Selina Frey (GLP) wollte nie Politikerin werden

Selina Frey wollte nie Politikerin werden und wurde es schliesslich doch. Heute politisiert sie im Kreis 10 als Gemeinderätin und in der Zürcher GLP als Co-Präsidentin.

Selina Frey GLP Gemeinderat
Seit 2022 Mitglied der GLP-Fraktion im Gemeinderat: Selina Frey. (Bild: zvg)

Im Gespräch mit Selina Frey fallen viele grosse Wörter. Sie redet gerne über «Diversität», «Chancengleichheit» und «digitale Transformation». Die 37-Jährige sitzt seit 2022 im Zürcher Gemeinderat. Dabei wollte sie gar nie Politikerin werden. Wie kam es dazu? «Durch die Privatwirtschaft», sagt sie. Aufgrund ihres Berufs als Digitalisierungsexpertin, habe sie dann beschlossen, doch in der Politik mitzumischen.

Ihre politische Heimat hat Frey in der GLP gefunden, bei der sie seit vergangenem Jahr im Co-Präsidium der Zürcher Fraktion sitzt. Ein sinnvoller Weg, sagt Frey, denn dank ihres beruflichen Werdegangs habe sie viel Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen machen können. «Politikwissenschafts- Student:innen in Bern ticken ganz anders als die Leute auf dem Finanzplatz Zürich.» «Deshalb passt die GLP so gut zu mir».

Die Partei sei etwas für Menschen, «die mehr über den Tellerrand hinausblicken», erklärt sie und fügt gleich an: «Natürlich ohne den anderen Parteien zu unterstellen, dass sie das nicht könnten.»

Und verschiedene Perspektiven vereinen kann Frey tatsächlich. Bei ihren Vorstössen konnte sie meist eine breite Mehrheit überzeugen. «Ich habe schnell gemerkt, dass es bei Digitalisierungsthemen im Rat noch etwas an Erfahrung mangelt», daher habe es dort Bedarf und auch Raum für ihre Initiativen gegeben. 

Digitale Lösungen müsse man grossräumig denken. So will sie zum Beispiel, dass Angestellte der Stadtverwaltung nicht alleine gelassen werden im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Das Postulat fordert standardisierte Schulungsprogramme für städtische Mitarbeiter:innen. «Es ist essenziell, dass nicht jede:r sein eigenes Süppchen kocht», sagt Frey.

Dass bei Frey der Fokus auch gerne mal auf ganzheitlichen Lösungen liegt, die nicht nur Zürich betreffen, könnte auch daran liegen, dass sie gar nicht von hier kommt. «Du redsch aber nöd Züridütsch», habe man ihr gesagt, als sie das erste Mal einer fremden Person von ihrem Amt im Gemeinderat erzählte. Das sei aber schon ein ganzes Weilchen her, sagt sie. Heute hört man der gebürtigen Olterin ihren Dialekt kaum noch an.

Und in Zürich ist sie ohnehin längst angekommen, vor allem vom Kreis 10. «In Wipkingen ist immer etwas los, im Sommer kommen die Leute beim Letten zusammen und in Höngg stehen die Quartierbewohner:innen und die Vereine in einem sehr engen Verhältnis. Die Nachbarschaft schaut zueinander.» Ausserdem gefalle ihr der Mix aus Stadt und Natur: «Da bin ich aber vermutlich nicht die Erste, die das so sagt.»

Brisante Gesprächsthemen, wie etwa die Pläne ihrer Partei, verweigert Frey derweil vehement. Die GLP beansprucht für die Wahl 2026 einen zweiten Sitz im Stadtrat für sich. Wer neben Andreas Hauri kandidieren wird, allenfalls sogar sie selbst, möchte sie nicht verraten: «Dazu sage ich nichts. Wir wollen dort einen sehr fairen Prozess garantieren, es soll niemand profitieren, der oder die vielleicht Medienkontakte hat.»

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Das war lustigerweise eine ziemliche Reise. Ende Gymnasium haben mir meine Klassenkamerad:innen ins Maturabuch geschrieben, dass ich sicher einmal Politikerin werde. Weil ich immer so viel verhandelt habe. Ich war mir aber damals sicher, dass ich nicht Politikerin werde, sondern mich von der analytischen Seite mit Politik auseinandersetzen will. 

Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?

Eine schwierige Frage, wir können uns ja im Gemeinderat jederzeit austauschen. Nach dem Feierabend könnte ich mir ein Gespräch mit Martin Busekros von den Jungen Grünen vorstellen, vielleicht bei einem Rosé im Nordbrüggli.

Ich finde den Dialog mit Leuten, die eine andere Perspektive haben, wichtig. Martin repräsentiert für mich eine junge, systemkritische Generation. Ihre gewünschten Mittel und Wege sind radikaler, was uns für ambitionierte Ziele hilft. Während ich mich stärker darauf fokussiere, das bestehende System möglichst rasch, stetig und sozialverträglich weiterzuentwickeln, was uns in der Umsetzung hilft. Es braucht beides – am Ende teilen wir doch das Anliegen für ökologischen Wandel.

«Es bringt nichts, an der Vergangenheit festzuhalten. Wir sollten nicht in die Faust im Sack machen, sondern in die Zukunft schauen.»

Selina Frey, GLP-Gemeinderätin

Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

Ganz am Anfang meiner Amtsperiode konnten wir die flächendeckende Einführung der Tagesschule durchbringen. Das war mir sehr wichtig, weil mir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die damit einhergehende Gleichberechtigung und Chancengleichheit am Herzen liegen. 

Ausserdem hat es mich gefreut, dass sich eine Mehrheit mit uns gegen den Kauf des CS-Areals beim Üetlihof durch die Stadt formiert hat.

Und welches Ergebnis hat Sie am meisten geärgert?

Es bringt nichts, an der Vergangenheit festzuhalten. Wir sollten nicht in die Faust im Sack machen, sondern in die Zukunft schauen.

Das vorweggenommen, fand ich das Werbeverbot, das ja auch noch nicht ganz abgeschlossen ist, etwas schwierig. Die Stadt sollte nicht komplett mit Werbung zugepflastert sein, klar. Aber die Argumente der Initiant:innen, dass man sich auf dem Arbeitsweg nicht den Konsumvorschlägen entziehen könne, fand ich etwas extrem.

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Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

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