Podium Journalismus und Gleichstellung: «Frau in den Medien hat Megafon-Effekt»

Noch immer sind in fast allen Zeitungen gut 70 Prozent der zitierten Expert:innen männlich. Und nur in drei Prozent seiner Titel erwähnt «Der Bund» Frauen. Warum? Und was kann man dagegen tun? Diesen und anderen Fragen widmete sich das Tsüri.ch-Podiumsgespräch zur Rolle des Journalismus für die Gleichstellung.

Podium Journalismus Gleichstellung
Lisa Schwaiger, Nicole Döbeli, Zora Schaad und Podiumsleiterin Helene Obrist am Dienstagabend im Karl der Grosse. (Bild: Ladina Cavelti)

«In der Berichterstattung sind weniger als ein Drittel der erwähnten Personen Frauen», eröffnete Helena Trachsel, Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Zürich, mit ihrem Inputreferat den Abend im Karl der Grosse. Und sie fuhr fort, mit 49 Prozent habe «Blick.ch» die meisten Frauen im Titel, zuunterst auf der Skala stehe «Der Bund» mit drei Prozent. Die Zahlen stammen aus dem Bericht des Global Media Monitoring (GMM) 2020.

Aber nicht nur ob, sondern auch wie Frauen in den Medien dargestellt werden, zeigt das GMM. «Bei Frauen wird knapp dreimal häufiger die Familienrolle erwähnt als bei Männern», so Trachsel. Gehe es um Augenzeug:innenberichte, so herrsche ein Geschlechterverhältnis von 50:50, bei Expert:innenaussagen hingegen seien Frauen mit 20 Prozent klar untervertreten. Zum Abschluss ihres Inputs appellierte Trachsel an alle Frauen: «Wo Expertinnen und Politikerinnen die Möglichkeit haben, eine Botschaft zu platzieren, sollen sie den Mut haben, das auch zu tun.»

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Helena Trachsel, Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Zürich, eröffnete den Abend mit Fakten und Zahlen zur Geschlechterverteilung in den Medien. (Bild: Ladina Cavelti)

Eine Vermutung, weshalb «Der Bund» bei der Nennung von Frauen in Titeln so schlecht abschneidet, hatte Medienwissenschaftlerin Lisa Schwaiger: «Der Hard-News-Anteil im Bund ist sehr viel höher als beispielsweise im Blick.» Hard News, das seien klassische Männerthemen. Damit war das Podiumsgespräch eröffnet.

Wieso so wenig Frauen?

Helene Obrist, Chefreporterin bei «Watson» und Leiterin des Podiums, warf gleich zu Beginn die Frage nach dem Warum auf: «Woran liegt es, dass Frauen nur in 23 Prozent der medialen Berichte erwähnt werden?» Schwaiger berichtete aus ihren Studien: In redaktionellen Beiträgen, wo selber recherchiert werde, sei der Frauenanteil fast doppelt so hoch wie in Agenturmeldungen. «Ich schliesse daraus, dass es an mangelnden Ressourcen liegt», beantwortete Schwaiger die Frage.

Hinzu komme, dass sich viele Frauen zweimal überlegten, ob sie sich öffentlich äussern wollten, fügte Nicole Döbeli, Co-Präsidentin der «Medienfrauen Schweiz» und selbst Journalistin, an. Und diese Angst sei nicht unbegründet: «Es gibt viele Studien dazu, dass man als Frau in der Öffentlichkeit härter angegriffen wird.»

Schwaiger wagte die «nicht allzu steile These», dass Frauen auch deswegen mehr Hemmungen hätten, sich öffentlich zu äussern, weil sie weniger Vorbilder in den Medien haben. Das sei eine Konsequenz der Untervertretung von Frauen in Medien: «Es ist ein Teufelskreis.»

Wie den Teufelskreis durchbrechen?

Ein Versuch, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist das «Social Responsibility Board» von «20 Minuten», in dem die Redaktorin Zora Schaad arbeitet. «Wir versuchen bei Diskriminierung mehr hinzuschauen und bieten unseren Kolleg:innen Beratung an, wenn sie über solche Themen schreiben», erzählte sie.

Ein anderer Versuch gegen die Unterrepräsentation von Frauen in den Medien ist der Verein «Medienfrauen Schweiz», der weiblichen Medienschaffenden zum einen als Netzwerk diene und sie zum anderen sichtbar mache, so Co-Präsidentin Döbeli. Mittlerweile zähle der Verein an die 1’500 Mitglieder.

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«Redaktionen müssen auch in Bezug auf PoC, Trans- und Non-Binary-Personen diverser werden», findet Zora Schaad von «20 Minuten». (Bild: Ladina Cavelti)

Blick in die Zukunft

Zum Schluss äusserten die Podiumsteilnehmerinnen ihren Wunsch für die Zukunft. Schaad wünschte sich diversere Redaktionen – «auch in Bezug auf PoC, Trans- und Non-Binary-Personen.» Für die Mediensozialisation seien Vorbilder unglaublich wichtig, denn: «Eine Frau in der Berichterstattung hat einen Megafon-Effekt – das bedeutet für die Repräsentation mehr als nur eins zu eins.» 

Die Ansage ist klar: Teufelskreis gegen Megafon-Effekt. In diesem Sinne: Go Megafon-Effekt!

Die ganze Veranstaltung gibts hier als Video.

Fokus Journalismus

Der Journalismus kriselt, wir reden darüber! Während des Monats April setzen wir uns intensiv mit dem Journalismus auseinander. Dabei beleuchten wir Themen wie die Gleichstellung im Journalismus, die Rolle von Diversität im Journalismus bei der Integration (und inwiefern es sie überhaupt gibt) und die Grenzen zwischen Klimajournalismus und Aktivismus. Im Rahmen des Fokusmonats finden eine Pitch-Night sowie drei thematische Podiumsveranstaltungen statt. Alle Infos findest du auf tsri.ch/journalismus

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