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Von Seraina Manser

Community-Verantwortliche

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26. Januar 2022 um 21:40

Aktualisiert 27.01.2022

12 Kreise, 12 Beizen: Tsüri.ch versucht die Balkenprobe in der Oepfelchammer

«12 Kreise, 12 Beizen», heisst die neue Gastroreihe von Tsüri.ch. Jeden Monat besucht das Stadtmagazin eine Quartierbeiz in einem anderen Kreis. Den Auftakt macht die Oepfelchammer im Kreis 1, wo sich schon Gottfried Keller betrunken haben soll und wir die legendäre Balkenprobe versuchen.

Die Namen all jener, die die Balkenprobe geschafft haben. (Foto: Elio Donauer)

«Wo schon Gottfried Keller gerne einkehrte, werden auch Sie sich wohlfühlen», so wird auf der eigenen Webseite die Oepfelchammer angepriesen. Glaubt man der Legende, so habe sich Schriftsteller Gottfried Keller einst in der Oepfelchammer die Birne so fest gefüllt, dass er am nächsten Tag seinen Amtsantritt als Stadtschreiber verschlief. Das Restaurant Oepfelchammer ist somit ein würdiger Ort, um unsere Reihe «12 Kreise, 12 Beizen» zu starten. Jeden Monat setzen wir uns in die Quartierbeiz eines anderen Kreises und reden mit dem:der Wirt:in.

«Das ist eine Weinstube, es gibt kein Bier»

Die Oepfelchammer ist laut eigenen Aussagen Zürichs älteste Weinstube. Meine Begleitung hat in eben diesem Raum schon mal einen feuchtfröhlichen Abend mit Mitstudierenden verbracht. Wer will, kann eine Gitarre verlangen und ein Lied anstimmen, in das die anderen Gäste hoffentlich einstimmen. Die Oepfelchammer gibt es bereits seit 1801. Sie befindet sich im ersten Stock eines typischen Niederdörfli-Hauses am Rindermarkt. Die Weinstube ist komplett aus Holz, in der einen Ecke steht ein Kachelofen und in den Tischen und Balken sind unzählige Namen eingeritzt. Wer hier ein Bier bestellen will, bekommt die Antwort: «Das ist eine Weinstube, es gibt kein Bier.» 

Gastgeber Thomas Trautweiler in der Oepfelchammer. (Foto: Elio Donauer)

An diesen Traditionen will Geschäftsführer Thomas Trautweiler festhalten. Zusammen mit zwei Kollegen hat er das Restaurant im Februar 2019 übernommen. Bendicht Stuber und Chris Gretener kannten die Besitzer:innen des Hauses und als diese eine:n Nachfolger:in für die Pacht des Restaurants suchten, sprangen die drei Zünfter in die Bresche. «Wir haben die Oepfelchammer entstaubt und dabei das Kulturgut beibehalten», erklärt Thomas. Das erste Jahr sei gut angelaufen. Das zweite und dritte Geschäftsjahr hätten sie sich aber anders vorgestellt; wegen der Corona-Zwangsschliessung plagten sie zwischenzeitlich Existenzängste, aber sie blieben kreativ und stellten beispielsweise einen Oepfelgrill auf die Gasse.

Nichts für Veganer:innen

An diesem Dienstagabend ist es leer und ruhig. Am langen Beizentisch neben uns sitzt ein italienisches Paar, eine holländische Männergruppe hat sich am Stammtisch niedergelassen. Die Gäste teilt der Gastgeber Trautweiler über das Jahr hinweg gesehen in 60 Prozent Einheimische und 40 Prozent Tourist:innen ein. Früher sei die Oepfelchammer ein «massiver Hotspot» für Reisende aus Süd- und Nordamerika gewesen.

Als sie die Gaststube übernommen haben, hätten sie vor allem innerhalb der Zünfte über die Buschtrommel für das Lokal Werbung gemacht. «Wir arbeiten daran, dass uns wieder mehr Zürcher:innen regelmässig besuchen, denn dies ist nachhaltiger», analysiert er. Früher ging er – wie so viele – in das Niederdörfli in den Ausgang, in der Oepfelchammer war er schon in «jungen Jahren». Gerade in den letzten Jahren habe das Dörfli wieder Aufschwung erhalten, schätzt er die Lage ein. 

Der Randen-Risotto mit Kräuterseitlingen und Belperknolle. (Foto: Elio Donauer)

Das Menu der Oepfelchammer besteht zu einem grossen Teil aus regionalen Zutaten. Von den vier Hauptspeisen ist gerade mal eine vegetarisch. «Wir haben nichts gegen vegane Restaurants, es soll in der Oepfelchammer aber altertümlich bleiben», so der Gastgeber. Wer Fleisch isst, bestellt hier wohl den Zürcher Evergreen: Züri Gschnätzlets mit einem extra Nierli für drei Franken obendrauf. Bevor der Randen-Risotto mit Kräuterseitlingen und Belperknolle serviert wird, wagen wir uns an die Aufgabe, weswegen wir in der Oepfelchammer sind: Die Balkenprobe.

Nur zehn Prozent schaffen die Balkenprobe

Wer es schafft, sich über einen Balken auf ca. zwei Meter Höhe zu schwingen und dann über einen zweiten Balken zu robben, darf kopfüber baumelnd ein Glas Wein trinken. Und nach bestandener Balkenprobe seinen:ihren Namen in den Tisch oder die Holzwand ritzen. Frauen starten die Probe vom Bänklein aus. Ich scheitere. Mit beiden Techniken: Entweder hochstemmen oder zuerst das Bein drüber schwingen. Die Decke ist immer zu nahe und verunmöglicht ein Durchkriechen. Nach den drei erlaubten Versuchen muss ich kapitulieren. Der Kellner jedenfalls behauptet, er könne es und weiter: «Etwa zehn Prozent der Gäste, die es probieren, schaffen es auch.»

Nenn mir ein Zürcher Lokal, in welchem man über den Tischen rumturnen darf, während Leute speisen? An einem Freitagabend, wenn das Lokal gut gefüllt ist, probiere alle zehn Minuten jemand die Balkenprobe, so Trautweiler. Wir hingegen ernten nur verwunderte Blicke der Tourist:innengruppen. Der Risotto schmeckt hervorragend. Die Höngger Öpfelchüechli auch. So richtig Quartierbeiz-Stimmung kommt nicht auf. Wir müssen wohl an einem Freitagabend mit einer neuen Balkentechnik wiederkommen. Seit die Oepfelchammer in neuem Besitz ist, hat sich zum Glück noch niemand bei der Balkenprobe verletzt: Eine junge Frau habe sich einmal ein bisschen zu euphorisch über den Balken geschwungen und ist runtergestürzt. Den Krankenwagen musste der Gastgeber glücklicherweise nicht in's Dörfli rufen. 

Es sieht zwar vielversprechend aus, aber aus der Balkenprobe wurde nichts. (Foto: Elio Donauer)

12 Kreise, 12 Beizen

Im Jahr 2022 reist Tsüri.ch Monat für Monat in einen anderen Kreis und setzt sich einen Abend lang in die dortige Quartierbeiz. Die kulinarische Reise beginnt im Januar im Kreis 1 und endet im Dezember in Schwamendingen im Kreis 12. Nebst einer Gastrokritik à la Tsüri.ch, wird für den Beitrag immer auch mit dem oder der Wirt:in geplaudert. Hinweise für die Beiz, die wir in deinem Quartier besuchen sollen, kannst du hierhin schicken.

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