Verkehrswende in der Agglo: «Parkplatz-Abbau ist ein grosser Hebel»

Stadt und Agglomerationen müssen Ideen neu denken und die Mobilitätswende als eine gemeinsame Herausforderung betrachten – nur dann gelingt sie. Die Diskussion ist angelaufen.

Bildschirmfoto 2022-11-26 um 17
Von links: Verkehrsforscher Thomas Hug, Stadträtin Simone Brander (Zürich), Stadtrat Stefano Kunz (Schlieren), Moderatorin Helene Obrist (NZZaS). (Foto: Simon Jacoby)

Nur jede fünfte Person in Zürich bezeichnet das Auto als ihr Hauptverkehrsmittel. Dennoch sind die Strassen jeden Abend und Morgen verstopft. Wie kann das sein? «Verkehrsprobleme beginnen nicht in der Stadt», ist Thomas Hug überzeugt. Der Verkehrsforscher forderte darum im Interview mit Tsüri.ch, dass «wir vom Auto wegkommen» müssen. 

In die gleiche Richtung zielt auch die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP). Sie forderte im Interview mehr Velowege und sagt: «Zudem müssen wir mit den umliegenden Gemeinden schauen, dass weniger Fahrzeuge in die Stadt reinfahren und der Freizeitverkehr massiv abnimmt.»

Wie kann dies gelingen? Die Mobilität der Menschen macht nicht an den Gemeindegrenzen statt, weshalb es nicht reicht, wenn Zürich den ÖV und die Velowege ausbaut. Um die Verkehrsprobleme zu lösen, sind die umliegenden Gemeinden mitentscheidend. 

Am Freitagabend diskutierten wir mit rund 70 Menschen im Publikum die Frage: «Wie gelingt die Verkehrswende in der Agglo – und wie profitiert die Stadt davon?» Nach einem Inputreferat von Julian Renninger von den SBB debattierten Züri-Stadträtin Simone Brander, Schlieren-Stadtrat Stefano Kunz und dem Verkehrsforscher Thomas Hug unter der Leiotung von Helene Obrist (NZZaS). 

Zuerst ein paar Fakten zur Einordnung: Schweizweit werde noch immer drei von vier Fahrten mit dem Auto zurückgelegt. Dies vergesse man in der Stadt oft, so Renninger. In der Agglo hätten die Hälfte aller Menschen kein Auto, in Gemeinden ohne Bahnanschluss sind es nur noch neun Prozent. Was muss also passieren, damit die Menschen auf das Auto verzichten können? 

Die Herausforderungen sind schnell identifiziert: Mobilität macht nicht Halt an den Gemeindegrenzen, der Abbau von Parkplätzen ist immer mit einem emotionalen Abwehrkampf verbunden und so lange der ÖV auch in den Agglomerationen nicht feinmaschig ausgebaut ist, steigen die Meschen nicht um. 

In mehreren Punkten besteht zwischen Brander, Kunz und Hug Einigkeit: Über die Anzahl der Parkplätze lässt sich der Autoverkehr steuern. Dies sei «ein starker Hebel», so Stefano Kunz. Weniger attraktiv als solche Push-Massnahmen – durch weniger Parkplätze drückt man die Menschen weg vom Auto – seien Pull-Massnahmen. Verkehrsforscher Thomas Hug nennt als Beispiel die Velovorzugsrouten. Wenn diese Alternative gegenüber dem motorisierten Individualverkehr an Attraktivität gewinnt, würden die Leute eher aufs Velo umsteigen. 

Der politische Wille, die Verkehrswende zu schaffen, ist von den beiden Städten Zürich und Schlieren spürbar. Vorwärts geht es allerdings nur langsam. Auch Simone Brander wünschte sich ein höheres Tempo. Doch an einem Strassenbauprojekt seien bis zu 13 Dienstabteilungen der Verwaltung involviert, um alle Vorgaben mitzudenken (Leitungen, Hitzeminderung, öffentlicher Verkehr usw). Ausserdem hat die Bevölkerung immer die Möglichkeit, gegen Projekte bis vor Bundesgericht zu rekurrieren, was beispielsweise bei Velorouten derzeit zu Verzögerungen führt. 

Mehr Zusammenarbeit wünscht sich Stefano Kunz: Gemeinden, Kanton und der Bund müssten sich stärker austauschen. Dies sei gerade im Raum Zürich zentral, damit die Verkehrswende gelingt. Ähnlich sieht dies auch Simone Brander, welche bei zukünftigen Projekten noch stärker den Dialog suchen will, damit es gemeinsam vorwärts geht. 

Die Veranstaltung wurde finanziell von den SBB unterstützt. 

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare