Warum wir «smarte» Quartiervereine brauchen
Die Stadt Zürich ist dabei, sich eine Smart-City-Strategie zu verpassen. Neben mehr Lebensqualität und einem schonenden Ressourcenverbrauch müssen auch zusätzliche Beteiligungsmöglichkeiten das Ziel sein. Dazu beitragen könnten die Quartiervereine, wenn sie ihre Arbeit mit digitalen Plattformen ergänzen. Ein Gastbeitrag von Maximilian Stern.
Gastautor: Maximilian Stern
Zürich soll eine smarte Stadt werden. Sie soll also einerseits neue Technologien und Methoden so einsetzen, dass die Lebensqualität der Bürger*innen gesteigert werden kann. Zum Beispiel kann mittels vernetzter Sensoren die Umweltbelastung jederzeit gemessen und dann entsprechend gehandelt werden. Andererseits soll dank Effizienzsteigerungen der Ressourcenverbrauch der Stadt und ihrer Bewohner*innen sinken. So können beispielsweise Strassenlaternen so aufgerüstet werden, dass sie nur heller werden, wenn Menschen vor Ort sind – so wird Strom gespart. Eine schlaue Stadt ist aber auch eine, die nicht nur für die Menschen arbeitet, sondern vor allem mit ihnen.
Die Stadt Zürich ist eine demokratische Stadt, ihre Regierung und ihr Parlament wird durch Bürger*innen gewählt und diese Regierung und dieses Parlament setzen sich wiederum aus Bürger*innen zusammen. Mittels Initiativen und Referenden können die Bürger*innen sogar jederzeit direkt ins politische Geschehen eingreifen. Diese demokratischen Errungenschaften können nicht genug wertgeschätzt werden. Das Konzept der Smart City beinhaltet aber den Auftrag, das demokratische Mitwirken weiter auszubauen. Dank neuer Technologien und Methoden kann nämlich in Zukunft viel enger mit den Einwohner*innen zusammengearbeitet werden, um zu definieren, wie sich die Stadt entwickeln soll.
Verschiedene europäische Städte machen damit gute Erfahrungen. So hat Madrid bereits 2015 mit seiner Plattform «Decide Madrid» einen virtuellen Ort geschaffen, an dem neue Vorschläge für lokale Gesetze gemacht werden können. Diese Vorschläge werden auf der Plattform debattiert und wenn sie genügend Unterstützung erhalten, wird darüber abgestimmt. Ausserdem können die Benutzer*innen der Plattform jährlich über die Aufteilung von 60 Millionen Euro aus dem städtischen Budget entscheiden.
Plattformen wie «Decide Madrid» sind ein niederschwelliger Zugang zum politischen System. Sie können eine neue Dynamik in das politische System bringen oder neue Menschen zur Beteiligung ermuntern. Aber sie sind eine Ergänzung und nicht ein Ersatz für die bestehenden politischen Rechte. Die Stadt Zürich kennt bereits ausgeprägte Volksrechte und die Stimmbürger*innen können zu vielen Sachfragen Stellung beziehen. Will Zürich smarter werden, reicht es daher nicht, eine Plattform wie «Decide Madrid» zur Verfügung zu stellen. Vielmehr muss sie sich überlegen, wo solche Plattformen besonders viel Wirkung haben könnten.
Solche Orte könnten in Zürich die Stadtkreise sein. Denn im Unterschied etwa zu Wien hat Zürich nicht in jedem Quartier ein Parlament, sondern nur ein zentrales Organ: den Gemeinderat. Digitale Plattformen würden es den Bewohner*innen der Stadt ermöglichen, sich verstärkt im eigenen Quartier einzubringen. Geht es beispielsweise um neue Verkehrsführung, soziale und kulturelle Einrichtungen oder Strassenmärkte, sind die Quartiere wichtige politische Räume. Entscheide auf dieser Ebene hätten womöglich sogar eine höhere Legitimation als Beschlüsse auf gesamtstädtischer Ebene, weil sie näher an den Betroffenen gefällt werden. Ein entsprechendes Postulat, welches mehr Mitwirkungsmöglichkeiten in den Stadtkreisen fordert, wurde Anfangs Juli dem Stadtrat überwiesen.
Heute wird ein Teil dieser Aufgabe von den Quartiervereinen übernommen. Sie sind Identifikationspunkte der Stadtviertel und vor allem Know-How-Träger. Die Quartiervereine wissen, ob ein Altersheim Kapazitäten ausbauen möchte oder ob im Quartier eine Bäckerei fehlt. Neue digitale Plattformen können die Quartiervereine nicht ersetzen, denn der Austausch zwischen Bewohner*innen muss weiterhin auch analog funktionieren. Aber sie könnten gerade hier eine wertvolle Ergänzung bieten. Quartiervereine könnten digitale Plattformen betreiben, auf denen sie die Bewohner*innen beispielsweise fragen, was für ein Geschäft ins leerstehende Ladenlokal einziehen oder wo ein Veloweg durchführen soll. So können sie ihre wertvolle Scharnierfunktion zwischen Behörden, Gewerbe und Quartierbewohner*innen in Zukunft ausbauen. Schaffen die Quartiervereine die Transformation ins digitale Zeitalter und wären dann «smart», würden sie dazu beitragen, dass Zürich eine echte Smart City wird.
<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Maximilian Stern </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Maximilian Stern ist Co-Autor des Buches <a href="http://www.nzz-libro.ch/agenda-fuer-eine-digitale-demokratie-chancen-gefahren-szenarien-partiziaption-evoting-politik.html">«Agenda für eine Digitale Demokratie»</a>, welches im NZZ Libro Verlag erschienen ist. Ausserdem ist er Vizepräsident des <a href="https://www.staatslabor.ch/en">staatslabor</a> und Verwaltungsratsmitglied von Tsüri.ch. Zuguterletzt ist er auch Mitglied des Quartiervereins Wiedikon. </div>
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Titelbild: Jos Schmid
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