Stau auf Veloroute: Stadt Zürich hat Ideen gegen Autos, doch traut sich nicht
Die Stadt Zürich weiss, wie sie die Velovorzugsroute vom motorisierten Verkehr befreien könnte – setzt die eigenen Konzepte aber nicht um. So wird es schwierig mit der Velostadt. Ein Kommentar.
Während den Stosszeiten gibt es zwischen dem Stadion Letzigrund und der Hardstrasse für Velofahrende kaum ein Durchkommen.
Auf der betroffenen Bullingerstrasse verkehren so viele Lastwagen und Autos, dass Velofahrende sich entweder in den Stau einreihen oder das Trottoir benutzen – was wiederum die Fussgänger:innen nervt.
Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde hier die erste Zürcher Velovorzugsroute (VVR) eröffnet. Das Projekt sollte ein Meilenstein für den städtischen Veloverkehr werden. Doch schon damals hagelte es Kritik von Politiker:innen und Expert:innen. Denn gemäss Volksinitiative müssen die geforderten 50 Kilometer Velorouten vom Autoverkehr befreit sein.
Schon bei der Eröffnung wurde deutlich: Der Auftrag des Stimmvolks bleibt unerfüllt. Dass. Die Stadt versuchte zu beschwichtigen: Man beobachte, messe den Verkehr und ergreife Massnahmen. Die Strecke sei noch nicht fertig und brauche noch weitere bauliche Veränderungen.
Doch die Realität auf der Strasse sieht anders aus. Ein Jahr nach der Einweihung bestätigen erste Messungen: Velofahrende sind zwar theoretisch bevorzugt, in Realität aber bleibt ihnen gerade während der Pendlerzeiten auf der Strasse kaum Platz.
Auf Anfrage erklärt die Dienstabteilung Verkehr, welche zum Sicherheitsdepartement gehört, dass die vielen Autos und Lastwagen auf der Bullingerstrasse sich als eine «Knacknuss» erweisen. Ursprünglich sollte der Abschnitt vom Durchgangsverkehr befreit werden, dafür sei im Jahr 2024 eigens ein Konzept erarbeitet worden. Auf dessen Umsetzung wurde aber verzichtet.
Die Begründung: «Die Fachpersonen befürchteten, dass der zusätzliche Verkehr auf den bereits überlasteten Albisriederplatz ausweicht und dort beim öffentlichen Verkehr zu Zeitverlusten führt.»
Mit anderen Worten: Die Stadt hat zwar konkrete Ideen, wie die Velovorzugsroute gemäss Volksinitiative vom Verkehr befreit werden könnte, doch sie verzichtet auf deren Umsetzung.
Weil auf der einen Strasse bereits zu viel motorisierter Individualverkehr unterwegs ist, nimmt die Stadt also bewusst eine Überlastung der Veloroute in Kauf.
Das Resultat ist Stau auf beiden Strassen, statt freie Fahrt für Velos auf einer und konzentrierter Verkehr auf der anderen. Die Dienstabteilung Verkehr kündigt zwar weitere Massnahmen an, kann dazu aber keine Details kommunizieren.
Gleichzeitig feiert die Stadt diese Woche die Eröffnung des Velotunnels unter dem Hauptbahnhof als «Meilenstein der Veloförderung». Auch die zuständigen Stadträtinnen betonen, dass der Ausbau des Veloroutennetzes zu langsam voranschreite.
Derweil verhindern Rekurse und Einsprachen den Ausbau des Veloroutennetzes zusätzlich. Daneben steht sich die Stadt selbst im Weg, wenn sie trotz konkreter Ideen den Volksauftrag nicht umsetzt. So wird das nichts mit der Velostadt Zürich.
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An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.