Teilnahme an unbewilligten Demos vielleicht bald ohne Busse
Wer in Zürich an einer unbewilligten Demonstration teilnimmt, riskiert eine Busse durch die Polizei. Bei der gestrigen Gemeinderatsdebatte deutete sich jedoch an, dass eine Mehrheit für deren Abschaffung ist.
Erste Arbeitstage können herausfordernd sein. Da war es ein glücklicher Umstand, dass Christian Huser (FDP) bei seinem ersten richtigen Einsatz auf dem Präsidiumsstuhl mit der Verdankung eines Parteikollegen beginnen konnte. Ein erstes Aufwärmen mit freundlichen Worten und einem Geschenk (Opernhaus-Gutschein) für den abtretenden Hans Dellenbach.
Eine knappe Stunde später war die Schonfrist vorüber, als während der Debatte über die städtischen Velostationen kurzzeitig Unruhe im Parlament entstand.
Michael Schmid (AL) kritisierte den Debattenverlauf des Geschäfts als unübersichtlich und fand Unterstützung bei Sven Sobernheim (GLP). Doch Huser schlug sich durch, eine Abstimmung wurde wiederholt und die Diskussion rund um verschiedenste Änderungsvorschläge fortgesetzt.
Das Resultat sollte die Velofahrer:innen freuen: Bleiben die Mehrheiten bestehen, wird ein Einzeleintritt in die städtische Velostation einen Franken, das Jahresabo 50 Franken kosten. Darüber, dass der neue Gemeinderatspräsident Huser die Sitzung sogar zwei Minuten vor (!) dem angekündigten Sitzungsende schloss, dürften sich auch die Ratsmitglieder nicht beklagt haben.
Feuertaufe überstanden.
Teilnahme an unbewilligten Demos vielleicht bald ohne Busse
Gestern wurde im Gemeinderat diskutiert, ob Teilnehmer:innen von unbewilligten Demonstrationen künftig nicht mehr gebüsst werden. Und obwohl die gestrige Sitzung ohne Abstimmung blieb, bot die Debatte erste Anzeichen, dass das Anliegen einst eine Mehrheit finden könnte.
Eine Motion von AL und Grünen aus dem Jahr 2023 wurde gestern formell abgeschrieben, die eben diesen Bussenverzicht forderte. In der damit zusammenhängenden Debatte über die Teilrevision der allgemeinen Polizeiverordnung sprachen sich Stimmen aus AL, SP und Grüne (und damit der Mehrheit des Parlaments) für das Anliegen aus. Motionär Moritz Bögli (AL) meinte, Grundrechte gehörten nicht gestraft und sollten möglichst ungehindert ausgeübt werden können.
Dagegen hielten die Bürgerlichen. Andreas Egli (FDP) erwiderte, ein Erhalt der Bussen würden nicht die Versammlungs- und Meinungsfreiheit einschränken. Stattdessen gehe es um ein Abwägen der Interessen der anderen Personen im öffentlichen Raum.
Unabhängig von einem Bussenverzicht wäre das Nicht-Einholen einer Bewilligung oder Nicht-Einhalten von polizeilichen Anordnungen weiterhin strafbar.
Das Geschäft ist in der Redaktionskommission, die Abstimmung folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Fussballclubs müssen nicht für Fan-Sprayereien aufkommen
Ausschreitungen und Auffälligkeiten von Fussballfans sorgen regelmässig für Diskussionen. Doch als es vor einem Monat den Lindenhof traf, war das für viele eine Provokation zu viel.
12`000 Franken kostete die Entfernung des Graffito mit dem FCZ-Schriftzug an der denkmalgeschützten Mauer.
In einem Postulat verlangten Flurin Capaul (FDP), Marita Verbali (FDP) und Sebastian Vogel (FDP), dass die Kosten, die durch illegale Sprayereien und Sachbeschädigungen entstehen, «konsequent verursachergerecht eingefordert» und Fussballklubs stärker in die Verantwortung genommen werden können.
«Einfach weiter zuschauen, das geht nicht.»
Flurin Capaul (FDP) zum Postulat zu Sachbeschädigungen durch Fussballfans
Die Stadt treffe bereits verschiedene Massnahmen, unterstütze beispielsweise die Fansozialarbeit, sagte Motionär Flurin Capaul (FDP). Weil sich trotzdem nichts ändere, sei es jetzt Zeit, die Clubs härter in die Pflicht zu nehmen. Als Möglichkeit brachte er die Erhöhung der Stadionsmiete ins Spiel. Es müsse sich jetzt endlich etwas ändern, forderte Capaul und fand: «einfach weiter zuschauen, das geht nicht.»
Doch obwohl derartige Fanausschreitungen in sämtlichen Voten verurteilt wurden, fand die Motion gestern Abend keine Mehrheit. Mit 73 Nein-Stimmen (auch von der GLP) und 44 Ja-Stimmen wurden sie abgelehnt.
«Ich kann das Anliegen des Postulats nachvollziehen.»
Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne)
Zwar hielt auch die zuständige Sicherheitsdirektorin Karin Rykart (Grüne) fest: «Ich kann das Anliegen des Postulats nachvollziehen.» Rykart versprach, dass sie die Vorkommnisse beim nächsten Runden Tisch mit den Fussballclubs diskutieren würde. Trotzdem lehne der Stadtrat das Postulat ab, da dieses zwei strafrechtliche Bereiche vermische.
Auch die linke Parlamentsseite kritisierte die mangelnde rechtliche Grundlage und den Ansatz der Kollektivstrafe.
Sophie Blaser (AL) meinte, man könne nicht jemanden (in diesem Falle die Fussballclubs) finanziell für etwas belangen, was andere gemacht hätten. Wenn jemand «Tukan jetzt» auf eine Mauer spraye, würde sie auch nicht Flurin Capaul die Reinigungsrechnung schicken, sagte sie (in Anlehnung an dessen Vorstoss, der einen Tukan für die Stadtgärtnerei forderte).
«Wenn es um konkrete Massnahmen geht, sagen sie «njet», das machen wir nicht, und das Spiel geht weiter.»
Andreas Egli, FDP-Gemeinderat zu den von der FDP skizzierten Massnahmen gegen Fan-Ausschreitungen
Andreas Egli (FDP) bezeichnete die Gründe des Stadtrats zur Ablehnung als «an den Haaren herbeigezogen» und «enttäuschend». Es sei nicht die erste Gemeinderatssitzung, an der das Problem diskutiert werde, beim Beschluss konkreter Massnahmen dann aber ein «Nein» falle. «Wenn es um konkrete Massnahmen geht, sagen sie «njet», das machen wir nicht, und das Spiel geht weiter», klagte Egli.
In der endlosen Debatte über Fan-Gewalt und die korrekten Sanktionsmöglichkeiten kam aus der rechten Ratsecke ein erstaunlich konstruktiver Ansatz.
Johann Widmer (SVP) schlug vor, gemeinsam mit den Verantwortlichen der Fußballclubs durch die Quartiere zu ziehen, um «Fan-Chläber» von den öffentlichen Plätzen zu entfernen und damit ein Zeichen an die Fans zu setzen.
Während der Debatte hatten sich andere Gemeinderatsmitglieder spontan dem Projekt angeschlossen. Ob dieser Ausflug denn auch angegangen wird, blieb am gestrigen Abend noch offen.
Weitere Themen im Gemeinderat
15 Millionen für neue Abwasserreinigungsanlage: Stadträtin Simone Brander (SP) hat nachgezählt: Ganze 16 Mal kommt das Wort «Schlamm» in der Weisung vor, die 15 Millionen für einen Ausbau der Abwasserreinigungsanlage Werdhölzli beantragte. Schlussendlich war das Ziel der Vorlage aber, mit dem Bevölkerungswachstum mitzukommen und auch in Zukunft die hohe Wasserqualität der Limmat einzuhalten. Das fanden alle eine «gute Sache» (Markus Merki (GLP)) und so wurde die Weisung einstimmig angenommen. Einsatz von Sozialarbeitenden bei Opfern häuslicher Gewalt: Der Stadtrat soll überprüfen, inwiefern Opfer häuslicher Gewalt künftig Sozialarbeiter:innen zur Unterstützung hinzuziehen können. Ein entsprechendes Postulat von Anna Graff (SP), Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) und Sophie Blaser (AL) fand gestern Abend eine Mehrheit im Parlament. Nach der Eindämmung akuter physischer Gewalt sollen demnach nicht nur Polizist:innen, sondern auch spezialisierte Sozialarbeiter:innen zur Unterstützung hinzugezogen werden. Umbau der Haltestelle Lindenhof zieht sich hin: Es ist bereits die zweite Fristerstreckung, die der Gemeinderat dem Stadtrat zur Umgestaltung der Tramhaltestelle «Lindenplatz» erteilt hat. Derzeit warte die Stadt noch auf eine Zusage des Bundesamt für Verkehr zur Plangenehmigung der Haltestelle, sagte die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP). Dieser Entscheid sei «auch noch nicht die Lösung des gordischen Knotens», aber ein wichtiger Schritt, damit zumindest die behindertengerechte Neugestaltung bald starten könne. Synthetisches Eis im Heuried: Trotz breiter Abstützung durch SP-, FDP-, SVP- und Die Mitte/EVP-Fraktionen, fand die kürzlich eingereichte Motion zum Verzicht auf synthetisches Eis im Sportzentrum Heuried nicht den einfachen Weg zum Stadtrat. Eine Ablehnungsantrag der GLP sorgte dafür, dass das Postulat, welches den Verzicht auf künstliches Eis bei der geplanten städtischen Eissportinfrastruktur will, nun besprochen wird.
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Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft an den Universitäten Freiburg (CH) und Basel. Sie machte ein Praktikum beim SRF Kassensturz und begann während dem Studium als Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin untersuchte sie Innovationen im Lokaljournalismus in einem SNF-Forschungsprojekt, wechselte dann von der Forschung in die Praxis und ist seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 schreibt Nina als Redaktorin für Tsüri.ch.