Feministischer Streiktag: 5 Gründe, um am 14. Juni zu demonstrieren
Am 14. Juni gehen schweizweit tausende Personen auf die Strasse, um sich für Gleichberechtigung einzusetzen – so auch in Zürich. Hier kommen fünf Gründe, warum es den feministischen Streik 2025 noch braucht.
1. 1362 Franken weniger Lohn für Arbeitnehmerinnen
Per Gesetz müssten Männer und Frauen für die gleiche Arbeit dasselbe verdienen. Doch obwohl die Lohngleichheit seit 1981 in der Bundesverfassung und seit 1996 im Gleichstellungsgesetz verankert ist, verdienen weiblich gelesene Menschen in der Schweiz bis heute deutlich weniger als männlich gelesene: Durchschnittlich 16,2 Prozent, um genau zu sein. Das sind monatlich 1362 Franken weniger, wie das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) im Jahr 2023 vorgerechnet hat.
Noch extremer sind die Unterschiede in der Stadt Zürich. Hier mussten Frauen im Jahr 2022 mit rund 23,6 Prozent weniger Lohn auskommen als Männer. Das Schockierende daran: Die Differenz hat sich innerhalb von zehn Jahren lediglich um 0,7 Prozent verkleinert.
Als Gründe für die Lohnungleichheit nennt die Stadt neben erklärbaren Unterschieden wie persönliche Qualifikation der Beschäftigten, der Funktion und der Branche auch die Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts.
2. Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit
Kochen, waschen, putzen, Kinder betreuen, Kranke pflegen: Unbezahlte Sorgearbeit, auch Care-Arbeit genannt, wird nach wie vor überwiegend von Frauen getragen.
Laut dem Bundesamt für Statistik leisteten Frauen 2024 wöchentlich 32,4Stunden Haus- und Familienarbeit, während die Männer pro Woche auf 22 Stunden kamen – was einen Unterschied von 520 Stunden jährlich ausmacht.
«Es gibt einen sozialen Druck, der Frauen ein schlechtes Gewissen macht.»
Cyrielle Huguenot, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds
Zahlen aus der Stadt Zürich zeigen zudem: Im Jahr 2020 leisteten Frauen in Haushalten mit Kindern unter sechs Jahren pro Woche 22 Stunden unbezahlte Hausarbeit, Männer hingegen nur 16,5 Stunden. Auch bei der Kinderbetreuung gab es Unterschiede. Mütter wandten durchschnittlich 30,7 Stunden pro Woche dafür auf, bei den Vätern waren es 20,5 Stunden.
Dass Frauen mehr unbezahlte Arbeit leisten, kann als Folge der Lohnungleichheit gedeutet werden: «Frauen arbeiten häufig in Berufen mit tieferen Löhnen», sagt Cyrielle Huguenot, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds gegenüber SRF. Dazu kämen Geschlechterstereotypen: «Es gibt einen sozialen Druck, der Frauen ein schlechtes Gewissen macht: ‹Ich kann nicht 100 Prozent arbeiten, das ist nicht gut für das Kind.›» Dieser Druck laste mehr auf Frauen als auf Männern, so Huguenot.
3. Zunahme an Femiziden
Im vergangenen März schlugen feministische Organisationen Alarm. Grund dafür war die hohe Anzahl an Femiziden.
Innerhalb der ersten drei Monate 2025 wurden in der Schweiz elf Frauen von Männern getötet. Gemäss dem Recherchenetzwerk stopfemizid.ch ist diese Zahl mittlerweile auf 13 geklettert. Zum Vergleich: 2024 wurden für das ganze Jahr 19 Femizide gezählt.
Geschlechterungerechtigkeit und Gewalt gegen Frauen seien tief in unserer Gesellschaft verankert, sagte die Menschenrechtsexpertin Mandy Abou Shoak im Interview mit Tsüri.ch. Deshalb habe die Emanzipierung der Frauen schwerwiegende Folgen: «Viele Männer empfinden den Machtverlust, den sie durch Fortschritte in der Gleichstellung erfahren, als Bedrohung.»
Mit der Istanbul-Konvention, die der Bundesrat 2018 unterschrieben hat, hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Ein nationaler Aktionsplan, der 2022 veröffentlicht wurde, beinhaltet konkrete Massnahmen. So zum Beispiel eine dreistellige Notfallnummer, die am 1. November dieses Jahres schweizweit eingeführt werden soll.
4. Vom Teilzeitpensum in die Altersarmut
Frauen sind laut der Stiftung Pro Senectute fast doppelt so stark von Altersarmut betroffen als Männer.
Im Jahr 2023 war gemäss der Stadt jede fünfte Frau im AHV-Alter in Zürich auf Zusatzleistungen angewiesen. Das zeigt eine Auswertung der AHV-Zusatzleistungen. Grund dafür sei unter anderem, dass weiblich gelesene Menschen aufgrund vermehrter Care-Arbeit eher in Teilzeitpensen angestellt sind, was sich wiederum negativ auf die zweite Säule auswirkt.
Eine Statistik des Bundes aus dem Jahr 2023 zeigt deutlich auf, welchen Einfluss Kinder auf die Erwerbstätigkeit von Frauen haben: Teilzeitpensen von Männern in Partnerschaften bewegen sich um 13,5 Prozent – unabhängig davon, ob sie Väter sind oder nicht. Bei Frauen hingegen gibt es markante Unterschiede.
Während nur etwas über 30 Prozent aller kinderlosen Frauen in der Schweiz Teilzeit erwerbstätig sind, nimmt die Prozentzahl massiv zu, sobald Kinder dazukommen: Nur knapp ein Viertel aller Mütter von Kindern unter 25 Jahren arbeiten über 89 Prozent.
5. Frauen bleiben in der Politik unterrepräsentiert
Aktuell vertreten nur zwei Frauen die Schweiz in unserer nationalen Exekutive: Die amtierende Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP).
Seit 1984 Elisabeth Kopp von der FDP als erste Bundesrätin der Geschichte gewählt wurde, kam es nur einmal dazu, dass mehr Politikerinnen als Politikern das Land regierten – nämlich zwischen 2010 und 2011. Seither wurden vier oder fünf der insgesamt sieben Sitze wieder von Männern besetzt.
Auch in der Zürcher Stadtregierung bleiben Frauen die Ausnahme. Nur drei von neun Regierungsmitgliedern sind aktuell weiblich: Simone Brander (SP), Karin Rykart (Grüne) und die Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP).
«Männer nehmen sich den Raum, den sie brauchen und den sie vor allem einfach möchten.»
Serap Kahriman zur Redezeit im Gemeinderat
Die Quote ähnelt jener in den Parlamenten: Der durchschnittliche Frauenanteil liege dort bei einem Drittel, heisst es auf der Website des Bundes. In Zürich ist der Anteil minimal höher: 40 Prozent der Mitglieder im Gemeinderat werden weiblich gelesen.
Als Gründe dafür nannten ehemalige Kommunalpolitikerinnen gegenüber Tsüri.ch unter anderem die Unvereinbarkeit von Beruf, Familie und politischem Engagement.
Hinzu kommt, dass sich Parlamentarierinnen weniger oft zu Wort melden als ihre männlichen Kollegen. Das zeigt der erst kürzlich veröffentlichte Tätigkeitsbericht des Gemeinderats.
Insgesamt meldeten sich die Männer 2034-mal, die Frauen 868-mal. «Männer nehmen sich den Raum, den sie brauchen und den sie vor allem einfach möchten», erklärte die Gemeinderätin Serap Kahriman das ungleiche Geschlechterverhältnis.
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Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.