Jonas Keller (SP): «Der Irakkrieg hat mich politisiert»
Seit Anfang Jahr sitzt Jonas Keller im Zürcher Gemeinderat. Politisch aktiv ist der 37-Jährige aber schon länger. Er habe nie verstanden, wieso manche Leute nicht abstimmen würden. Sich gegen Ungerechtigkeiten einzusetzen, sei ihm sehr wichtig.
Jonas Keller ist ein Küken im Gemeinderat. Nach dem Rücktritt von Heidi Egger konnte er im Januar 2025 für die SP nachrücken.
An seiner allerersten Sitzung war er allerdings nicht anwesend, sondern in den Ferien. Diese waren schon seit langem geplant. Als sich sein Nachrücken letzten Sommer abgezeichnet hatte, habe er bei seinen Fraktionskolleg:innen abgeklärt, ob die bereits gebuchten Ferien ein Problem werden könnten. «Wenn jemand gesagt hätte, das ist ein Problem, hätte ich sie selbstverständlich storniert», betont Keller.
Nach vier Monaten im Rat finde er sich zwar langsam etwas zurecht, doch ganz angekommen sei er noch nicht: «Es gibt schon vieles, das noch schwierig ist.» Obwohl der Gemeinderat Keller gerade erst geschlüpft ist, ist er in Sachen Politik ziemlich trittsicher und kann auf einige Jahre Erfahrung zurückblicken.
Erstmals politisch aktiv wurde er mit 15 Jahren. «Der Irakkrieg hat mich politisiert», erinnert sich der heute 37-Jährige an die Zeit. «Damals habe ich auch zum ersten Mal an Demonstrationen teilgenommen. Dies hatte aber weniger mit Parteipolitik zu tun, sondern mehr mit den Ungerechtigkeiten, die mich störten», sagt er. Dieser Unwillen, Ungerechtigkeiten einfach so hinzunehmen, ziehen sich durch Kellers politische Laufbahn. Einige Zeit später wurde er an der Uni aktiv, später trat er der SP bei.
«Ich habe nie verstanden, wieso man nicht abstimmen oder wählen geht.»
Jonas Keller, Gemeinderat SP
Auch Kellers sonstiges Berufsleben ist geprägt von Politik. Seit zwei Jahren arbeitet er als Regionalsekretär für den Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD). «Mein erster Arbeitstag in der Gewerkschaft war am 1. Mai», ein passendes Datum, findet er.
Sofie David: Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
Jonas Keller: Meine Familie ist schon immer sehr politisch, es galt als wichtig, politisch informiert zu sein, wir haben immer Nachrichten gehört. Ich hatte immer ein Interesse für Politik, Mitmachen war mir wichtig. Ich habe zum Beispiel nie verstanden, wieso man nicht abstimmen oder wählen geht. Irgendwann hat sich das verstärkt und ich bin im Jahr 2011 der SP beigetreten. Weil mich das politische und parlamentarische Arbeiten interessierte, war mir bald klar, dass ich für den Gemeinderat kandidieren möchte.
Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?
Ich habe keine Berührungsängste, wenn jemand Lust hat etwas mit mir trinken zu gehen, bin ich dabei.
Ich habe gesehen, dass Thomas Hofstetter gerne einmal mit einer Polizei-kritischen Person etwas trinken gehen würde, da kann er sich gerne bei mir melden.
Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?
Ich bin zwar noch nicht so lange dabei, aber was mich grundsätzlich freut sind die Strassenprojekte, die Infrastruktur fürs Velo und für Fussgänger:innen ausbauen. Ich hatte immer das Gefühl, dass es damit nur sehr langsam vorwärtsgeht, aber jetzt sehe ich, dass da wirklich etwas passiert und es wird super.
Zum Beispiel an der Scheuchzerstrasse. Diese soll nicht nur für den Langsamverkehr aufgewertet, sondern auch zu einem sogenannten «Schwammstadt»-Gebiet werden. Es soll dort Regenwasser im Boden gespeichert werden, welches die Vegetation in Trockenperioden mit Wasser versorgt.
Welche hat Sie am meisten geärgert?
Besonders geärgert hat mich, dass der Kantonsrat die Mobilitätsinitiative unterstützt hat, wenn auch nur knapp. Das ist eine Anti-Städte-Initiative. Weil die Bürgerlichen in der Stadt keine Mehrheit haben, verbieten sie der Stadt Tempo 30 über den Kanton.
Wie gehen Sie mit politischen Niederlagen um?
Ich sehe es grundsätzlich relativ locker, das sind die Spielregeln. Wenn man mit politischen Niederlagen nicht umgehen kann, ist es schwierig in der Politik.
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Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.