Gemeinderat der Woche: Stefan Reusser (EVP)

Stefan Reusser bekommt als Jugendarbeiter in Altstetten die Herausforderungen Jugendlicher hautnah mit. Er möchte für sie ein Sprachrohr im Parlament sein. Eine zentrale Rolle spielt dabei für ihn der christliche Glaube.

Stefan Reusser, Gemeinderat EVP
Ein lockerer Anfang: Stefan Reusser auf dem Präsidiumsfest des neuen Gemeinderatspräsidenten Guy Krayenbühl. (Bild: Steffen Kolberg)

Es kommt nicht häufig vor, dass in der kleinen Mitte-/EVP-Fraktion ein neues Gesicht auftaucht. Noch seltener passiert es, dass dieses Gesicht ein junges ist. Doch pünktlich zum Start des neuen Amtsjahres in dieser Woche nahm Stefan Reusser den Platz der langjährigen EVP-Parlamentarierin Claudia Rabelbauer im Gemeinderat ein.

Er habe etwas Bedenkzeit gebraucht, gesteht der 31-Jährige. Zudem habe er erst sein Amt als Abteilungsleiter beim Cevi Altstetten, einem christlichen Jugendverein, abgeben wollen. Wie schon für seine Vorgängerin spielt auch für Reusser der christliche Glaube eine zentrale Rolle. «Vor allem der Aspekt der Nächstenliebe ist mir wichtig», sagt er. «Das bedeuetet für mich, sich gegenseitig anzunehmen und einander vergeben zu können.»

Reusser möchte im Rat ein Sprachrohr für die Jugend sein, sagt er. Als Jugendarbeiter im GZ Loogarten in Altstetten bekomme er die Herausforderungen von Jugendlichen hautnah mit. «Die Jugendphase ist sehr herausfordernd», erläutert er: «Man muss seinen Platz in der Welt und unter den anderen Jugendlichen finden. Zudem erwartet die Gesellschaft immer mehr von der Jugend.»

In der Schule würden Anforderungen gestellt, denen die Jugendlichen nicht gerecht werden könnten. Gleichzeitig seien nicht genügend Ressourcen vorhanden, um den Jugendlichen gerecht zu werden. Das führe zu einer unbefriedigenden Situation für die Schüler:innen, die Lehrpersonen und die Eltern. Wenn Lehrpersonen kündigten, falle für die Jugendlichen oft eine Bezugsperson weg, so Reusser. «Das in der Jugendarbeit aufzufangen, ist sehr schwierig.»

Die Jugendarbeit in Altstetten sei mehr gefordert als andere Jugendarbeitsstellen. «Es gibt viele Familien, die in unteren sozioökonomischen Schichten leben. Dazu kommt, dass ich häufig eine Kultur der Gewaltbereitschaft in gewissen Familien wahrnehme.» Sorge bereitet Reusser auch die anhaltende Gentrifizierung im Kreis 9: «Viele Jugendliche werden aus dem Quartier geschwemmt und verlieren ihre Bezugsgruppen, die Familien verlieren ihr Umfeld.»

Reusser selbst ist ebenfalls in Altstetten aufgewacshen, direkt beim Letzigrund. Und auch heute lebt er noch im Quartier. Er machte ursprünglich eine Lehre als Automatiker bei den SBB. «Irgendwann habe ich gemerkt, das erfüllt mich nicht, etwas fehlt», erinnert er sich. Er machte eine Berufsmatura im sozialen Bereich und studierte soziale Arbeit. Das technische Handwerk finde er aber weiterhin interessant: «Und für Jugendliche ist es sehr spannend, wenn jemand mit ihnen arbeitet, der handwerkliche Fähigkeiten hat.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Seit ich Jugendarbeiter bin, ist es mir sehr wichtig, für die Jugend einzustehen. Aber nicht nur das: Ich möchte darüber hinaus auch die gesamte soziale Arbeit im Rat repräsentieren. Im Studium der sozialen Arbeit habe ich mir gesagt, eigentlich müsste man mehr politisieren. Als Claudia Rabelbauer zurücktreten wollte, habe ich mich daran zurückerinnert und fand, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Ich habe mir ein paar Profile angeschaut und fand unter anderem Liv Mahrer (SP) interessant. Sie ist in der Schul- und Sportkommission. Aufgrund meiner Arbeit kenne ich die Situation der Jugendlichen und die Lage der Schulen, aber die politische Seite, die der Kommission, habe ich noch nicht gesehen. Es wäre interessant, mal mit ihr darüber zu sprechen und ihre Meinung dazu einzuholen.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Nicht wahnsinnig geärgert, aber aufgeschreckt hat mich das Ergebnis der Abstimmung zum SBB-Areal an der Neugasse. Die Annahme der Initiative war auf der einen Seite ein Aufschrei der Bevölkerung, dass sie die Wohnungsnot nicht mehr erträgt. Auf der anderen Seite bringt die Initiative nicht, was sie versprochen hat, denn die SBB baut dort. Es entstehen keine Wohnungen und das Areal wird auch nicht an die Stadt zurück verkauft. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass die verschiedenen politischen Lager in verschiedene Richtungen ziehen, anstatt zu versuchen, gemeinsam das Problem der Wohnungsknappheit in den Griff zu bekommen. Es ist ein grosses Gegeneinander, und das ist sehr schade.

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