Warum Zürcher Jugendliche plötzlich Pudding mit der Gabel essen
Seit einigen Wochen kursieren in den sozialen Medien Videos von Jugendlichen, die sich treffen, um Pudding mit Gabeln zu essen. Am Mittwochabend wurde zum ersten Mal in Zürich gegabelt. Zwei Teilnehmerinnen erklären ihre Beweggründe.
Während Spaziergänger:innen in ihren Feierabend schlendern, spielen sich auf der Chinawiese ungewöhnliche Szenen ab: Ein Kreis von etwa hundert Menschen sitzt dicht gedrängt im Gras. Vor ihnen stehen Puddingbecher, aufgereiht wie Bierdosen bei einem Festival. Fast schon Schulter an Schulter gesellen sich junge Erwachsene zu Teenagern.
Die Stimmung ist ausgelassen, fast feierlich. Um kurz nach 17 Uhr betreten drei Personen die Mitte des Kreises und zählen laut von zehn runter. Der Sitzkreis stimmt mit ein, Gabeln trommeln auf Plastikdeckel, bis schliesslich ein kollektives «En Guetä!» ertönt – sofort wird in den Pudding eingestochen.
Was von aussen aussieht wie eine absurde Kunstperfomance, ist Teil des viralen Pudding-mit-Gabel-essen-Treffens, das gestern zum ersten Mal in Zürich stattfand.
Pudding essen gegen Einsamkeit
Beim Pudding-mit-Gabel-essen-Treffen kommen wildfremde Menschen zusammen, um gemeinsam einen Pudding nach Wahl zu geniessen – allerdings mit einer Gabel statt wie sonst üblich mit einem Löffel, warum weiss niemand so genau. Die Pudding-Fans, die hauptsächlich aus der Generation Z bestehen, mobilisieren sich entsprechend über Tiktok oder Instagram, vereinzelt aber auch über Reddit.
Auch Lili und ihre Freundinnen haben über die sozialen Medien vom Treffen auf der Chinawiese erfahren. Einige Meter vom Sitzkreis entfernt haben es sich die fünf mit Vanille- und Schokopudding in den Händen auf einer bunten Tie-Dye Picknickdecke gemütlich gemacht. «Wir haben es auf Tiktok gesehen und gedacht, warum denn eigentlich nicht?», erzählt Lili. Dass das Event einen solchen Andrang auslöst, hat die Gruppe jedoch nicht erwartet.
Mit Pudding und Gabeln wird auf der Chinawiese der Feierabend eingetrommelt. (Bild: Minea Pejakovic) Kein Beschiss: Angie und Lili haben ihre Gabeln mitgebracht. (Bild: Minea Pejakovic) Die fünf Freundinnen haben ihren eigenen Kreis gebildet. (Bild: Minea Pejakovic)
Wie bei viralen Trends häufig der Fall, schien auch hier der Sinn des Tuns anfänglich nicht ganz klar zu sein. Für Lili steht das Zusammenkommen eindeutig im Vordergrund: «Meine Generation sucht einfach eine Community und genau solche Treffen sind ein Weg, um neue Menschen kennenzulernen oder einfach rauszugehen.»
Einige Schritte weiter sucht Daria mit ihrer Freundesgruppe eine geeignete Lücke, um sich hinzusetzen. Die Gymnasiastin erklärt sich das Zustandekommen solcher Treffen damit, «dass die Generation Z nicht immer alles allzu ernst nimmt». Hinter dem Phänomen stecke aber auch der Wunsch, dem Alltag und der politischen Unsicherheit für einen Augenblick zu entfliehen, so Daria: «Solche Anlässe geben mir Hoffnung, dass es doch noch Gutes auf der Welt gibt.»
Vom Witz zum Phänomen
Entstanden ist das Phänomen unweit der Schweizer Grenze in der deutschen Stadt Karlsruhe. Dort hingen Unbekannte Plakate für das allererste Treffen auf und stellten die Fotos auf Instagram. Was als Witz begann, ging in den sozialen Medien schnell viral. Es folgten weitere Treffen in Stuttgart, Wien, Berlin und letztlich auch eins in Zürich.
Zürich ist nach St. Gallen die zweite Schweizer Stadt, in der man sich zum gemeinsamen gabeln traf. Ein baldiges Ende des Trends ist bisher nicht in Sicht: Dem Instagram-Konto «puddingmitgabelessen_ch» zufolge finden diese Woche weitere Treffen statt, beispielsweise in Basel oder Luzern.
Wer das Treffen in Zürich verpasst hat, hat am Sonntag eine zweite Chance, mitzumachen – gegabelt wird diesmal aber auf dem Platzspitz.
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