Künstler:innen nach 2 Jahren Corona: Janine Cathrein - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Alice Britschgi

Praktikantin Redaktion

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17. März 2022 um 05:00

Künstler:innen nach 2 Jahren Corona: «Als wäre ich konstant auf Abruf»

Seit dem ersten Lockdown sind zwei Jahre vergangen. Wie geht es den Zürcher Kunst- und Kulturschaffenden heute? Wir haben einige von ihnen auf ihrem Sofa besucht und nachgefragt. Janine Cathrein, Frontfrau der Zürcher Band Black Sea Dahu, über die Angst um ihre psychische Gesundheit und die Frage, wie lange sie und ihre Band unter den coronabedingten Umständen arbeiten können.

Janine Cathrein hat kein Sofa – dafür einen Klavierstuhl. (Foto: Alice Britschgi)

Janine Cathrein ist Frontfrau der Zürcher Band Black Sea Dahu. Die Indie-Folkband gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Bands im Ausland. Ihr Song «In Case I Fall for You» wurde auf Spotify fast elf Millionen Mal gehört. Im Februar erschien das zweite Album «I Am My Mother» mit dem gleichnamigen Titelsong. Die Plattentaufe findet am 6. April im Kaufleuten statt.

Tsüri.ch: Welches Werk beschreibt die letzten zwei Pandemie-Jahre für dich am besten?

Janine Cathrein: 4’33’’ von John Cage, ein Stück in dem viereinhalb Minuten lang absolut nichts passiert. Wenn man die Sekunden zusammenzählt, sind es 273. Das ist in der Physik der absolute Nullpunkt. Minus 273 Grad, da hört jede Bewegung auf.

«Manchmal wünsche ich mich zurück auf die Strassen als Velokurierin, wo sich meine Verantwortung auf eine Lieferung beschränkte und sonst nichts.»

Janine Cathrein

Wie haben dich die vergangenen zwei Jahre als Künstlerin beeinflusst?

Einerseits hatte ich so viel Zeit und Raum, um Musik zu schreiben, wie schon lange nicht mehr. Andererseits sind die Umstände, unter denen wir als Live-Musiker:innen arbeiten müssen, wahnsinnig kräftezehrend.

Die Kulturbranche hat sehr unter den Corona-Massnahmen gelitten – was waren deine schwierigsten Momente?

Ich glaube, für Laien scheint es, als wäre das Absagen und Verschieben von Tourneen eine zwar frustrierende, aber grundsätzlich simple Angelegenheit. Für mich war (und ist) das, als wäre ich seit zwei Jahren konstant auf Abruf, im Dauerstress mit Herzrasen. Es ist schwer, das Ziel vor Augen und den Sinn im Ganzen nicht zu verlieren, wenn man tagelang ein neues Set probt, aber dann alles gecancelt wird. Und das wieder und wieder und wieder… Wozu das alles, dachte ich mir oft.

Hattest du mal den Gedanken, dein Künstlerinnenleben aufzugeben?

Ja, aus Angst um meine psychische Gesundheit. Wie lange kann ich und kann meine Band unter diesen Umständen arbeiten und welchen Preis bezahlen wir am Schluss dafür? Manchmal wünsche ich mich zurück auf die Strassen als Velokurierin, wo sich meine Verantwortung auf eine Lieferung beschränkte und sonst nichts.

Was war gut in den letzten zwei Jahren? Woran hast du dich gewöhnt, was willst du beibehalten?

Ich habe ab und zu auf einen Dackel aufgepasst und bin spätabends noch spazieren gegangen. Es war, als könnte ich spüren wie die Stadt langsam einschlummert. Und ich habe eine neue Morgenroutine: Yoga und Meditieren. Auf Tour erweist sich diese bisher als sehr schwierig, da jede Minute Schlaf kostbar ist.

Die unsicheren Zeiten halten an, wenn auch nicht mehr nur pandemiebedingt. Wie willst du die kommenden Monate angehen? Auf welches Projekt von dir können wir uns freuen?

Die Erde dreht sich und ich versuche nicht aufzugeben, eins nach dem anderen. Am 6. April feiern wir unsere neue Platte «I Am My Mother» und spielen im Kaufleuten Zürich.

Angenommen, Corona würde erst heute ausbrechen: Welches Produkt würdest du –  mit der Erfahrung aus den letzten zwei Jahren Pandemie – hamstern?

Okay, ich habe jetzt echt 15 Minuten überlegt, aber mir kommt nichts in den Sinn. Ich bin einfach keine Hamsterin, Hamstererin? Hündelerin!


Serie «So geht es Künstler:innen nach 2 Jahren Corona»

Am 16. März 2020 wurde in der Schweiz der erste Corona-Shutdown angeordnet, während dem das öffentliche Leben vom Bundesrat weitgehend zum Erliegen gebracht wurde: Leere Strassen, Plätze und Cafés boten ein ungewohntes Bild. Dass die Pandemie bis heute andauern wird, hätte damals wohl keine:r erwartet. Besonders die Kunst- und Kulturbranche wurde von den immer wieder neu definierten Corona-Massnahmen hart getroffen. Wir wollten deshalb wissen: Wie geht es den Zürcher Kunst- und Kulturschaffenden heute?

1. Schriftstellerin und Kolumnistin Julia Weber: «Aus der Ruhe entstand eine Sprache»

2. Musikerin und Frontfrau von Black Sea Dahu Janine Cathrein: «Als wäre ich konstant auf Abruf»

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