Künstler:innen nach 2 Jahren Corona: «Der Live-Moment kann durch nichts ersetzt werden»
Seit dem ersten Lockdown sind zwei Jahre vergangen. Wie geht es den Zürcher Kunst- und Kulturschaffenden heute? Wir haben einige von ihnen auf ihrem Sofa besucht und nachgefragt. Das Synth-Pop-Duo Bikini Showers über gegenseitigen Support im Musiksektor, stürmische Zeiten und zurückgekehrten Fomo.
Wenn unser Civic-Media-Leiter Elio Donauer nicht gerade für Tsüri.ch Podiumsdiskussionen oder Stadtspaziergänge organisiert, dann stehen die Chancen gut, ihn auf der einen oder anderen Bühne dieser Stadt anzutreffen. Denn er ist Teil des Synth-Pop-Duos Bikini Showers, das er vor sechs Jahren mit Angie Addo gegründet hat. Die Pandemie hat auch bei ihnen Spuren hinterlassen, die Zeit war für die beiden auch auf persönlicher Ebene «stürmisch» – und trotzdem finden sie: «Wenn man auf der Bühne vor Publikum steht vergisst man jeweils, wie mühsam die Arbeit vorher war.»
Tsüri.ch: Welches Werk beschreibt die letzten zwei Pandemie-Jahre für euch am besten?
Angie: Unser Song «Stormy Weather». Es waren nicht nur gesellschaftlich stürmische Zeiten, sondern auch bei uns auf persönlicher Ebene.
Elio: Unsere Livesession fürs B-Sides Festival. Nichts beschreibt die Pandemie besser, als alleine in einem Museum Musik zu spielen im Namen eines Festivals, das abgesagt werden musste.
Wie haben euch die vergangenen zwei Jahre als Künstler:innen beeinflusst?
Angie: Es war für mich eine Bereicherung zu sehen, wie schnell sich Menschen aus dem Kultur- und Musiksektor arrangiert und andere Möglichkeiten gesucht haben, um weiterzumachen und sich gegenseitig Support zu geben.
Elio: Ich hatte vor allem viel Zeit, um an neuer Musik zu arbeiten und mich musikalisch zu verbessern.
Die Kulturbranche hat sehr unter den Corona-Massnahmen gelitten – was waren eure schwierigsten Momente? (Und hatten diese allenfalls gar nicht mit den Massnahmen zu tun?)
Angie: Ich habe nicht darunter gelitten oder sicherlich nicht so stark, dass es nennenswert wäre. Ich war in einer privilegierten Situation, trotz weniger Arbeitsauslastung den gleichen Lohn zu erhalten. Dies liess mir Zeit, um Einiges zu reflektieren und mein Leben insgesamt zu entschleunigen.
Elio: Diese grosse Leere in Form des Fehlens von Kulturangeboten im Lockdown hat mir durchaus zugesetzt. Der Live-Moment kann durch Nichts ersetzt werden.
Hattet ihr mal den Gedanken, euer Künstler:innenleben aufzugeben – wenn nein, wieso nicht? Wenn ja, wieso?
Angie: Auf jeden Fall. Mindestens einmal im Jahr frage ich mich, warum ich das alles mache und ob ich gut genug bin. Ich muss mich einfach an die guten Zeiten erinnern und dass ich das für mich mache. Dass es mir gut tut, Musik zu machen. Jeder Mensch den wir damit berühren, ist ein Grund mehr, dran zu bleiben.
Elio: Wenn man auf der Bühne vor Publikum steht vergisst man jeweils, wie mühsam die Arbeit vorher war.
«Love Obsessions, Selbstakzeptanz und Sex sind unsere Themen.»
Bikini Showers
Was war gut in den letzten zwei Jahren? Woran habt ihr euch gewöhnt, was wollt ihr beibehalten?
Angie: Plötzlich war es möglich, Events live zu streamen. Die Disabled Community hat lange danach geschrien und es wurde nicht darauf eingegangen. Ich finde, diese Option sollten wir weiterhin beibehalten. Es geht darum, soziale und gesellschaftliche Anlässe für alle zugänglich zu machen.
Elio: Während den Lockdowns wurde «Fomo» von einem Tag auf den nächsten eliminiert und ich konnte mich besser auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich Musik zu machen. Bad News: «Fomo» ist zurück.
Die unsicheren Zeiten halten an, wenn auch nicht mehr nur pandemiebedingt. Wie wollt ihr die kommenden Monate angehen? Auf welches Projekt von euch können wir uns freuen?
Angie: Bikini Showers ist wieder daran, Songs zu produzieren! Love Obsessions, Selbstakzeptanz und Sex sind unsere Themen. Daneben organisiere ich mit dem DJ Kollektiv Midnight Snack Collective Rapid-Dance Parties und produziere Musik mit dem Duo Bold Sauce.
Elio: Ja, da kommt neuer Sound und wir sind schon gespannt darauf, wohin es uns verschlägt.
Angenommen, Corona würde erst heute ausbrechen: Welches Produkt würdet ihr – mit der Erfahrung aus den letzten zwei Jahren Pandemie – hamstern?
Angie: Es hat mir an nichts gemangelt. Hamstern ist völlig unnötig, denn es gibt von allem genug in der Schweiz.
Elio: Konzerte. Ich hätte mir vor der Pandemie noch eine volle Ladung Livemusik gegönnt, von der ich dann zwei Jahre hätte zehren können.
Hier kannst du dir Bikini Showers anhören: Spotify
Serie «So geht es Künstler:innen nach 2 Jahren Corona» Am 16. März 2020 wurde in der Schweiz der erste Corona-Shutdown angeordnet, während dem das öffentliche Leben vom Bundesrat weitgehend zum Erliegen gebracht wurde: Leere Strassen, Plätze und Cafés boten ein ungewohntes Bild. Dass die Pandemie bis heute andauern wird, hätte damals wohl keine:r erwartet. Besonders die Kunst- und Kulturbranche wurde von den immer wieder neu definierten Corona-Massnahmen hart getroffen. Wir wollten deshalb wissen: Wie geht es den Zürcher Kunst- und Kulturschaffenden heute? 1. Schriftstellerin und Kolumnistin Julia Weber: «Aus der Ruhe entstand eine Sprache» 2. Musikerin und Frontfrau von Black Sea Dahu Janine Cathrein: «Als wäre ich konstant auf Abruf» |