Stadtforscherin im Interview

«Pop-ups sind langfristig nicht profitabler»

In Zürich eröffnen laufend neue Pop-ups. Sie bieten sich vermeintlich als effiziente Zwischenlösung im derzeit angespannten Mietmarkt an, doch langfristig sind sie nicht wirklich nachhaltig. Die Stadtforscherin Dr. Ifigeneia Dimitrakou von der Universität Zürich erklärt, warum das so ist.

Enfant Terrible
In sogenannten Übergangsphasen vermieten Immobilienbesitzer:innen leerstehende Räume an Pop-ups, um Mieteinnahmen zu erzielen. (Bild: Isabel Brun)

Minea Pejakovic: Wie würden Sie das Phänomen der Pop-ups erklären?

Dr. Ifigeneia Dimitrakou: Die kurzfristige Nutzung ist eine Art der Immobilienverwaltung, zum Beispiel für Wohnraum, Kunstgalerien oder Gewerbe. Pop-ups sind im Grunde eine Zwischennutzung.

Pop-ups scheinen immer beliebter zu werden. Wie entstehen denn solche Zwischennutzungen?

Kommerzialisierte Formen der Zwischennutzung entstehen insbesondere in Zeiten, in denen der Immobilienmarkt in einer Krise steckt oder die Immobilienwerte niedrig sind. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 etwa gab es vermehrt Pop-ups.

In boomenden Städten wie Zürich lässt sich dieses Phänomen jedoch weniger durch eine Krise verstehen, sondern vielmehr als Ausdruck einer strukturellen Veränderung erklären, die kurzfristige Einnahmen durch Zwischennutzungen begünstigt. In der Schweiz entstehen Zwischennutzungen oft, wenn eine Immobilie umgenutzt werden soll. Während einer Übergangszeit wird sie dann kurzfristig vermietet, nicht weil sie wertlos ist, sondern weil es im Moment keine andere Nutzungsmöglichkeit gibt. So kann man selbst aus solchen Räumen – wenn auch nur vorübergehend – noch Mieteinnahmen erzielen.

Pop-ups können also eher als Symptom eines prekären Mietmarkts, statt als echte Innovation angesehen werden?

Beides. Vor allem die hohen Mieten können ein Grund dafür sein, dass einige Geschäfte keinen permanenten Standort haben. Gleichzeitig gibt es heute die Möglichkeit, über den Onlinehandel zu operieren. Das macht es einfacher, auch ohne festen Standort zu arbeiten. Pop-ups sind von dieser Dynamik geprägt.

Ein Pop-up zu betreiben, kann eine Möglichkeit sein, um mit der aktuellen Situation auf dem Mietmarkt umzugehen. Besonders kleine oder Online-Unternehmen nutzen diese, um auf sich aufmerksam zu machen, neue Kundschaft zu erreichen und vielleicht auch ein neues Konzept auszuprobieren. Doch auch grössere Marken greifen zunehmend auf dieses Modell zurück.

Handelt es sich bei Pop-ups grösserer Marken um eine Marketingstrategie, um cool und hip zu wirken?

Ja, durchaus. Die Idee der vorübergehenden Nutzung stammt aus Gegenkulturen und der künstlerischen Praxis. Jedoch lässt sich ein solches Konzept auch vom Markt aufgreifen und kommerzialisieren. So verliert es aber den ursprünglichen Sinn.

«Pop-ups verursachen keine Gentrifizierung, spiegeln diese jedoch wider.»

Dr. Ifigeneia Dimitrakou, Stadtforscherin

Inwiefern beleben Pop-ups bestimmte Stadtteile?

Das ist Teil des Mythos der ‹Stadt in der Krise›, die Vorstellung, dass Pop-ups bestimmten Stadtteilen neue Energie verleihen. In Wirklichkeit sind Pop-ups grundsätzlich opportunistisch. Selbst in Krisenzeiten, in denen Räume sonst über längere Zeit leer stehen würden, versuchen Eigentümer:innen Mieteinnahmen zu erzielen.

Zwar kann durch Pop-ups eine gewisse Belebung erfolgen, doch das ist selten das Ziel der Immobilienbesitzer:innen. In der Regel werden sie vielmehr als temporäre Lösung angesehen.

Food-Influencer:innen sind gerne in den Kreisen 3, 4 und 5 unterwegs, die sich über Zeit von unbeliebten Arbeiter:innenquartieren in angesagte Viertel verwandelt haben – mit vielen Bars, Restaurants und natürlich Pop-ups. Können diese demnach als Indikator für Gentrifizierung betrachtet werden?

Pop-ups verursachen keine Gentrifizierung, spiegeln diese jedoch wider. Sie entstehen in der Regel in Gegenden, die sich bereits im sozio-demografischen Wandel befinden. Sie tauchen also dort auf, wo eine neue Zielgruppe entsteht und ein gewisser Hype herrscht. Pop-ups sind somit eher ein Ausdruck städtischer Veränderungsprozesse als deren treibende Kraft.

Ein gutes Beispiel dafür, wie sich kommerzielle Aktivitäten in gentrifizierten Quartieren entwickeln, ist die Bäckerei Moon am Lochergut. Vor 15 Jahren hätte dort wohl niemand neun Franken für eine Zimtschnecke bezahlt. Heute jedoch gibt es in der Gegend eine wohlhabendere Kundschaft, die sich solche Produkte leisten kann und sie sogar erwartet. Der soziale und demografische Wandel prägt das lokale Angebot direkt.

Dasselbe gilt für Pop-ups. An der Zentralstrasse im Kreis 3 eröffnete beispielsweise im Sommer ein Pop-up-Store, der Designerfahrräder verkaufte. Auch hier hätte sich ein solches Geschäft diesen Standort damals nie ausgesucht, einfach weil die entsprechende Kundschaft noch nicht vorhanden war.

Die Bar Enfant Terrible im Kreis 3 musste ihren Standort an der Zentralstrasse nach elf Jahren verlassen, nachdem ihnen gekündigt wurde. Seither wird ihr ehemaliges Lokal für wechselnde Pop-ups genutzt. Wie erklärt sich das und werden wir künftig mehr davon sehen?

Beim Fall der Bar Enfant Terrible geht es um eine geplante Umnutzung des Gebäudes. Wenn ich mich recht erinnere, möchte ein Bauträger dort Eigentumswohnungen entwickeln. Auch hier sind die Pop-ups eine Zwischenlösung, bis der Umbau beginnt. Sowas mag für lokale Geschäfte frustrierend sein, aber die befristeten Verträge sind in dieser Situation für die Eigentümer:innen rentabel.

Trotzdem ist dieses Modell langfristig nicht unbedingt profitabler. Kurzfristige Vermietungen sind mit viel Aufwand und Kosten verbunden: Man muss häufig neue Verträge aufgleisen und Ein- und Auszüge koordinieren. Ein langfristiger Mietvertrag kann manchmal stabilere Erträge bringen. Ich glaube daher nicht, dass Pop-ups langfristig zur Regel werden.

Ausserdem wird es immer Unternehmen geben, für die es keinen Sinn macht, als Pop-up zu agieren. Momentan sehen wir punktuelle Fälle, die insbesondere auf Umbrüche auf dem Immobilienmarkt zurückzuführen sind. Sie entstehen dort, wo sich etwas verändert und nicht unbedingt, weil sie das bessere Geschäftsmodell sind.

Hinweis: Das Interview wurde auf Englisch geführt. Die Transkription und Übersetzung erfolgte durch Minea Pejakovic.

Dr. Ifigeneia Dimitrakou ist Oberassistentin in der Gruppe Sozialgeographie und Stadtforschung an der Universität Zürich. Sie forscht unter anderem zu Fragen der Wohnprekarität, Leerstand und temporärem Urbanismus.

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Minea Pejakovic

Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.

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