Kahriman kandidiert für die GLP: «Rennen um Stadtpräsidium ist offen»
Überraschend nominiert die städtische GLP Serap Kahriman fürs Stadtpräsidium. Im Interview spricht die 34-jährige Nachwuchshoffnung über den anstehenden Wahlkampf und ihre politischen Ziele.
Dominik Fischer: Welche internen Überlegungen haben dazu geführt, dass Sie und nicht etwa GLP-Stadtrat Andreas Hauri für das Stadtpräsidium kandidieren?
Serap Kahriman: Wir haben über den Sommer hinweg intensive interne Diskussionen geführt. Dabei haben wir ernsthaft in Betracht gezogen, ob Andreas Hauri kandidieren soll. Am Schluss war es jedoch ein gemeinsamer Entscheid, dass ich – als junge, urbane und progressive Frau – diese repräsentative Rolle der Stadtpräsidentin in Angriff nehmen will, während sich Andreas Hauri weiterhin erfolgreich auf sein Departement konzentrieren und dieses weiter vorantreiben kann. Wir haben entschieden, die Aufgaben, die wir als Stadträt:innen gemeinsam tragen, bewusst aufzuteilen.
Kurz gesagt: Wofür stehen Sie politisch, wofür wollen Sie sich einsetzen?
Mir ist es wichtig, gerade in diesen Zeiten, in denen viele konservative und spaltende Kräfte wirken, wieder Brücken zu schlagen, Menschen miteinander zu verbinden und der Polarisierung entgegenzuwirken. Mit dem Ziel, die Stadt so lebenswert zu erhalten, wie sie heute ist.
Das heisst konkret?
Ich will Zürich als nachhaltige, flexible und bezahlbare Wohnstadt weiterentwickeln. Vereinbarkeit von Beruf und Familie darf kein Luxus sein, sondern eine gelebte Realität. In der Mobilität setze ich auf ein emissionsfreies, barrierefreies Verkehrsnetz, das alle erreicht. Und in der Kulturpolitik auf Vielfalt und Zugänglichkeit: Wir brauchen verlässliche Finanzierung, Offenheit für neue Formen – auch digital und interdisziplinär – und breiten Zugang zu Räumen für alle Kulturschaffenden. Nur so bleibt Zürich eine internationale Kulturstadt, die zugleich ihre lokale Vielfalt stärkt.
Sie sind die einzige Frau, die für das Stadtpräsidium kandidiert. In der SP wurde Mandy Abou Shoak – einer Frau mit Migrationshintergrund – die Kandidatur fürs Präsidium und für den Stadtrat verwehrt. Ist Ihre Kandidatur ein Signal, ein Statement?
Natürlich gehört das zu meiner Identität: Eine Frau mit Migrationsgeschichte zu sein, ist Teil von dem, wer ich bin – aber eben nicht alles. Dennoch finde ich es wichtig, anderen Menschen zu zeigen, dass es möglich ist, solche Ämter zu übernehmen. Nicht trotz des Migrationshintergrunds oder des Frau-Seins, sondern gerade deswegen.
Können Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt damit rechnen, dass Sie sich für sie einsetzen werden?
Ja, natürlich. Es ist schön, wenn sich Menschen in meiner Art, Politik zu machen, wiedererkennen. Ich habe mich zum Beispiel schon immer für ein kommunales Stimmrecht für Migrant:innen in der Stadt Zürich eingesetzt. Das ist eines meiner Kernanliegen, und daran halte ich fest – auch wenn wir dafür noch Mehrheiten finden müssen, nachdem es im Kantonsrat abgelehnt wurde.
Wie werden Sie den Wahlkampf gestalten, was erhoffen Sie sich von den nächsten Monaten, und wie grosse Chancen rechnen Sie sich aus?
Es wird nicht einfach, das Stadtpräsidium zu gewinnen – das ist klar. Aber mit meiner Kandidatur bringe ich eine neue Dynamik ins Rennen. Dieses ist offen, und ich hoffe, den Stadtzürcher:innen mit meiner Kandidatur ein attraktives Angebot machen zu können. Je mehr Kandidat:innen antreten, desto besser ist das für die Demokratie. Und idealerweise erhalte ich durch die Kandidatur auch einen Boost für die Stadtratswahlen.
Nicht alle unsere Leser:innen sind mit Ihnen vertraut. Was sollten sie über Serap Kahriman wissen?
Mein Grossvater kam aus der Türkei als Gastarbeiter mit sehr wenig in die Schweiz. Ich bin hier geboren und bewundere seinen Mut bis heute, dass er mir diesen Weg geebnet hat – vielleicht glaube ich deshalb so fest an Zürich als Chancenstadt für alle.
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Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich, Master in Kulturanalyse und Deutscher Literatur. Während des Masters Einstieg als Redaktionsmitglied in der Zürcher Studierendenzeitung mit Schwerpunkt auf kulturellen und kulturkritischen Themen. Nebenbei literaturkritische Schreiberfahrungen beim Schweizer Buchjahr. Nach dem Master Redaktor am Newsdesk von 20Minuten. Nach zweijährigem Ausflug nun als Redaktor zurück bei Tsüri.ch