Gemeinderätin der Woche: Sibylle Kauer (Grüne)

Die neue Co-Fraktionspräsidentin Sibylle Kauer von den Grünen repräsentiert den Markenkern ihrer Partei sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Gemeinderats. Die Agraringenieurin bewirtschaftet einen Rebberg nach ökologischen Kriterien und war lange im Tierschutz tätig.

Sibylle Kauer, Gemeinderätin Grüne
Setzt sich im Gemeinderat für mehr Grünflächen in der Stadt ein: Sibylle Kauer. (Bild: Steffen Kolberg)

«Wir bleiben an unseren Kernthemen dran», antwortet Sibylle Kauer auf die Frage, was vom neuen Grünen-Fraktionspräsidium zu erwarten ist. Sie zählt eine Liste mit Themen auf, die zum grünen Markenkern gehören: Umwelt und Klima – und damit in der Stadtpolitik ein Fokus auf Netto-Null, Hitzeminderung und Grünflächen –, Chancengerechtigkeit unter anderem in Genderfragen, gute und sozial gerechte Bildung.

Die Förderung des öffentlichen und des Fuss- und Veloverkehrs gegenüber dem Auto sei natürlich auch wichtig, ergänzt sie. Genauso wie jene von neuen Wohnformen mit weniger Platzverbrauch pro Kopf, denn auch das sei klimarelevant.

Kauer, das steht für Kontinuität, könnte man resümieren. Und doch ist das neue Grünen-Präsidium, das aus Jürg Rauser und ihr besteht, auch ein Bruch mit dem Bisherigen. Die beiden Mittfünfziger haben den Job vom Duo Monika Bätschmann und Selina Walgis übernommen, einer 70-jährigen, Tschernobyl-geprägten Feministin und einer klimabewegten 31-jährigen Junggrünen.

Statt zweier Enden des grünen Spektrums steht nun der Parteikern an der Spitze. Und diesen verkörpern Rauser und Kauer als ruhende Pole, unaufgeregt und fest der Sache verpflichtet.

Kauer ist auch ausserhalb des Gemeinderats nah dran an den grünen Kernthemen. Die studierte Agronomin hat sich schon früh mit ökologischem Pflanzenbau beschäftigt, die Ökologie habe ihre Berufswahl geprägt, erzählt sie. Im Tessin bewirtschaftet sie einen Rebberg, in dem sie den sorgfältigen Umgang mit der Natur praktiziert, wie sie sagt. Dazu gehören zum Beispiel Natursteinmauern und das Pflanzen von Hecken, der Einsatz von Pestiziden nicht.

Beim solidarischen Landwirtschaftsprojekt Ortoloco, wo die Mitglieder ihr Bio-Gemüse vor den Toren Dietikons selbst mit anbauen, ist sie seit der Gründung 2009 mit dabei. Über zwanzig Jahre arbeitete sie zudem für den Schweizer Tierschutz. Den Job hat sie kürzlich aufgegeben, um sich stärker dem Fraktionspräsidium widmen zu können.

«Es gefällt mir, bei den städtischen Grünflächen mitzudenken und mitzugestalten.»

Sibylle Kauer

Den Grünen ist Kauer 2008 beigetreten. Bei den Gemeinderatswahlen zehn Jahre später liess sie sich als Kandidatin aufstellen und machte auf der Grünen Liste ihres Wahlkreises 1 & 2 auf Anhieb vier Plätze gut. Nachrücken konnte sie dann im Frühjahr 2021, als die langjährige Gemeinderätin Gabriele Kisker zurücktrat.

In der Kommission für Tiefbau und Entsorgung sowie für die Industriellen Betriebe fühlt sich Kauer zu Hause, «schliesslich ist da ja Grün Stadt Zürich mit dabei». «Es gefällt mir, bei den städtischen Grünflächen mitzudenken und mitzugestalten», sagt sie.

Vor einem Jahr reichte sie mit ihrer Fraktionskollegin Brigitte Fürer eine Motion ein, um Vernetzungskorridore zwischen Siedlung und Landschaft langfristig zu sichern. Diese seien wichtig für die Ausbreitung und den Austausch von Tieren und Pflanzen, erklärt sie. Beispielsweise vom Waldrand zu den Flussläufen in der Stadt und zurück, wo ökologisch hochwertige Grünräume mit hohem Gras und Hecken in den Siedlungen als Wanderkorridore dienen könnten.

In ihrer Kommission beschäftigt sie auch immer wieder mit konkreten Zukunftstechnologien auf dem Weg zu Netto-Null und zur Kreislaufwirtschaft. So erläuterte sie kürzlich im Rat die intensiven Diskussionen innerhalb ihrer Fraktion zum Thema CO2-Abscheidung und -Speicherung bei der Kläranlage Werdhölzli (hier mehr dazu).

Zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Martin Busekros reichte sie in diesem Jahr eine Schriftliche Anfrage ein, in der nach der Möglichkeit von Pyrolyse-Verfahren bei der Biogas Zürich AG gefragt wird. Dabei wird aus Biomasse Pflanzenkohle hergestellt, die beispielsweise als Nährstoff wieder in den Boden eingebracht werden kann.

Solche technologischen Möglichkeiten seien oft interessant, sagt Kauer, und schiebt noch etwas Grünen-eigene Skepsis hinterher: «Technologie kann aber immer nur ein kleiner Teil der Lösung unserer Klima-Probleme sein. Man muss auch genauer hinschauen, inwieweit sie tatsächlich etwas löst oder neue Gefahren produziert. Es ist viel wichtiger, dass wir mit unserem Verhalten etwas bewirken, weniger Umweltbelastung produzieren und unsere Kreisläufe schliessen.

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Die politischen Rahmenbedingungen, die unser tägliches Leben beeinflussen, will ich mitgestalten und dabei die grünen Themen voranbringen. Ich kann dabei auf mein Wissen zu den Zusammenhängen vor allem im Bereich Ökologie, Biodiversität, Ernährung und Umwelt zählen. Zentrales Ziel ist für mich bei allen Themen immer auch eine sozial gerechte Gesellschaft.

Mit welcher Ratskolleg:in der politischen Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Mit den GLP-Kolleg:innen gehe ich gerne etwas trinken. Diese sehe ich aber nicht unbedingt als politische Gegenseite, je nach Thema jedenfalls. Als Gegenseite sehe ich vor allem die SVP und die FDP.

Von der FDP würde ich mich gerne mit Martina Zürcher austauschen, eine der eher wenigen Frauen bei den Bürgerlichen. Es würde mich interessieren, wie sie zur Biodiversität und zum Klimaschutz steht und ob sie für eine soziale Wirtschaft einsteht. Bei der SVP wäre es ein Austausch mit Stefan Urech, einem der Jungen aus der SVP-Fraktion. Er bleibt bei seinen Voten meist differenziert, zum Beispiel bei den Themen Hochhäuser und Wohnpolitik oder auch bei seinem Schwerpunkt Schule und Bildung.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Bei den Gemeindeabstimmungen bin ich in Zürich meistens zufrieden mit dem Ergebnis. Eine der wenigen Abstimmungen, deren Ergebnis nicht meiner Überzeugung entsprach, war die Ablehnung des Pilotprojekts für ein Grundeinkommen 2022. Ich denke, es braucht neue Ideen in der Arbeitswelt. Viel zu oft noch werden heute Leute krank wegen ihrer belastenden Arbeit. Zudem haben die einen zu viel Arbeit, die anderen zu wenig davon. Mit einer aus meiner Sicht nötigen Abkehr vom Wirtschaftswachstum braucht es Experimente dazu, wie Arbeit – unbezahlte und bezahlte – in der Gesellschaft längerfristig sozial und gerecht verteilt werden kann und wie Arbeit sein muss, damit sie guttut.

Mehr ärgere ich mich jeweils aber zu Abstimmungen auf Bundes- oder Kantonsebene, zum Beispiel, dass die Pestizid-Initiative abgelehnt wurde. Dabei wissen wir doch, wie schädlich viele Pestizide sind, sowohl für die Biodiversität als auch für unsere Gesundheit.

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