Studierende kämpfen um die Arbeitsplätze in Zürcher Bibliotheken

Studierende stehen frühmorgens Schlange, blockieren mit Taschen Sitzplätze und weichen notfalls auf Cafés oder Flure aus. Der Kampf um einen freien Arbeitsplatz wird zur eigenen Disziplin in der Prüfungsphase.

Zentralbibliothek Zürich
Wer früh kommt, hat die besten Chancen: Studierende stehen oft schon eine halbe Stunde vor Öffnung vor der Zentralbibliothek Schlange. (Bild: Sophie Wagner)

Wer derzeit an einem beliebigen Wochentag an der Zürcher Zentralbibliothek (ZB) vorbeigeht, sieht dutzende Studierende schon vor acht Uhr morgens vor dem Eingang eine Schlange bilden. Die Jagd auf einen freien Lernplatz heisst während der Lern- und Prüfungsphase früh aufstehen und das Revier mit Jacken und Taschen markieren.

Zu­spät­kom­men­de, die im Vorhinein keinen Platz reserviert haben, müssen improvisieren: sich als Gruppe aufteilen, auf Treppenabsätze ausweichen, sich in Cafés mit Steckdose flüchten oder sein Lager auf den Fluren der Uni aufschlagen.

Auf den ersten Blick sieht es wie ein Mangel an Arbeitsplätzen für Studierende aus. Unterstützt wird die Aussage mit Beiträgen auf Instagram, die den Sitzplatzkampf verdeutlichen. Ein Reel von @swissmeme zeigt beispielsweise den Ansturm vor der Zentralbibliothek am Zähringerplatz.

In den Kommentaren macht sogar die Pestalozzi-Bibliothek mit und wirbt augenzwinkernd für ihre eigenen Lernplätze direkt nebenan.

Bei genauerem Hinsehen ist es nicht nur ein Problem der Menge, sondern viel eher der Verteilung. Die Zentralbibliothek sei unter Studierenden durchaus beliebt. Wobei es vor allem in der Prüfungszeit vorkommen kann, dass nicht alle einen Lernarbeitsplatz finden, so die Zentralbibliothek auf Anfrage. «Unser Feedbackmanagement registriert in diesen Zeiten eine erhöhte Anzahl an Rückmeldungen». Diese sind gemäss Zentralbibliothek unter anderem auf zu wenig Lernarbeitsplätze zurückzuführen.

«Die Zentralbibliothek ist eigentlich immer voll», findet Emma, Studentin in Politikwissenschaften an der Universität Zürich. Sie erklärt, dass es im Januar und Juni in der Bibliothek mitten in der Zürcher Altstadt voll wird, sei klar. Sie weiche zwar nicht unbedingt aufgrund der vielen Menschen auf andere Bibliotheken aus, bevorzuge aber dennoch andere Arbeitsorte wie die Pestalozzi-Bibliothek. 

Auch Kim (anonymisiert) erlebt diesen Ausnahmezustand während der Prüfungsmonate zum sechsten Mal. Sie studiert Medizin im dritten Jahr. «Am liebsten lerne ich im romanischen Seminar. Da finde ich am ehesten einen Platz, weil dort viele schon mit den Prüfungen durch sind», erzählt sie. 

Aber nicht immer klappt es mit dem Wunschplatz: «Ich musste schon ausweichen – ins Literaturhaus, in Cafés oder an Tische in den Gängen der Uni.» Für sie würde ein Status-Portal helfen: «Ein System, das zeigt, wo noch etwas frei ist, fände ich super.»

Tatsächlich gibt es solche Belegungsanzeigen bereits teilweise: Die Universitätsbibliothek Zürich bietet online eine Live-Übersicht zur Auslastung ihrer Standorte an. Reservierte Plätze sind darin aber nicht enthalten. Auch auf der Website der Zentralbibliothek wird die aktuelle Belegung grob angezeigt.

Knapp, aber machbar

Die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule (PH) Zürich sowie die Hochschulbibliothek der ZHAW am Toni Areal bestätigen die hohe Auslastung während der Prüfungsphasen. «Die Lernarbeitsplätze in den Standortbibliotheken Winterthur, Wädenswil und Zürich sind vollständig ausgelastet», schreibt Gabriela Lüthi, Leiterin der Hochschulbibliothek ZHAW auf Anfrage. 

Insgesamt stehen an den drei Standorten 854 Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Plätze werden zwar das ganze Jahr genutzt, doch während der Lern- und Prüfungsphasen überdurchschnittlich viel, betont Lüthi.

«Die Nachfrage ist hoch, aber zumindest in der Bibliothek der PH Zürich reicht das Angebot in der Regel aus», schreibt die Bibliothek der PH Zürich auf Anfrage. 

Eine interne Stichprobe der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule zeigt: Es gibt auch in Spitzenzeiten noch freie Plätze. Zum Beispiel waren in der Woche vom 2. Juni von rund 150 Lernplätzen morgens 110 besetzt, knapp 40 blieben frei. Gegenüber Tsüri.ch sagt ein Student, die guten Plätze seien ab 9 Uhr alle weg, manchmal finde man gar keinen Platz mehr.

Da die PH nur stichprobenartige Kontrollen macht, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es dennoch Zeiten gebe, in denen die Bibliothek vollständig besetzt sei, meint die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule auf Anfrage. Man nehme das Bedürfnis der Studierenden nach genügend Lernraum sehr ernst und sei laufend bemüht, das Angebot bedarfsgerecht auszubauen.

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Sophie Wagner

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

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