Neuer Verein fördert Frauen in der Eventtechnik
Hinter den Mischpulten und Scheinwerfern dominieren noch immer Männer. Der Verein «Changeover» will das ändern und Frauen den Weg in die Eventtechnik ebnen.
Langhaarig, kettenrauchend, mies gelaunt und männlich. So sieht der Stereotyp eines Tontechnikers aus. Auch wenn dieses Bild überspitzt ist, steht fest, dass die Eventtechnik auch heute noch männerdominiert ist.
Florina Diemer will das ändern. Gemeinsam mit sieben weiteren Frauen hat sie Anfang August den Verein «Changeover» gegründet. Dieser setzt sich für Frauen, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Menschen (kurz FINTA) in der Eventtechnik ein.
Alle Gründer:innen kommen aus der Praxis. Sie arbeiten als Ton- und Lichttechnikerinnen, Musikerinnen oder Ausbilderinnen in einer stark männlich geprägten Branche.
Seit 17 Jahren arbeitet die Zürcherin Florina Diemer als Tontechnikerin. Die 35-Jährige mischt den Sound für verschiedene Bands, ist im Luzerner Konzerthaus Schüür fest angestellt und unterrichtet an der Technischen Berufsschule Zürich. Ihr berufliches Vorbild war ihr Vater, ebenfalls Tontechniker.
Für Diemer ist klar: Tontechnik ist ein vielseitiger und schöner Beruf und hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Das Problem sei, dass es an sichtbaren weiblichen Vorbildern fehle.
Gerade in der Tontechnik halte sich das Bild vom lauten, durchsetzungsstarken Macher hartnäckig, sagt sie. Klar, es gehe auch um körperliche Arbeit. Doch oft sitze man für eine einzige Show zwei Tage lang im Bus. «Da sind mentale Stärke und Menschlichkeit mindestens so wichtig», so Diemer.
Schleppender Wandel in der Branche
«Changeover» ist ein Begriff aus der Praxis. Bei Konzerten bezeichnet er die kurze Umbauphase zwischen zwei Acts. Es muss schnell gehen, die Handgriffe müssen sitzen und der enge Zeitplan lässt oft keine Fehler zu.
Auch der Verein «Changeover» fordert einen schnellen Umbau. Während sich auf der Bühne in Sachen Vielfalt einiges getan hat, schleppt hinter der Bühne der Wandel nur langsam voran.
«Konzertbesucher:innen schauen nicht nur auf die Bühne, sondern auch, was dahinter passiert und da sehen sie fast ausschliesslich Männer», sagt Florina Diemer. Die Frauen von «Changeover» wollen das ändern. In der Geschäftsleitung sitzt neben Diemer auch Lena Brechbühl. Beide wissen, wie es ist, sich als junge Frau in dieser Männerdomäne zu behaupten.
Kulturorte wie das Jugendkulturhaus Dynamo oder die Rote Fabrik achten seit Jahren darauf, jungen Frauen den Einstieg in die Eventtechnik zu ermöglichen. Auch der Verein Helvetiarockt setzt sich für mehr Diversität in der Schweizer Musikbranche ein. Viele der «Changeover»-Gründerinnen haben so Zugang zur Szene gefunden. Diese Befähigung wollen sie nun weitergeben.
Cis-Männer sind ausgeladen
Der noch junge Verein hat bereits mehrere Workshops geplant. Von ganztägigen Einführungen in Ton- und Lichttechnik bis zu Kursen, die Musikerinnen befähigen sollen, selbstbewusst Konzerte zu spielen, ohne sich von technischem Fachjargon einschüchtern zu lassen.
Die Teilnahme kostet 50 Franken, für Mitglieder 25. Vergleichbare Angebote verlangen oft das Zehnfache. «Wir wollen die finanziellen Hürden so tief wie möglich halten», sagt Diemer.
«Changeover» will Frauen die Berührungsängste nehmen und einen sicheren Raum schaffen, um diesen Beruf zu lernen. Die Aktivmitgliedschaft und die Kurse stehen nur FINTA-Personen offen. «Cis-Männer sind für einmal ausgeladen, damit sich mehr Leute trauen zu kommen», sagt Diemer. Ziel sei nicht, Männer aus der Branche zu drängen, sondern Diversität zu fördern.
Die Nachfrage ist gross. Bereits in der ersten Woche konnte der Verein mehrere Mitglieder und Gönner:innen gewinnen – auf solche Unterstützung wird er auch langfristig angewiesen sein.
Derzeit arbeiten Diemer und ihr Team ehrenamtlich. Klar sei jedoch, dass zumindest die Kursleiter:innen branchenüblich entlohnt werden müssen. Zusätzlich profitiert «Changeover» von der grosszügigen Unterstützung verschiedener Veranstaltungsorte, die ihre Räume für Workshops kostenlos zur Verfügung stellen.
Im kommenden Jahr will der Verein auch Kurse für Fortgeschrittene anbieten und das Angebot auf den gesamten Multimediabereich ausweiten. Denn auch beim Fernsehen haben nur selten Frauen die Kamera in der Hand.
Ein eigenes Büro wäre für die Zukunft denkbar, sagt Diemer. Doch aktuell liegt der Fokus auf der Vernetzung zwischen Einsteigerinnen und Profis. «Die richtigen Leute zu kennen, hilft extrem», betont Diemer. Das erste Netzwerktreffen findet am 14. September in der Dampfzentrale Bern statt.
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Yann hat an der Universität Zürich einen Master in Germanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie abgeschlossen. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er bei 20Minuten, Tsüri.ch und der SRF Rundschau. Beim Think & Do Tank Dezentrum war Yann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und in der Kommunikationsleitung tätig. Seit 2025 ist er Teil der Tsüri-Redaktion. Nebenher ist er als Freelancer im Dynamo Zürich und bei Dachsbau Sounds unterwegs.