Stau auf Veloroute: Stadt Zürich hat Ideen gegen Autos, doch traut sich nicht

Die Stadt Zürich weiss, wie sie die Velovorzugsroute vom motorisierten Verkehr befreien könnte – setzt die eigenen Konzepte aber nicht um. So wird es schwierig mit der Velostadt. Ein Kommentar.

Velovorzugsroute Altstetten Stau
Stau auf der Velovorzugsroute: Für Velofahrende gibt es kein Durchkommen. (Bild: Simon Jacoby)

Während den Stosszeiten gibt es zwischen dem Stadion Letzigrund und der Hardstrasse für Velofahrende kaum ein Durchkommen.

Auf der betroffenen Bullingerstrasse verkehren so viele Lastwagen und Autos, dass Velofahrende sich entweder in den Stau einreihen oder das Trottoir benutzen – was wiederum die Fussgänger:innen nervt.

Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde hier die erste Zürcher Velovorzugsroute (VVR) eröffnet. Das Projekt sollte ein Meilenstein für den städtischen Veloverkehr werden. Doch schon damals hagelte es Kritik von Politiker:innen und Expert:innen. Denn gemäss Volksinitiative müssen die geforderten 50 Kilometer Velorouten vom Autoverkehr befreit sein. 

Schon bei der Eröffnung wurde deutlich: Der Auftrag des Stimmvolks bleibt unerfüllt. Die Stadt versuchte zu beschwichtigen: Man beobachte, messe den Verkehr und ergreife Massnahmen. Die Strecke sei noch nicht fertig und brauche noch weitere bauliche Veränderungen. 

Doch die Realität auf der Strasse sieht anders aus. Ein Jahr nach der Einweihung bestätigen erste Messungen: Velofahrende sind zwar theoretisch bevorzugt, in Realität aber bleibt ihnen gerade während der Pendlerzeiten auf der Strasse kaum Platz.

Auf Anfrage erklärt die Dienstabteilung Verkehr, welche zum Sicherheitsdepartement gehört, dass die vielen Autos und Lastwagen auf der Bullingerstrasse sich als eine «Knacknuss» erweisen. Ursprünglich sollte der Abschnitt vom Durchgangsverkehr befreit werden, dafür sei im Jahr 2024 eigens ein Konzept erarbeitet worden. Auf dessen Umsetzung wurde aber verzichtet. 

Die Begründung: «Die Fachpersonen befürchteten, dass der zusätzliche Verkehr auf den bereits überlasteten Albisriederplatz ausweicht und dort beim öffentlichen Verkehr zu Zeitverlusten führt.»

Mit anderen Worten: Die Stadt hat zwar konkrete Ideen, wie die Velovorzugsroute gemäss Volksinitiative vom Verkehr befreit werden könnte, doch sie verzichtet auf deren Umsetzung. 

Weil auf der einen Strasse bereits zu viel motorisierter Individualverkehr unterwegs ist, nimmt die Stadt also bewusst eine Überlastung der Veloroute in Kauf. 

Das Resultat ist Stau auf beiden Strassen, statt freie Fahrt für Velos auf einer und konzentrierter Verkehr auf der anderen. Die Dienstabteilung Verkehr kündigt zwar weitere Massnahmen an, kann dazu aber keine Details kommunizieren. 

Gleichzeitig feiert die Stadt diese Woche die Eröffnung des Velotunnels unter dem Hauptbahnhof als «Meilenstein der Veloförderung». Auch die zuständigen Stadträtinnen betonen, dass der Ausbau des Veloroutennetzes zu langsam voranschreite.

Derweil verhindern Rekurse und Einsprachen den Ausbau des Veloroutennetzes zusätzlich. Daneben steht sich die Stadt selbst im Weg, wenn sie trotz konkreter Ideen den Volksauftrag nicht umsetzt. So wird das nichts mit der Velostadt Zürich.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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Kommentare

Lukas R
27. Mai 2025 um 19:22

Verkehrskonzept an der Bullingerstrasse

Wie an so vielen Orten ist das Verkehrskonzept der Stadt für Velofahrende absolut nicht überzeugend. Und an der Bullingerstrasse erst recht nicht. So gibt es auf beiden Seiten so breite Trottoirs, dass man problemlos mit Fünflingkinderwägen kreuzen könnte und zwischen den Fahrstreifen gibt es nochmals einen Leerraum. Hätte man die Trottoirs minim schmaler gemacht und den Motorverkehr in die Mitte geschoben, hätte es wunderbar Platz für zwei anständige Velostreifen. Aber vermutlich wären dann die Fussgängerinseln nicht mehr machbar gewesen und die Velostreifen hätten vor den Inseln aufhören und und nachher weitergeführt werden müssen – so wie auf der Hardstrasse und an vielen andern Orten. Was absolut lebensgefährlich ist für Velofahrende. Anstatt den Velostreifen durchzuziehen und den Velos den Vortritt zu geben, ist die Situation völlig unklar...

Remo Peter
27. Mai 2025 um 20:04

Es würde doch genügen, das "Niemandsland" in der Strassenmitte aufzuheben und beidseltig am Rand einen breiten Veloweg ROT zu markieren. Der schmale. bleichgrüne Streifen wird von den KFZ-Führern nicht beachtet. Best of both worlds...

28. Mai 2025 um 05:09

Die Stadt geht die Umsetzung der VVR zu zögerlich und mutlos an. Als Laie kann ich mir kaum vorstellen, dass der ÖV rund um den Albisriederplatz mit Begleitmassnahmen zuverlässig fahren kann – auch wenn Experten das Gegenteil „befürchten“. Ein anderes Beispiel ist die VVR an der Scheuchzerstrasse. Bei einer Infoveranstaltung im März 2023 wurde aus dem Publikum gefragt, warum es dort kein Fahrverbot mit Ausnahmen für Anwohner und städtische Dienste gibt. Die ernüchternde Antwort: Man wolle Schritt für Schritt vorgehen und zuerst analysieren… So kommt man nicht weiter. Der MIV muss spüren, dass es durch die VVR keinen Weg mehr gibt. Gerade an der Scheuchzerstrasse hätte nun die Stadt mit dem Quartierblock die Chance, konsequenter zu handeln. Ein Fahrverbot allein reicht wohl nicht – siehe Stüssistrasse (zwischen Irchel- und Milchbuckstrasse), wo trotz Verbot Schleichverkehr entsteht. Lösung: Barrieren mit Badge-Zugang für Anwohner und städtische Fahrzeuge.

Charming
10. Juni 2025 um 16:15

Schall und Rauch

...Taten braucht es auch, bleiben diese aus, tanzt die Maus! MIV= Mäuse im Verbot! So könnte man den täglichen Irrsinn betiteln, welcher vom DAV einfach hingenommen und mittels Ausreden ad absurdum geführt wird! Es ist längst erwiesen, dass Farbe nichts nützt! Und wenn die vielen Polizei-Patrouillen sogar untätig daran vorbeifahren wird`s absurd peinlich! Würde man nur schon die VVR auf erhöhten Trasses führen und/oder automatische Kontroll-Kameras montieren, ergäbe dies sogar gute Steuer-Einnahmen von den Unverbesserlichen - Langstrasse lässt grüssen! Alles andere bedient meinen Betreff-Titel!