Christian Huser (FDP) ist neuer Gemeinderatspräsident
Am Mittwoch ist der liberale Christian Huser zum höchsten Stadtzürcher aufgestiegen. Er wurde mit 86 Stimmen gewählt.
«Herzliche Gratulation!», sagte die GLP-Gemeinderätin Serap Kahriman gestern im Ratssaal und meinte damit nicht den neu gewählten Gemeinderatspräsidenten Christian Huser (FDP), sondern Samuel Balsiger (SVP), Balz Bürgisser (Grüne) und Michael Schmid (AL). Die drei redeten im letzten Amtsjahr nämlich am längsten, wie der Tätigkeitsbericht festhält. Dieser dokumentiert seit zwei Jahren die Arbeit des Gemeindejahres und damit auch die Redezeit. Und er zeigte: Balsiger sprach insgesamt siebeneinhalb Stunden – doppelt so lange, wie Bürgisser und Schmid.
«Es gehört wirklich viel Disziplin dazu, so konstant und ausdauernd zu reden», schob Kahriman hinterher. Insgesamt meldeten sich die Männer 2034-mal, die Frauen 868-mal. Laut Kahriman zeigen die Wortmeldungen vor allem eins: «Männer nehmen sich den Raum, den sie brauchen und den sie vor allem einfach möchten.»
Balsiger konterte und verteidigte sich gegen «Unsinn von der linken Seite». Zwischenrufe folgten, Martina Zürcher (FDP) bezeichnete Kahrimans Votum als sexistisch, Tanja Maag (AL) forderte Frauen auf, im nächsten Amtsjahr mehr zu reden.
«Wer engagierte Milizpolitik will, muss auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen.»
Guy Krayenbühl (GLP), ehemaliger Gemeinderatspräsident
Und nun zum eigentlichen Event, warum sich die Politiker:innen eine Stunde früher als sonst in der Bullingerkirche eingefunden haben: die Wahl des Ratspräsidiums für das Amtsjahr 2025/2026.
Der abtretende Gemeinderatspräsident Guy Krayenbühl sprach in seiner Abschiedsrede bereits von einer «postpresidialen Depression», lobte die Arbeit des Rats, aber warnte vor autoritären Tendenzen in Europa: «Wir dürfen das meiner Meinung nach nicht auf die leichte Schulter nehmen.» Gerade die Grundpfeiler – Gewaltenteilung, Rechtssicherheit, unabhängige Gerichte, demokratische Parlamente –, die die Freiheit garantieren würden, seien allen bekannt und müssten aktiv verteidigt werden.
Dass es ihm nicht gelungen sei, die Entschädigung für Gemeinderatsmitglieder zu erhöhen, sei «sehr bedauerlich, ja eigentlich ein politischer Missstand», sagte Krayenbühl rückblickend. Der zeitliche Aufwand liege bei vielen Ratsmiglieder:innen bei 30 Prozent. «Wer engagierte Milizpolitik will, muss auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen.»
Krayenbühl bedankte sich schliesslich beim Gemeinderat und die SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch ergriff das Wort. Sie verglich Krayenbühl nicht ganz ernst gemeint mit einem Dompteur, der seinen Zirkus im Griff gehabt habe, der eingegriffen habe, wenn es nötig gewesen sei. Und sie lobte seinen Einsatz für den Genderstern.
Dann folgte die Wahl. Christian Huser von der FDP erhielt mit 86 von 116 Stimmen deutlich weniger als Krayenbühl vor einem Jahr erreichte (100 Stimmen). Nichtsdestotrotz ist Huser nun für das kommende Jahr der «höchste Stadtzürcher» und wird die Ratssitzungen leiten.
Auch er sprach in seiner Rede die Krisen der Zeit auf: Krieg, Wirtschaftszölle, der Vormarsch autokratischer Staaten, Migration, Klimawandel, Überalterung der Bevölkerung, die Polarisierung der Gesellschaft und – gerade in Zürich – der Wohnungsmangel. Er forderte Ideen und Respekt im Rat: «Bringen Sie Ideen ein, platzieren Sie respektvoll und hören Sie sich gegenseitig sehr gut zu.»
Ivo Bieri (SP) wurde mit 87 Stimmen erster Vize, Christian Traber (Mitte) mit 84 Stimmen zweiter Vize. Es folgten noch die Wahlen der Geschäftsleitung und der Kommissionspräsident:innen. Anschliessend machten sich die Ratsmitglieder auf den Weg zur traditionellen Wahlfeier, die dieses Mal im hohen Norden (also in Oerlikon) stattfand.
Ein Liberaler ist «höchster Stadtzürcher»
Der neue Gemeinderatspräsident Christian Huser gilt vor allem als sachlicher, pragmatischer Parlamentarier. Er ist 1961 in Schwamendingen geboren und in einem bürgerlichen Haushalt aufgewachsen. Studiert hat er nicht, stattdessen machte er eine Lehre als Buch- und Offsetdrucker, mittlerweile ist er Geschäftsführer einer Druckerei, wo auch seine Ehefrau, seine Tochter und sein Schwiegersohn arbeiten.
Huser wohnt seit über 30 Jahren in Seebach und engagiert sich seit 2008 in der FDP Kreis 11 und sitzt seit 2013 im Zürcher Gemeinderat, ist ehemaliger Co-Präsident des Wirtschaftsraums Zürich Nord und Präsident des Nord-Zürcher Gewerbevereins. Im Gemeinderat war er neun Jahre in der Spezialkommission Präsidial-, Schul- und Sportdepartement tätig, bevor er 2022 in die parlamentarische Geschäftsleitung wechselte.
Huser setzt sich besonders für das duale Ausbildungssystem und die Anliegen des produzierenden Gewerbes ein. Dies erwähnte er auch in seiner Rede als neu gewählter Gemeinderatspräsident: «Das duale Bildungssystem ist weltweit einmalig.» Ihm sei es sehr ein grosses Anliegen, dieses zu erhalten und zu fördern, sagte Huser. «Es muss nicht immer ein Studium sein.» Er selbst bildet seit 30 Jahren Lehrlinge aus und lege grossen Wert auf die soziale Verantwortung im Unternehmen.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.