Stadt schafft Konsumraum für auswärtige Drogenabhängige
Um die offene Drogenszene im Kreis 4 einzudämmen, schafft die Stadt Zürich eine neue Kontakt- und Anlaufstelle für Auswärtige. Die Stadt steht nun vor der Herausforderung, eine Verlagerung der Szene zum neuen Standort beim Sihlcity zu erreichen.
Nun also doch: Die Stadt schafft per 1. Oktober einen provisorischen Konsumraum für auswärtige Drogenkonsument:innen. Das teilen die Stadträt:innen Karin Rykart (Sicherheitsdepartement) und Raphael Golta (Sozialdepartement) am Dienstag an einer Pressekonferenz mit.
Der «Raum für Konsum und Triage» an der Bederstrasse 130, unweit des Einkaufszentrums Sihlcity bietet sowohl Möglichkeiten für den Drogenkonsum, als auch Rückzugsorte – analog zu den bereits bestehenden Kontakt- und Anlaufstellen (K&A). Der Ort wird täglich tagsüber geöffnet sein und Platz für 30 Personen bieten.
Mit diesem neuen Angebot will die Stadt die Situation rund um die offene Drogenszene bei der Bäckeranlage im Kreis 4 entschärfen.
Offene Szene von 300 bis 400 Personen
Mitte August verstärkte die Polizei ihre Kontrollen rund um die Bäckeranlage. Gemäss Angaben der Stadtpolizei besteht die Szene im Quartier aus etwa 300 bis 400 Drogenkonsument:innen. Mehr als die Hälfte der von der Polizei weggewiesenen Personen wohnten nicht in der Stadt.
Die drei bestehenden K&A stehen nur in Zürich wohnhaften, schwerstabhängigen Drogenkonsument:innen zur Verfügung. Und bislang war der Stadtrat gegen eine Öffnung für Auswärtige, da er eine Sogwirkung auf Zürich als Drogenumschlag- und Konsumort befürchtete.
Auf diese Sorge angesprochen, verweisen die beiden Stadträt:innen auf die Relevanz von Polizeikontrollen in den Quartieren. Nur auf Repression zu setzen, sei aber keine Lösung, sagt Karin Rykart – auch, weil das bei einer bereits knappen Personaldecke zu viele Ressourcen binde.
Deswegen, so Raphael Golta, «braucht es eine Lösung, die den süchtigen Menschen hilft, aber die Öffentlichkeit nicht belastet».
Im Gegensatz zu den anderen K&A ist ein Schwerpunkt am neuen Standort, die Drogenkonsument:innen in ihre Wohngemeinden zu vermitteln.
Wie diese Vermittlung einst vonstattengeht, ist noch offen.
Ebenso wird sich erst zeigen, ob der Transfer der Szene vom zentralen Kreis 4 an den Rand des Enge-Quartiers gelingt.
Verlagerung der Szene vom Kreis 4 zum Sihlcity
Als vor drei Jahren die K&A Kaserne geschlossen wurde, lag der Ersatzstandort Brunau weit entfernt. Zu weit für viele Süchtige.
Als Folge verlagerte sich der Konsum 2023 in die Öffentlichkeit und auf die Bäckeranlage.
Ein wichtiger Faktor, weswegen die bisherigen Konsum- und Anlaufstellen von den Konsumierenden genutzt werden, sei, dass dort den Drogenkleinhandel unter den Abhängigen toleriert werde. Das sagt Florian Meyer, Leiter der Zürcher K&A. «Deswegen ist es zentral, dass wir auch im neuen Raum für Konsum und Triage den Kleinhandel von Substanzen erlauben», so Meyer.
Reicht das für eine Verlagerung der Szene?
«Davon gehen wir aus», sagt Meyer. Ob alle auswärtigen Personen das Angebot nutzen, werde sich zeigen, denn die Szene sei heterogen. «Einige wollen einfach in Ruhe konsumieren», so Meyer. «Andere meiden jeden Kontakt mit dem Staat. Diese werden wir mit unserem Angebot nie erreichen.»
Die Stadt plant vorerst, den Treffpunkt für zwei Jahre zu betreiben. Das Sozialdepartement schafft dafür 13,6 neue Stellen. Für Betrieb, Unterhalt, Personal rechnet die Stadt mit zusätzlichen Ausgaben von jährlich drei Millionen Franken. Die Stadt Zürich trägt die Kosten selbst.
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Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Master in Geschichte und Medienwissenschaft an der Universität Basel. Praktikum beim SRF Kassensturz, während dem Studium Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem SNF-Forschungsprojekt zu Innovation im Lokaljournalismus. Seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 Redaktorin bei Tsüri.ch.