Was hat die Wirtschaftswissenschaft aus der Finanzkrise gelernt? - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch

8. Oktober 2019 um 04:00

Was hat die Wirtschaftswissenschaft aus der Finanzkrise gelernt?

An der Universität Zürich findet eine Vorlesungsreihe zu alternativen Wirtschaftsmodellen statt. Die Organisator*innen vom Verein Plurale Ökonomik präsentieren hier die besprochenen Themen. Hier folgt der zweite von dreizehn Teilen.

Mood image for Was hat die Wirtschaftswissenschaft aus der Finanzkrise gelernt?

Bild: Adytia Vyas via Unsplash.

  1. Hier findest du das Interview mit Lea Trogrlic, einer der Organisator*innen der Vorlesungsreihe.

Text: Lorenz Keysser

Die ersten beiden Vorlesungen führten in die Ideengeschichte und Wissenschaftstheorie der heutigen Ökonomik ein. In der dritten Vorlesung behandelte Prof. Chesney die Frage, inwiefern es einer neuen Denkschule in der Finanzwirtschaft bedarf.

Am 15. September 2008 meldete die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Der Absturz des Flugs LB2008 kam für den Grossteil der Ökonom*innen aus dem Nichts. Auch im letzten Jahresbericht der Bank wurden ihre exzellenten Leistungen angepriesen, von Performance Rekorden und Fokus auf Risiko-Management war die Rede. Die grossen Ratingagenturen stützten dies und vergaben bis wenige Tage vor dem Crash noch gute Bewertungen.

Ignoranz zahlte sich nicht aus

Doch ein kritischer Blick auf den Jahresbericht hätte bereits verraten, dass etwas nicht stimmt. Besonders die komplexen derivativen Produkte (Verträge, die ihren Wert beispielsweise von der Entwicklung einer Aktie beziehen) fielen auf. Ihr Nominalwert betrug das 50-fache der Bilanzsumme (die Vermögensgegenstände oder das Gesamtkapital) und circa das 1500-fache des Eigenkapitals. Letzteres betrug also nur 3,5% der Bilanzsumme. Diese problematischen Verhältnisse wurden jedoch von den Analyst*innen ignoriert.

Wo stehen wir heute? Viel geändert hat sich bei den Banken nicht – das Eigenkapital ist im Vergleich zur Bilanzsumme nur geringfügig angestiegen. Ungeachtet der tausenden Seiten an zusätzlichen Regulierungen, sind die Derivatgeschäfte der Grossbanken noch immer riesig. Dies ist auch in der Schweiz bei der UBS und Credit Suisse der Fall. Zudem hat sich der besonders intransparente Schattenbanksektor (beispielsweise der Vermögensverwalter Black Rock) massiv vergrössert. Problematisch bleibt auch der Hochfrequenzhandel, durch den in Millisekunden Finanztransaktionen durchgeführt werden können.

Lösungsansätze

Zuletzt stellt Prof. Chesney die Frage nach unseren Werten. Soll alles erlaubt und nur von finanziellen Interessen bestimmt sein? Er stellt verschiedenste Lösungsideen vor: unter anderem ein Trennbankensystem (Aufspaltung der kommerziellen und Investmentbereiche in getrennte Banken, wie bis 1999 in den USA vorhanden), eine kritischere Lehre im Finanzwesen sowie eine Regulierung des Schattenbanksektors. Die Frage nach dem Sinn von reiner Gewinnmaximierung unterstreicht er mit einem Zitat vom CEO von Goldman Sachs im Jahr 2009, wo auch die zentrale Rolle der Religion aus den ersten Vorlesungen wieder aufkommt: «Ich vollbringe Gottes Werk.»

In der nächsten Vorlesung diskutiert Prof. Irmie Seidel die Naturvergessenheit der Ökonomie aus der Perspektive der ökologischen Ökonomik.

  1. Hier geht es zur ersten Folge und dem Gleichgewichtsprinzip in der Volkswirtschaftslehre
  2. Hier geht es zur zweiten Folge und dem «Physikneid» in den Wirschaftswissenschaften

Dieser Artikel wurde automatisch in das neue CMS von Tsri.ch migriert. Wenn du Fehler bemerkst, darfst du diese sehr gerne unserem Computerflüsterer melden.

Das könnte dich auch interessieren