebaut. «Ausserdem könnten für einzelne Investor:innen mögliche Verschärfungen des Mietrechts eine Rolle spielen», sagt Weinert. Diese Strategie sei mit weniger Risiko verbunden.

Pensionskassen auf Mieteinnahmen angewiesen

Dass mehr Eigentum gebaut wird, muss laut Weinert nicht zwingend schlecht für den Zürcher Mietwohnungsmarkt sein – da immer auch Wohneinheiten weitervermietet werden.

Zwar sei der Ausbaustandard bei Eigentumswohnungen in der Regel etwas höher, doch auch wenn diese anschliessend vermietet würden, müssten sich Vermieter:innen bei den Preisen an die rechtlichen Vorgaben halten. Zudem gebe es viele andere Wohnbauträger, die keinen Anreiz hätten, Eigentumswohnungen zu bauen: «Pensionskassen sind an den stetigen Mieteinnahmen interessiert», sagt Weinert.

Anders sieht das der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich sowie linke Parteien. Anfang 2026 wird die kantonale Stimmbevölkerung über die Wohnschutz-Initiative abstimmen, die unter anderem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren will. Dadurch soll mehr bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben.

Weinert sieht hinter dieser Forderung auch Risiken: «Wenn die Hürden für eine Umwandlung in Eigentumswohnungen grösser werden, könnte das dazu führen, dass Grundstücksbesitzer:innen von Anfang an vor allem Eigentum bauen.» Für ihn seien andere Massnahmen wirkungsvoller: «Grundsätzlich sollten wir es ermöglichen, dass mehr neuer Wohnraum geschaffen wird. Beispielsweise, indem Grundstücke besser ausgenützt und ein Teil der Wohnungen preisgünstig angeboten werden müssen.»

Für die Liegenschaft in Wipkingen wird die Abstimmung zur Wohnschutz-Initiative nicht mehr relevant sein. Die 1.5- bis 3-Zimmer-Wohnungen sind demnächst einzugsbereit. Gut möglich, dass eine oder mehrere von ihnen anschliessend als Mietwohnung auf Homegate und Co. landen.

Ohne Deine Unterstützung geht es nicht.

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2600 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Jetzt unterstützen!
isabel

Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.  

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare