Neues Printmagazin zur Frauen-EM: Crowdfunding gestartet

Anfang Juli startet in der Schweiz die Frauenfussball-Europameisterschaft. Gleichzeitig soll ein neues Printmagazin aus Zürich der mangelnden Aufmerksamkeit für den Sport entgegenwirken. Wie das gehen soll, erklärt die Mitgründerin Sabina Sturzenegger im Gespräch.

Frau Müller Magazin Team
Fünf Frauen arbeiten an dem Magazin über Frauenfussball, ohne grosse Vorbereitung, dafür mit umso mehr Leidenschaft. (Bild: Henrik Nielsen)

Pünktlich zur diesjährigen Frauenfussball-EM in der Schweiz soll erstmals das Magazin «Frau Müller» erscheinen – ein Printprodukt, das sich voll und ganz dem Sport der Frauen widmet.

Seit Montag läuft die Crowdfunding-Kampagne mit dem Ziel, mindestens 65’000 Franken zu sammeln. Damit sollen Druck und Verteilung des Magazins in hoher Auflage, etwa in Fanzonen und Bars, ermöglicht werden. Wird das erweiterte Ziel von 80’000 Franken erreicht, soll zudem die Social-Media-Präsenz ausgebaut werden.

Hinter dem Projekt stehen Andrea Bleicher, Sabina Sturzenegger und Andrea Müller von der Kommunikationsagentur Panda und Pinguin, die früher selbst als Journalistinnen tätig waren.

Ergänzt wird das Team durch Laura Rivas Kaufmann, die sich als Fanforscherin und Fotografin seit Jahren mit Frauenfussball beschäftigt, und Anina Weidmann, die Social-Media- und Designexpertise einbringt. Auch freiberufliche Journalist:innen sind beteiligt. Seit März arbeitet das Team mit Hochdruck an dem Magazin.

Auf 60 Seiten sollen Reportagen, Porträts, Interviews und andere Formate die Geschichten und Herausforderungen des Frauenfussballs beleuchten. «Frau Müller» soll auch nach der EM dazu beitragen, die Sichtbarkeit und Wertschätzung des Frauenfussballs weiter zu erhöhen. Wie das gelingen soll und ob das Magazin eine einmalige Ausgabe bleiben wird, erklärt die Mitgründerin Sabina Sturzenegger im Interview.

Jenny Bargetzi: Ein journalistisches Printmagazin zum Frauenfussball und zur EM – warum hat bisher noch niemand daran gedacht?

Sabina Sturzenegger: Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Es gibt zwar Podcasts und Projekte, etwa ein Kinderbuch oder Magazine von Sponsoringpartner:innen. Aber ein klassisches, journalistisches Magazin mit eigenständigem Design und klarer Haltung – das fehlt.

Vielleicht sind wir tatsächlich ein wenig verrückt, dieses Projekt zu wagen. Aber das Bedürfnis ist da. Und bislang hat es niemand umgesetzt.

An wen richtet sich das Magazin?

Unser Ziel ist ein schönes, vielseitiges Autorinnen-Magazin, das nicht nur Fussballfans anspricht. Wir wollen den Sport abbilden, aber auch die Kultur dahinter, die Fans, die Clubs, die Athletinnen. Frauen und Männer sollen sich angesprochen fühlen, die Freude an einem gut gemachten Magazin wie «Frau Müller» haben.

Mockup Cover Frau Müller Magazin
Layoutentwürfe für die erste Ausgabe des Magazins «Frau Müller». (Bild: Magazin «Frau Müller»)

Wer ist denn eigentlich «Frau Müller»?

Müller ist ein Name, der Nähe schafft. Das zeigt sich schon in unserem Kernteam, in welchem eine von fünf Personen Müller mit Nachnamen heisst. Wir wollten keinen elitären Titel, sondern einen, mit dem sich viele identifizieren können.

Interessieren Sie sich denn für Fussball? Spielen Sie selbst Fussball?

Wir wollen tollen Journalismus machen. Und Fussball interessiert uns auch. Laura Rivas Kaufmann aus dem Kernteam der Redaktion forscht seit Jahren zu Fankultur im Frauenfussball, Andrea Müller hat in der Alternativliga gespielt. Bei mir spielt die Tochter als Juniorin Fussball. Der Sport hat so viele Aspekte: Gesellschaftlich, sportlich, kulturell, politisch. Dafür muss sich ja eigentlich jede:r interessieren.

Und das alles in gedruckter Form. Mit dem Frauenfussball sind das bereits zwei Nischenprodukte.

Wir glauben an Print. Hier lassen sich schön gestaltete Geschichten gut erzählen. Man kann es in Händen halten, weitergeben, sammeln und gern haben.

Das Magazin soll in der Schweiz auf Papier aus der letzten Schweizer Papierfabrik gedruckt werden. Ist das Lokalpatriotismus, Nachhaltigkeit oder einfach ein Statement gegen Billigproduktion?

Eine Mischung aus allem. Wir kennen die Papierfabrik gut. Und es ist uns wichtig, dass wir auf Schweizer Papier drucken.

Was steckt sonst noch im Magazin?

Fotografien, die sich von klassischen Sportfotos, wie man sie kennt, abheben. Wir wollen ästhetische, spezielle Fotos zeigen und dadurch ein Magazin machen, das man gern liest und anschaut, zur Seite legt und wieder zur Hand nimmt – kein Wegwerfprodukt, sondern ein Statement.

Wie wählen Sie Autorinnen und Fotografinnen aus?

Wir setzen auf unser Netzwerk, auf Menschen, die wir kennen und schätzen und junge Talente mit neuen Ideen. National und international suchen wir gezielt nach Fotografinnen mit einer besonderen Bildsprache, abseits des Üblichen. Es gibt in den Frauenfussball-Communities viele Talente, die wir einbinden wollen.

Frauen verdienen im Fussball immer noch deutlich weniger als Männer. Eine allgegenwärtige Diskussion. Wie politisch darf oder soll Ihr Magazin sein?

Wir scheuen die politischen Themen nicht. Die ungleiche Bezahlung im Fussball ist ein Dauerthema, das wir aufgreifen. Frauen verdienen wenig, müssen nebenbei arbeiten, als Sportphysiotherapeutin, Kindergärtnerin, Sekretärin, und haben gleichzeitig keine grossen Bühnen im Fussball – das ist eine sich selbst verstärkende Ungleichheit. Wir wollen auf diese Missstände aufmerksam machen. Die EM ist ein Startpunkt, aber die Arbeit für Sichtbarkeit beginnt jetzt und endet nicht mit dem Turnier.

«Die EM bringt einen Aufmerksamkeitsschub, aber es besteht die Gefahr, dass alles wieder abflacht. Es braucht nachhaltige Förderung.»

Sabina Sturzenegger, Mitgründerin von «Frau Müller»

Erleben wir nun also einen nachhaltigen Wandel beim Frauenfussball – oder ist das nur der EM-Hype?

Die Aufmerksamkeit für den Frauenfussball wächst, das zeigen die Zahlen: Immer mehr Mädchen in der Schweiz spielen Fussball, die Zahl der lizenzierten Spielerinnen steigt, es gehen mehr Leute ins Stadion. Frauen standen schon vor Jahrzehnten auf dem Platz, sie mussten aber schon immer gegen Vorurteile kämpfen. Die EM bringt einen Schub, aber es besteht die Gefahr, dass alles wieder abflacht. Es braucht nachhaltige Förderung.

Hat denn «Frau Müller» nach der EM eine Zukunft?

Wir sehen grosses Potenzial, aber zunächst wollen wir das Ziel von 65'000 Franken erreichen, eine Ausgabe produzieren und drucken. Wir testen aus, wie es weitergeht – wohl mit einem Abomodell und einer Community, mit zwei Ausgaben pro Jahr. In Ergänzung zum gedruckten Magazin wollen wir auch auf Social Media mit interessanten Formaten präsent sein. Wir glauben, dass sich das hervorragend ergänzt.

Wie reagieren die Menschen auf das Crowdfunding? Will überhaupt jemand für Frauenfussball Geld ausgeben?

Bisher haben wir nur positive Rückmeldungen erhalten, viele unterstützen das Projekt. Es gibt also durchaus Leute, die für Frauenfussball Geld ausgeben wollen.

Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei! Natürlich jederzeit kündbar!

Jetzt unterstützen!

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare