Thomas Hofstetter (FDP): «Zürich hat oft eine kritische Haltung gegenüber der Polizei»

Thomas Hofstetter politisiert für die FDP im Kreis 11. Mit Niederlagen umzugehen, lernte er aber nicht in der Politik, sondern im Spitzensport.

Thomas Hofstetter Gemeinderat Rathaus
Thomas Hofstetter war früher Rennvelofahrer auf Hochleistungniveau. (Bild: Privat/Montage Tsüri.ch)

Thomas Hofstetter interessiert sich schon lange für Politik, eigentlich schon immer. Es ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden: «Ich bin in einer politischen Familie aufgewachsen, die politischen Diskussionen am Mittagstisch nahmen bei uns einen gewissen Raum ein», erzählt er. So hätten sie jede Bundesratswahl zusammen geschaut, «das waren schon prägende Ereignisse». Besonders die Abstimmung zum Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), sei ein Schlüsselerlebnis gewesen. «Das war die erste grosse Abstimmung, die ich so miterlebt habe».

Das politische Interesse ziehe sich bei seiner Familie durch die Generationen: Sein Grossvater sei Gewerkschafter gewesen, die Eltern beide Lehrpersonen. «Meine Familie bewegt sich in einem Mitte-Links-Umfeld», sagt er. In seiner Familie habe vor ihm aber noch niemand ein politisches Amt innegehabt

Heute politisiert der gebürtige Thurgauer in der FDP im Wahlkreis 11. Damit habe er zwar eine etwas liberalere Stossrichtung als seine Familie, aber Uneinigkeiten seien kein Problem «ich bin sehr offen, was andere politische Meinungen betrifft, die verschiedenen Ausrichtungen machen unser System ja auch aus».

Da die FDP im Rat in der Minderheit ist, gäbe es nicht viele Entscheide, zu ihren Gunsten. Doch damit kann Hofstetter umgehen. «Ich bin zehn Jahre lang Rennvelo gefahren, auf Hochleistungsniveau». Im Spitzensport lerne man, zu fokussieren und Rückschläge zu bewältigen, diese Fähigkeiten helfen ihm heute auch im Rat. «Eine Niederlage ist vielleicht kurz ärgerlich, man muss sie analysieren und dann aber auch abhaken können». In der Politik sei das auch so.

Neben seinem Amt im Gemeinderat arbeitet der 41-Jährige bei der Kantonspolizei Zürich. Bei sicherheitspolitischen Themen halte er sich aber meistens zurück: «Ich bin im Rat als Politiker, nicht als Polizist», sagt er.

Nur manchmal gebe es Debatten, wo er sein Berufswissen mit einbringe. So zum Beispiel bei der Diskussion zu den Tasern während der Budgetdebatte im Jahr 2023. Er sei damals selbst Taserträger gewesen und kenne deshalb das Einsatzmittel gut. «Die Mehrheit im Gemeinderat hat oft eine kritische Haltung gegenüber der Polizei.» Gerade in der Debatte zu zusätzlichen Tasern, habe es viele kritische Voten gegeben. «Als jemand, der sich mit dem Einsatzmittel auskennt, fand ich es angebracht, mich zum Thema zu äussern.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

In meiner Familie wurde immer über Politik diskutiert, das hat mich geprägt. Als ich 2013 nach Zürich gekommen bin, habe ich mich zunächst im Wahlkreis 6 dann 11 engagiert. Irgendwann konnte ich in den Gemeinderat nachrücken und habe diese Chance gerne wahrgenommen. Es ist auch eine Ehre, das Amt in der grössten Stadt der Schweiz ausüben zu dürfen.

Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?

Ich könnte mir vorstellen, mit den verschiedensten Leuten aus anderen Fraktionen ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken. Eine konkrete Person habe ich nicht. Aber ich fände es sicher spannend, mit einer polizei-kritischen Person, etwas trinken zu gehen und da die Perspektive eines Polizisten, der den Beruf gelernt hat und auch ausübt, einzubringen. 

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie am meisten gefreut?

Anfang Jahr hat die Stadtzürcher Bevölkerung über die Entschädigungsverordnung abgestimmt. Es ging um die Erhöhung der Gemeinderatslöhne. Als einzige Parteien hatten sich die FDP und die SVP im Gemeinderat dagegen ausgesprochen, demnach wurden wir überstimmt. Das hat mich geärgert, doch dass die Stadtbevölkerung dann unserer Meinung war und die Verordnung abgelehnt hat, freute mich. Wir haben auf die Problematik hingewiesen und die Stimmbevölkerung hat dann auch dem Gemeinderat die rote Karte gezeigt.

Welche hat Sie am meisten geärgert?

Ein grosser Ärger waren für mich die Budgetdebatten 2023 und 2024, als es um den Einsatz von Tasern bei der Stadtpolizei ging. Ich halte dieses Einsatzmittel für ein adäquates Mittel, um gegebenenfalls Schusswaffeneinsatz verhindern zu können und gleichzeitig die Gegenseite zu schützen. Dass man es hier nicht schaffte, die Mehrheit über den Nutzen der Taser zu überzeugen und die Debatte eher ideologisch als sachlich geprägt war, ärgerte mich.



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Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

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