Abriss an der Kochstrasse führt zu Klagen aus der Nachbarschaft
Beim Lochergut klafft derzeit ein grosses Loch. Die Kochstrasse 1 ist schon abgerissen, vier weitere Häuser sollen folgen. Doch zunächst muss die Bauherrschaft Beschwerden aus der Nachbarschaft bearbeiten.
Nur drei Arbeiter sind am Dienstagmorgen auf der Grossbaustelle an der Kochstrasse und Sihlfeldstrasse zugegen, einer schaufelt mit dem Bagger, die anderen durchsuchen den Schutt und separieren das Metall. Die Kochstrasse 1 ist bereits abgerissen, doch vorerst steht die Abrissbirne still.
«Letzten Donnerstag kamen aus der Nachbarschaft einige Beschwerden per E-Mail. Aktuell sortieren wir nur und reissen nicht weiter ab», erklärt einer der Bauarbeiter. Grund für die Beschwerden sei jedoch nicht der Lärm, sondern eine starke Vibration gewesen: «Jetzt installieren wir Erschütterungsmessgeräte, und dann schauen wir weiter», sagt er. In der Nachbarschaft ist deshalb von einem Baustopp die Rede.
Grund für die Erschütterung ist unklar
Gemäss dem Bauführer Hochbau Patrick Spühler handelt es sich jedoch nicht um einen Baustopp. «Die kleine Unterbrechung beim Abriss und die aktuellen Aufräumarbeiten sind planmässig vorgesehen», sagt er. Der Grund für die Erschütterung vom letzten Donnerstag sei jedoch noch unklar: «Gemäss meinen Arbeitern standen die Bagger zu der Zeit still, wir wissen nicht genau, was passiert ist». Die hochsensiblen Erschütterungsmessgeräte würden jetzt über allfällige weitere Erschütterungen Aufschluss geben.
Im Auftrag der Besitzerin Star Immobilien AG reisst Birchmeier die fünf Liegenschaften an der Kochstrasse 1, 3, 5 und 7 sowie an der Sihlfeldstrasse 113 ab. Neben den Mieter:innen der 50 Wohnungen waren auch der Kunstraum GK3 und die Bar Orion von der Leerkündigung betroffen, ebenso wie der Schuhmacher Michele Scrocca, der 40 Jahre lang an der Sihlfeldstrasse 113 Schlüssel anfertige und Schuhe reparierte (Tsüri.ch berichtete).
Die vierstöckigen Gebäude aus dem Jahr 1931 sollen gemäss Plan durch fünfstöckige Wohnhäuser ersetzt werden. Diese würden ähnlich aussehen wie bisher, nur moderner und mit besserem Ausbaustandard, erzählt ein Bauarbeiter. Ab wann die neuen Wohnungen bezugsbereit sind und ob sich künftige Mieter:innen auf «Mieten im marktüblichen Niveau» gefasst machen müssen, dazu gibt die Besitzerin Star Immobilien AG bislang keine Auskunft.
Aus einem nahegelegenen Büro heisst es, die bisherigen Arbeiten seien «schon sehr laut» gewesen. «Das Grundproblem ist, dass man die Gebäude überhaupt abreisst. Mit einer Sanierung hätte man sich viel Lärm sparen können», sagt einer der Angestellten.
«Wie soll man denn ohne Lärm bauen?»
Bei anderen Anwohner:innen der Sihlfeldstrasse hingegen hält sich die Aufregung über den Bau in Grenzen. «So schlimm ist es mit dem Lärm nicht», sagt ein Anwohner. Und ein Angestellter in einem nahegelegenen Café sagt: «Ich verstehe die Aufregung nicht. Wie soll man denn ohne Lärm bauen?» Es sei doch gut, wenn gebaut wird, findet er und gibt zu bedenken: «Man hätte sich viel früher wehren und beschweren müssen, bevor dieser Grosskonzern mit dem Abriss beginnt.» Wenn der Bau einmal losgegangen ist, sei es dafür zu spät.
Jedoch ist für ihn auch ausschlaggebend, ob die Bauherrschaft die Nachbar:innen rechtzeitig darüber informiert hat, dass es aufgrund von Lärm und Vibration ungemütlich werden könnte. Aufgrund der Belastung durch Lärm, Staub und Erschütterungen dürften diese zudem Anspruch auf eine Mietzinsreduktion haben. Gute Nachricht zum Schluss: der Schuhmacher Michele Scrocca, den Tsüri.ch bereits 2023 porträtiere, hat ganz in der Nähe an der Badenerstrasse 280 eine neue Ladenfläche gefunden. Dort stellt der inzwischen 74-Jährige weiter Schlüssel her, flickt Schuhe und denkt noch immer nicht ans Aufhören: «Das hält flexibel und fit. Ich mag es nicht, nichts zu tun», erzählte er bereits 2023. Schliesslich habe sein Grossvater auch gearbeitet, bis er 92 Jahre alt war – ebenfalls als Schuhmacher.
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Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich, Master in Kulturanalyse und Deutscher Literatur. Während des Masters Einstieg als Redaktionsmitglied in der Zürcher Studierendenzeitung mit Schwerpunkt auf kulturellen und kulturkritischen Themen. Nebenbei literaturkritische Schreiberfahrungen beim Schweizer Buchjahr. Nach dem Master Redaktor am Newsdesk von 20Minuten. Nach zweijährigem Ausflug nun als Redaktor zurück bei Tsüri.ch