12 Kreise, 12 Beizen: Seitan Cordon bleu im Eisenhof
In der Gastroreihe «12 Kreise, 12 Beizen» besucht Tsüri.ch jeden Monat eine Quartierbeiz in einem anderen Kreis: Seit über 30 Jahren führt die Wirtin Marianne Kuhn den Eisenhof im Kreis 5. Weil sie den Vegis ja nicht nur eine Rösti vorsetzen könne, bietet sie mittlerweile sogar vegetarische Seitan Cordon bleus an.
Was haben ein Sternerestaurant und eine Quartierbeiz gemein? Der Koch oder die Köchin macht, nachdem die Gerichte serviert und verspeist wurden, die Runde, begrüsst die Gäst:innen und fragt, wie es geschmeckt hat. Die Eisenhof-Wirtin Marianne Kuhn sitzt nach der obligaten Runde sogar zu uns an den Tisch und beginnt zu erzählen. Von der Zeit, als sie das Lokal an der Gasometerstrasse im Kreis 5 übernommen hat. Das war 1990 und das Quartier ein komplett anderes als heute. «Drogenabhängige schliefen auf dem WC ein», sagt sie und spielt damit auf den Platzspitz an, der zwei Jahre nachdem sie den Eisenhof übernommen hatte, geschlossen wurde. Das hatte zur Folge, dass sich die offene Drogenszene vom Platzspitz in die angrenzenden Wohnquartiere verschob. Heute, exakt 30 Jahre danach, ist davon rein gar nichts mehr zu spüren. Vis-à-vis des Eisenhof sitzen hippe Menschen an Tischen auf dem Trottoir und löffeln Nudelsuppe.
Dort, wo jetzt die Restaurants Dar und Co Chin Chin drin sind, befanden sich damals Autowerkstätte. Viele Arbeiter:innen seien fürs Mittagessen in den Eisenhof gekommen, darunter sicher 30 Prozent «Bähnler», erzählt die Wirtin. Auch die Deko im Eisenhof erinnert an die Bähnler-Vergangenheit: Da hängt zum Beispiel ein Perron-Schild mit der Nummer 5. Ein Stammgast aus Schaffhausen habe dieses Schild beim Umbau des Bahnhofs gerettet und ihr geschenkt.
«Ich habe mich kaputtgelacht, als ich das erste Mal vegetarisches Tatar zubereitet habe»
Marianne Kuhn, Wirtin im Eisenhof
Chnoblibrot und Huus-Kafi
Dunkelrote Tischläufer liegen auf den Holztischen, die Wände sind aus dunkelbraunem Täfer. Eine Schiefertafel preist Chnoblibrot und Huus-Kafi an. Eine Männergruppe bestellt Fleisch auf dem heissen Stein und ein paar Chübel Bier. Sie sei die Erste in Zürich gewesen, die Fleisch «vom heissä Stei» angeboten habe. Heute besteht die Menükarte aus 98 Prozent Fleisch, rechnet sie vor. Mittlerweile bietet sie ein paar Klassiker auch vegetarisch an. «Kommt eine achtköpfige Gruppe mit zwei Vegis vorbei, kann ich den beiden ja nicht nur eine Rösti und einen Salat auftischen», meint sie. Könnte sie schon, aber die Vegis freuen sich wohl mehr über das Cordon bleu aus Seitan mit Pommes und Gemüse und das Tatar aus Ackerbohnen mit getoastetem Bauernbrot. «Ich habe mich kaputtgelacht, als ich das erste Mal vegetarisches Tatar zubereitet habe», sagt die Wirtin. Doch mittlerweile schmecke es auch ihr sehr gut.
Marianne Kuhn ist per Zufall zu ihrem Lokal gekommen. Sie ist gelernte Pöstlerin und wollte nebenbei die Kosmetikfachschule absolvieren. Um sich diese zu finanzieren, hat sie deshalb drei Mal in der Woche im Eisenhof als Kellnerin gearbeitet. Als die damaligen Inhaber:innen kündigten, konnte sie das Lokal übernehmen. Und so wurde sie nicht Kosmetikerin, sondern Köchin. Auch wenn sie dafür keine Ausbildung hat. Das Kochen habe sie zu Hause gelernt: «Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, da musst du einfach kochen können».
Seit Covid ist nichts mehr so wie früher
Früher sei der Eisenhof mittags sehr gut besucht gewesen, abends wurde vor allem getrunken. Das ist heute genau umgekehrt. Marianne Kuhn erzählt von den schwierigen zwei Covid-Jahren. Das Mittagsgeschäft sei nicht mehr so wie vorher. Zwei grosse Firmen sind weggezogen. Stammgäst:innen, die früher am Mittag da waren, kommen jetzt halt abends vorbei. Eigentlich rentiere sich der Mittagsservice nicht mehr – doch bis dato ist der Eisenhof jeden Mittag ausser montags, samstags und sonntags geöffnet. Ihre Stimmung verbessert sich merklich, als sie auf die treuen Stammgäst:innen zu sprechen kommt. Da ist zum Beispiel die 91-jährige Frau, die viermal im Jahr für ein Pferdefilet vom heissen Stein anreist. Auch schön, findet sie die Entwicklung, dass Junge vermehrt eine gute Flasche Wein bestellen anstatt «nur eine Stange».
Bleibt zu hoffen, dass sich der Eisenhof zwischen all den Restaurants, die links und rechts im Quartier aus dem Boden schiessen, auch weiterhin behaupten kann. Mit dem leckeren vegetarischen Cordon bleu hat Wirtin Kuhn jedenfalls den Grundstein gesetzt, dass auch Vegis auf ihre Kosten kommen.
12 Kreise, 12 Beizen |
Im Jahr 2022 reist Tsüri.ch Monat für Monat in einen anderen Kreis und setzt sich einen Abend lang in die dortige Quartierbeiz. Die kulinarische Reise beginnt im Januar im Kreis 1 und endet im Dezember in Schwamendingen im Kreis 12. Hinweise für die Beiz, die wir in deinem Quartier besuchen sollen, kannst du hierhin schicken. 1. Tsüri.ch versucht die Balkenprobe in der Oepfelchammer 3. Radio 24 und Röschti im Bahnhöfli Wiedikon |