Restaurants auf Social Media

130'000 Views auf Tiktok: «Cindys Bistro» aus dem Kreis 4 geht viral

Das «Cindys Bistro» im Kreis 4 wirbt über Social Media mit lustigen Videos für westafrikanisches Essen. Während das Phänomen in Zürich noch neu ist, erreichen Restaurants im Ausland über Tiktok bereits ein Millionenpublikum.

Cindy Gottraux vor Cindys Bistro
Hat dank Social Media mehr Kundschaft in ihrem Restaurant: Cindy Gottraux. (Bild: Kai Vogt)

Zürich gilt als Schweizer Gastro-Hochburg: Über 1200 Restaurants waren 2023 in der Stadt gemeldet. Die grosse Konkurrenz bekommt auch «Cindys Bistro» zu spüren. Rund um das Lokal im Kreis 4 buhlen dutzende Gastrobetriebe um die Gunst hungriger Gäst:innen. 

Die Betreiberin Cindy Gottraux verfolgt deshalb ein spezielles Werbekonzept: Auf Tiktok und Instagram macht sie auf ihre westafrikanische Küche aufmerksam. Über 130’000 Views hat ihr meistgesehenes Video. Die Strategie geht ihr zufolge auf: «Dank Social Media kann ich die Rechnungen bezahlen», sagt Gottraux.

Damit folgt sie einem Trend, der in den letzten Jahren losgetreten wurde. Gemäss dem Newsportal «Business Insider» wählen Millennials und die Generation Z vermehrt Restaurants über ihren Feed in den sozialen Medien statt wie früher über Bewertungsplattformen wie Google oder Yelp.

«Wie isst man Fufu?»

Bei «Cindys Bistro» entstand die Idee vor allem aus einer Not heraus. Denn als Gottraux das Lokal an der Kanonengasse 2024 eröffnete, blieben die Tische erst leer. «Ich musste einen Weg finden, dass Menschen von meinem Restaurant erfahren», erzählt sie. Also erstellte sie Accounts auf Tiktok und Instagram – und begann gemeinsam mit einer Freundin Videos zu drehen.

Witziger Content sei besonders beliebt, sagt Gottraux. So sieht man sie beispielsweise, wie sie vor dem Restaurant in Handschellen abgeführt wird. «Schuldig für das beste westafrikanische Essen in Zürich», lautet die Überschrift. Über 20’000 Mal wurde das Video angesehen. Neben Humor will  Gottraux den Zuschauer:innen auch die westafrikanische Kultur näherbringen. «Wie isst man Fufu?», fragt sie in einem Post.

Die Beiträge entstünden zwar in Zusammenarbeit mit der Social-Media-Agentur Fezzmedia, doch die Ideen stammten von ihr, so Gottraux: «Tatsächlich bin ich auch im echten Leben lustig, nicht nur in meinen Videos.» Authentizität sei ihr wichtig. «Wir wollen, dass Menschen bei uns ein Stück Westafrika erleben können. Dazu gehört nicht nur gutes Essen, sondern auch unsere herzliche, offene Art», sagt Gottraux. 

«Viral» gehen für wenig Geld

Auch andere Gastronom:innen nutzen Social Media für ihre Zwecke: So präsentiert der Gründer vom Musti Grill in Zürich sein Mittagsmenü auf Tiktok und erhält dafür 15’000 Views. Noch erfolgreicher sind Restaurants mit dieser Strategie im nahen Ausland. Der Familienbetrieb Zagros aus Berlin ging mit seinem Dürüm viral: Über 3 Millionen Menschen erreichten die Betreiber:innen mit einem Post. 

Diese Entwicklung sei kein Zufall, sagt Valerio Stallone, Marketingexperte und Departementsleiter an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ). «Unsere Aufmerksamkeitsspanne hat sich in den letzten Jahren stark verkürzt.»

Damit Unternehmen überhaupt noch wahrgenommen werden, müssen sie ihre Werbestrategien an diese veränderte Medienlogik anpassen, sagt Stallone. Man spricht deshalb laut ihm zunehmend von «Attention Media», weil Betriebe auf diesen Plattformen nicht um soziale Nähe, sondern um maximale Aufmerksamkeit konkurrieren 

Grund dafür ist der Algorithmus. Er belohnt die Interaktionen mit mehr Sichtbarkeit: Je mehr User auf ein Video oder einen Account reagieren, desto öfter erscheint ein Post im Feed anderer User.

«Wenn das Essen, der Service oder das Ambiente nicht überzeugt, verliert jede Werbung an Wirkung.»

Valerio Stallone, Marketingexperte an der HWZ

«Dieser Effekt führt dazu, dass viele Unternehmen die Hoffnung hegen, früher oder später mit ihren Inhalten viral zu gehen», erklärt Stallone. Gerade für kleine Unternehmen mit wenig Ressourcen sei diese Form der Werbung eine Goldgrube, weil die Inhalte kostengünstig produziert werden könnten. 

Potenzial für Zürcher Gastronom:innen

Trotzdem brauche es heutzutage mehr als lustige Videos auf Social Media, um ein erfolgreiches Restaurant zu führen: «Wenn das Essen, der Service oder das Ambiente nicht überzeugt, verliert jede Werbung an Wirkung», so Stallone. Was zählt, sei das Gesamterlebnis – und wie Kund:innen dieses bewerten.

Deshalb glaubt der Marketingspezialist nicht, dass Tiktok oder Instagram andere Plattformen wie Tripadvisor und Google Review ablösen würden. «Wer Menschen ausschliesst, die sich nicht über Social Media informieren, macht einen strategischen Fehler.» Stattdessen müssten Gastronomiebetriebe in Zukunft omnipräsent sein, wenn sie ein breites Publikum ansprechen wollen, so Stallone.

Dies betont auch Sara Hochuli vom Verband Gastro Stadt Zürich. Entscheidend sei die Zielgruppe: «Ein Restaurant, das gut betuchte Kundschaft anziehen will, wird sich mit lustigen Tiktoks wohl keinen Gefallen tun.»

Trotzdem sieht sie Potenzial. Vor allem für Betriebe, die sich an Tourist:innen wenden. In Grossstädten wie Berlin oder Paris habe sich Social Media bereits als Werbeplattform durchgesetzt, so Hochuli, in Zürich hingegen würde «Cindys Bistro» eher noch einer Ausnahme angehören.

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isabel

Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.  

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