Warum die Kreislaufwirtschaft zwar reizvoll, aber unmöglich ist

An der Universität Zürich findet eine Vorlesungsreihe zu alternativen Wirtschaftsmodellen statt. Die Organisator*innen vom Verein Plurale Ökonomik präsentieren hier die besprochenen Themen. Hier folgt der vierte von dreizehn Teilen.

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Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Wasserverschmutzung – Umweltprobleme sind allgegenwärtig. Doch werden sie in den Wirtschaftswissenschaften häufig vernachlässigt. Anders bei der ökologischen Ökonomik: In dieser Theorieschule bildet die natürliche Umwelt das Fundament, den Rahmen in dem sämtliche ökonomischen Prozesse stattfinden. Die Nutzung von Energie und Materie sowie die Erzeugung von Abfällen und Emissionen werden als zentrale Bestandteile des ökonomischen Systems betrachtet, und nicht Nebenschauplätze.

Kreislaufwirtschaft – reizvoll aber unmöglich

Wie in der Neoklassik sind Grundannahmen in der ökologischen Ökonomik zentral. Diese haben weitreichenden Konsequenzen. Erstens wird, so Prof. Seidl, die Erde als ein materiell geschlossenes System betrachtet. Materie und Ressourcen sind nicht vermehrbar. Zweitens wenden ökologische Ökonom*innen das Entropiegesetz aus der Physik auf Materie und ökonomische Prozesse an. Sie gehen demnach davon aus, dass die Qualität von materiellen Ressourcen im ökonomischen Prozess stetig abnimmt. So würde beispielsweise der Reinheitsgrad von Metallen selbst bei erfolgreichem Recycling immer weiter bis zur Unbrauchbarkeit des Stoffes abnehmen. Folglich wäre eine Kreislaufwirtschaft unmöglich. Und da Ressourcen nicht vermehrbar sind postulierte der ökologische Ökonom Georgescu-Roegen, dass die Menschheit auf den «entropischen Tod» zusteuern wird. Keine guten Aussichten also.

Doch wie gehen ökologische Ökonom*innen mit diesen düsteren Perspektiven um? Prof. Seidl plädiert als Antwort stark für die Festlegung sogenannter «Scales». So sollte beispielsweise der materielle Durchsatz und damit der Ressourcenverbrauch auf eine akzeptable Grössenordnung begrenzt werden. Auch für «Abfälle» der ökonomischen Sphäre, wie CO2-Emissionen, befürworten ökologische Ökonom*innen Limiten. Andererseits muss die Verteilung der «erlaubten» Ressourcen und Emissionen dann auf eine faire und gerechte Weise geschehen. International und intergenerationell.

Neoklassik vs. ökologische Ökonomik

Damit unterscheiden sich die Lösungsansätze von Prof. Seidl gegenüber der Mainstream-Ökonomie: Während in der Neoklassik Effizienzsteigerungen und der technische Fortschritt zentral sind, wird in der ökologischen Ökonomik auf Rebound-Effekte hingewiesen. Demnach führen, so Prof. Seidl, Effizienzsteigerungen nicht unbedingt zu Ressourceneinsparungen sondern werden oft durch Nachfragesteigerungen (über)kompensiert. Auch betonen ökologische Ökonom*innen die begrenzte Substituierbarkeit von Ressourcen und deren Erschöpfbarkeit. In der Neoklassik werden dagegen Ressourcen als substituierbar und als unerschöpflich angesehen. Die Preise von knappen Ressourcen steigen stattdessen bei zunehmender Knappheit ins Unendliche, sodass sie nie vollständig aufgebraucht werden.

Prof. Seidl schliesst die Vorlesung mit einem Verweis auf den Zweck der Wirtschaft aus Sicht der ökologischen Ökonomik ab: «Die Bedürfnisse der Menschen so zu erfüllen, dass dabei hohes Wohlergehen resultiert und die vor allem ökologische aber auch soziale (Existenz-)Grundlagen erhalten bleiben».

In der nächsten Vorlesung führt Rahim Taghizegdan in die «österreichische Schule der Nationalökonomie» ein.

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