Kontrollen? Nur zu Bürozeiten: Autos in Zürich parkieren, wo sie wollen

Aufgrund des Parkplatzabbaus in Zürich werden Autos vermehrt auf Trottoirs oder Velowegen abgestellt. Mit Konsequenzen müssen die wenigsten Falschparkierer:innen rechnen. Ein Unding, findet unser Kolumnist Thomas Hug.

Autos im Parkverbot
Nicht nur Parkverbot, sondern auch Fahrverbot: Auf der Velovorzugsroute an der Vulkanstrasse parkieren täglich Dutzende Autos. (Bild: Thomas Hug)

Wenn wir in Zürich zaubern könnten, würden wir vielleicht unsere Strassen breiter zaubern. Entsiegelung, Veloinfrastruktur, Plätze zum Aufhalten und breitere Trottoirs: Wer die neue Stadtraum-Strategie des Stadtrats liest, merkt schnell eine wachsende Wunschliste an Dingen, wonach sich die Zürcher Bevölkerung schon seit Jahren sehnt. Problem ist nur: Wir können nicht zaubern – und all diese Dinge brauchen Platz. Platz, der heute meist von Autos besetzt ist.

Eines der verbleibenden Erfolgsrezepte ohne Harry-Potter-Inspiration ist deshalb die Umnutzung von Parkplätzen. Wo Autos grösstenteils nur herumstehen, soll Raum für anderes geschaffen werden. Denn zu 95 Prozent der Zeit bewegen sich die Fahrzeuge nicht vom Fleck. Eine bedenkliche Ineffizienz für die Fläche, die wir den Autos in den Zürcher Strassen anbieten. Nur schon die rund 70’000 öffentlichen Parkplätze in Zürich entsprechen einer Fläche, die gut drei Viertel des Kreis 1 abdeckt.

Schon in den letzten Jahren hat die Stadt immer stärker damit begonnen, Velostreifen und Bäume zu realisieren, wo vorher Parkplätze waren. Von den Gerichten wird diese Praxis gestützt – ein Anrecht auf einen Parkplatz gibt es in Zürich nicht. Die Auto-Parkierung wäre Sache der Privaten, denn gerade da stünden viele Parkplätze noch frei. 

«Mehrwert schaffen die aufgehobenen Parkplätze erst, wenn nicht jeder freie Meter zum illegalen Parkplatz wird.»

Thomas Hug

Die kurzfristige Konsequenz dieser Entwicklung liegt auf der Hand. Immer mehr Autos parkieren da, wo sie eigentlich nicht dürften: auf Trottoirs, Velowegen, zwischen Baumscheiben oder auf Anlieferflächen. Solange die Polizei dieses Verhalten nicht konsequenter ahndet, bleibt auch die Verlagerung weg vom Auto Wunschdenken.

Gefährlich wird das mitunter, wenn sich Velofahrende vor aufschlagenden Autotüren fürchten müssen oder Fahrzeuge wichtige Sichtfelder beim Rechtsvortritt blockieren. Und besonders unfair, wenn Trottoirs zugestellt werden: Mit Kinderwagen oder Rollstuhl gibt es kein Durchkommen mehr.

Kommt diese Entwicklung überraschend? Nein. Dass ein Abbau der Parkplätze zu diesen Konflikten führen würde, war durchaus absehbar. Noch immer ist eine Tageskarte für die blaue Zone (15 Franken) massiv günstiger als das Parkieren in einem Parkhaus (mindestens 25 Franken für einen ganzen Tag). Die attraktivsten Parkplätze auf der Strasse sind also auch noch die günstigsten – wer fährt da freiwillig in ein Parkhaus, das meist über Rampen und Treppen viel mühsamer zu erreichen ist?

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Die Tagesparkkarte ist am günstigsten, wenn mindestens acht Stunden parkiert wird. (Bild: Thomas Hug / Parkleitsystem Stadt Zürich)

Statt also in teure Parkhäuser zu fahren, wird einfach weiter auf Strassen parkiert – markierter Parkplatz hin oder her. Mit einer Busse muss man dabei nicht wirklich rechnen: Denn ausserhalb der Bürozeiten gibt es gemäss Aussage der Stadtpolizei faktisch keine Kontrollen – abends und in der Nacht wird aus Sicherheitsgründen auf die «Kontrolle ruhender Verkehr» verzichtet. Und auch der Personalmangel führt dazu, dass Polizeipatrouillen falsch parkierte Autos, wenn überhaupt, nur auf Anzeige ahnden.

Gerade am Wochenende und nachts, wenn der Parkdruck im öffentlichen Raum am höchsten ist, verzichtet die Stadt also auf systematische Kontrollen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Und so wirklich scheint sich dem Problem niemand annehmen zu wollen: Die Parkkartenverordnung wurde seit 13 Jahren nicht mehr angepasst und steckt seit geraumer Zeit in der Politik fest. Und auch die Verwaltung schreibt, dass weitere Massnahmen bei der Kontrolle des ruhenden Verkehrs nicht geplant seien. 

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Bei Problemen mit parkierten Autos empfiehlt die Stadtpolizei, den Notruf zu wählen. (Bild: Thomas Hug / midjourney)

Stattdessen solle man doch bitte die Nummer 117 wählen, wenn ein Auto «auffällig parkiert» sei. Das wirkt doch einigermassen absurd. Statt ein bekanntes Problem endlich anzugehen, müssen also die Notrufstellen auch damit belastet werden. Im Ernst: Das kann nicht die Lösung sein für einen Missstand, der sich mit wegfallenden Parkplätzen wohl eher noch verschärfen wird.

Wir brauchen nicht in Hogwarts Lektionen zu buchen oder Bibi Blocksberg um Zaubersprüche zu bitten. Es müssen schlicht und einfach die verantwortlichen Personen wieder auf ihre Aufgaben besinnen: Die Menschen in den Autos auf Anstand und Rücksicht und der Stadtrat auf die Durchsetzung seiner Aufsichtspflicht. Denn wirklichen Mehrwert schaffen die aufgehobenen Parkplätze erst, wenn nicht jeder freie Meter zum illegalen Parkplatz wird.

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