Geschlechtsangleichung: 26 Organisationen kritisieren Ricklis Vorstoss

Regierungsrätin Natalie Rickli fordert ein nationales Verbot geschlechtsangleichender Operationen bei Minderjährigen. Linke Parteien und Organisationen werfen ihr «populistische Stimmungsmache» vor.

Zwei Personen mit einer Trans-Flagge
Im Jahr 2024 gab es im Kanton Zürich vier geschlechtsangleichende Operationen bei Minderjährigen. (Bild: Unsplash)

Am Montag forderte die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) an einer Medienkonferenz ein nationales Verbot geschlechtsangleichender Operationen bei Minderjährigen. Denn ein kantonales Verbot ist laut einem aktuellen Rechtsgutachten nicht zulässig.

Rickli will gleichzeitig auf kantonaler Ebene die medizinische Versorgung für trans Jugendliche weiter einschränken. «Zum Schutz der Jugendlichen vor irreversiblen Eingriffen», wie Rickli sagt. Sie seien heute verstärkt sozialen Trends ausgesetzt.

Pubertätsblocker sollen nur noch im Rahmen wissenschaftlich begleiteter Studien abgegeben werden. Die Spitalliste soll künftig explizit von geschlechtsangleichenden Eingriffen an Minderjährigen abraten; in Einzelfällen sollen Fachgremien über solche Operationen entscheiden.

Doch Ricklis Vorhaben stösst auf grossen Widerstand: Am Mittwoch haben 26 Organisationen eine Petition lanciert, in der sie den Vorstoss scharf kritisieren. Die Forderung nach einem pauschalen Verbot untergrabe das Vertrauen in das Gesundheitssystem und blockiere ein bewährtes Modell, schreiben die Petitionär:innen. Sie fordern Vertrauen in die Wissenschaft und «keine populistische Stimmungsmache».

Insgesamt vier Eingriffe im Jahr 2024

Getragen wird die Petition unter anderem von «Haz – Queer Zürich», einer der grössten LGBTQ-Organisationen des Landes. Auf Anfrage von Tsüri.ch sagt Geschäftsführer*in Elle Bohner, dass das bestehende System bereits restriktiv sei: «Geschlechtsangleichende medizinische Massnahmen bei Jugendlichen erfolgen nur in wenigen Einzelfällen und unter strengsten medizinischen Standards.»

Laut aktuellen Daten ist die Zahl geschlechtsangleichender Eingriffe bei Minderjährigen in den vergangenen Jahren zwar leicht gestiegen, ging jedoch letztes Jahr wieder zurück: 2020 registrierte der Kanton acht Eingriffe, 2023 waren es 14. Und 2024 waren es nur vier, und davon wohnte nur eine Person im Kanton Zürich.

Auslöser für Ricklis Vorstoss war unter anderem eine Gruppe von Eltern trans Jugendlicher, die sich Ende 2023 mit dem Vorwurf unzureichender medizinischer Abklärungen an die Gesundheitsdirektorin wandten. Die daraufhin durchgeführte externe Untersuchung kam jedoch zu einem anderen Schluss: Die medizinische Versorgung weise keine «systematischen Mängel» auf, wie der Kanton in einer Medienmitteilung schreibt. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die heutige Behandlung Minderjähriger mit Geschlechtsinkongruenz gut funktioniert.

«Ein politisch motiviertes Vorgehen»

«Gesundheitsversorgung darf kein Mittel zur politischen Profilierung sein», sagt Bohner von «Haz – Queer Zürich». Es widerspreche allen Grundlagen unserer Gesellschaft, ein Gesundheitssystem anzugreifen, das nachweislich keine Mängel aufweise.

Urteilsfähige Jugendliche dürften auch hormonelle Verhütung nutzen, Lehrverträge abschliessen und Töff fahren, sagt Bohner. «Sie haben auch das Recht, ihr Leben unter Begleitung, Aufklärung und Beratung von kompetenten Erwachsenen aktiv mitzugestalten.»

Auch das Transgender Network Switzerland (TGNS) hat die Petition unterzeichnet. Anstatt die enorme Leistung des Kantons zu würdigen, solle nun ein Verbot her, «um politisch gegen junge trans Menschen vorzugehen», schreibt Jann Kraus, Vorstand des TGNS, auf Anfrage von Tsüri.ch. «Wir sind schockiert.»

Zu den weiteren Unterstützenden der Petition gehören unter anderem die Grünen Kanton Zürich, SP queer, Queeramnesty, Pink Cross sowie weitere queere und feministische Organisationen. Bis Mittwochabend haben über 2'000 Personen unterzeichnet.

Klar ist: Das Thema wird weiter beschäftigen. Die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel hat die Forderung Ricklis, ein nationales Verbot für geschlechtsangleichende Operationen bei Minderjährigen einzuführen, bereits aufgenommen: Am Mittwochabend hat sie dem Tages-Anzeiger gesagt, sie wolle einen entsprechenden Vorstoss in der kommenden Herbstsession einreichen.

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Kai Vogt

Kai hat Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Seine ersten journalistischen Erfahrungen sammelte er beim Branchenportal Klein Report und bei der Zürcher Studierendenzeitung (ZS), wo er als Redaktor und später als Co-Redaktionsleiter das Geschehen an Uni und ETH kritisch begleitete. So ergibt es nur Sinn, dass er seit 2024 auch für Tsüri.ch das Geschehen der Stadt einordnet und einmal wöchentlich das Züri Briefing schreibt. Auch medienpolitisch ist er aktiv: Seit 2023 engagiert er sich beim Verband Medien mit Zukunft. Im Frühjahr 2025 zog es Kai nach Berlin. Dort absolvierte er ein Praktikum im Inlandsressort der tageszeitung taz.

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