So denkt Züri über den Journalismus
Zu Beginn unseres Fokusmonats Journalismus haben wir die Tsüri Community nach ihren Gedanken zum Journalismus von heute befragt. Jetzt wissen wir welche Themen zu oft und welche zu wenig aufgegriffen werden, weshalb es Journalismus braucht und wie die Frage der Finanzierung geklärt werden soll.
Wer soll Journalismus finanzieren? Welche Themen sind wichtig und sollten mehr aufgegriffen werden? Welche sind zu präsent? Wie ist es mit der Repräsentation von Frauen im Journalismus? Wie mit der von Immigrant:innen? Diese und viele weitere Fragen haben wir der Tsüri Community gestellt. Ganze 165 Personen füllten unsere Umfrage zum Fokus Journalismus aus. Dabei fällt auf, dass fast 40 % der Teilnehmenden über 50 Jahre alt sind. Nur 14 Personen (8,4%) gaben an zwischen 19 und 24 zu sein. Etwas, das zwar die Umfrageergebnisse nicht weniger interessant macht, jedoch bei Fragen wie etwa der Finanzierung im Hinterkopf behalten werden sollte.
Fernseher, Radio oder doch lieber Zeitung?
Eine Stunde täglich oder mehr, soviel Zeit widmet die Tsüri Community journalistischen Inhalten. Nur etwa 15 % der Befragten gaben an, weniger als eine Stunde pro Tag oder noch weniger dafür aufzuwenden. Dabei werden die Medieninhalte gut verteilt über verschiedene Kanäle konsumiert, zuvorderst mit dabei stehen aber Online-Magazine und Zeitungen als auch Newsportale.
Zu viel des Guten
«Corona News», «Ukraine Konflikt» waren wohl mit Abstand die häufigste Antwort auf die Frage, welche Themen zu oft aufgegriffen werden. «Themen wie Corona und der aktuelle Ukrainekrieg sind wichtig, nehmen jedoch zu viel Platz ein, andere ‹Brennpunkte› werden vernachlässigt», meint eine der befragten Personen. Damit scheint sie nicht alleine zu sein – der grösste Teil der Befragten teilen diese Meinung. Weitere genannte Themen betreffen «die Gender-Schreibweise», «banaler Müll und Promi Geschichten», «Klimagaga» oder auch «Christoph und die anderen Blochers». Während eine befragte Person keine «Bad News» mehr hören kann, meint eine andere Person auf dieselbe Frage: «Nichts. ich kann ja wählen, was ich lese...»
«Mich stört kein spezifischer Bereich, aber wenn ein Begriff/Thema gerade trendet, springt jedes Medium darauf, obwohl es mir vollkommen reicht, einen bis zwei Artikel dazu zu lesen. Wenn dann das fünfte Medium auch noch einen Artikel dazu schaltet, lese ich das nicht mehr, obwohl ich das Thema grundsätzlich spannend finde. Mehr Mut zur Lücke wäre schön.»
Unterrepräsentiert?
Auf der anderen Seite finden die Tsüri Leser:innen, dass Themen wie «rassistische Ausgrenzungen», «Mentale Gesundheit» und «Perspektiven, welche nicht nur den Westen widerspiegeln», zu wenig aufgegriffen werden. Vor allem aber meint die Tsüri Community, dass es an Blickwinkeln,Hintergründen und kritischer Berichterstattung fehle. Ausserdem solle der aktuelle Status Quo öfters infrage gestellt werden, egal ob bei Verkehr, Klima, Sozial- oder Weltpolitik: «Es fehlt an direkten Stimmen von marginalisierten Gruppen in den Mainstream-Medien. Es wird über Menschen auf der Flucht, Sexarbeiter:innen, Gefängnisinsass:innen etc. gesprochen statt mit ihnen.»
«Es sind weniger fehlende Themen als fehlende Blickwinkel. Oft ist es eine privilegierte Sicht der gebildeten Schweizer:in, da fehlt noch so viel!»
Welche Themen interessieren?
Bei der Frage, welche Themen denn die Leser:innen bevorzugten war «Politik und Weltgeschehen» ganz vorne mit dabei. 96,4 % interessierten sich dafür. Dicht gefolgt von «Gesellschaft und Soziales» mit 89,1 % und Regionales mit 81,8 %. Zwischen 40 % und 70 % lagen die Themen «Kunst und Kultur», «Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ökologie» und «Wirtschaft und Finanzen» in absteigender Reihenfolge. Gerade mal 21,8 % der Befragten gaben an, sich für das Thema «Sport» in den Medien zu interessieren.
Migration und Integration als journalistisches Thema
Eines der Podien im Rahmen des Fokusmonats beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwiefern Journalismus bei der Integration eine Rolle spielt. Was bewirkt es, wenn mehr über Themen wie Migration und Integration berichtet wird? Welche Rolle spielt die Repräsentation dabei? Und wieso braucht es Communitymedien wie Baba News, die konkret von und über «Šhvicer*innen», wie sie es formulieren, mit Wurzeln überall berichten?
Unsere Community haben wir gefragt, wie sie die Berichterstattung zu Themen wie Migration und Integration wahrnehmen. Die Antwort fiel dabei ziemlich neutral aus.
Dass Journalismus für Migrant:innen eine integrative Funktion haben kann, dem stimmten jedoch fast alle zu.
Auch das allgegenwärtige Thema Klima geht beim Fokus Journalismus natürlich nicht vergessen. Wir fragen uns: Darf Journalismus, der über wichtige Themen wie das Klima berichtet, Druck auf Politik und Gesellschaft ausüben? Müssen Journalisten auch Klimaleugner:innen zu Wort kommen lassen?
Unsere Community haben wir gefragt, wie wichtig ihnen eine objektive Berichterstattung sei. Die Mehrheit tendierte dabei dazu, ausschliesslich Fakten zu präferieren.
Ohne Medien keine Demokratie...
...stand auf den Plakaten, die für eine Annahme des Mediengesetzes warben. Das Schweizer Stimmvolk sah das anders, als es die Vorlage im Februar ablehnte. Im Vergleich dazu stimmten die Teilnehmer:innen unserer Umfrage diesem Statement sehr viel mehr zu. Auf die Frage, ob Journalismus für eine funktionierende Gesellschaft und Demokratie wichtig sei, stimmten fast alle Befragten für «eher wichtig» oder «sehr wichtig». Nur 7 von 165 Personen waren anderer Meinung. Auf die Frage nach dem Warum, meinten diese:
«Demokratie erfordert Eigeninitiave nicht Konsum vorgefertigter Meinungen.»
«Es wird zu einseitig und verzerrt nach dem gegebenen westlich elitären Mainstream berichtet.»
Befürworter:innen meinten im Gegenzug:
«Gespräche im Freundeskreis sind immer von einer eigenen Wahrnehmung und Meinung verzerrt, es ist wichtig weil man so aus seiner gesellschaftlichen Bubble kommt und mit "neutraleren" Inputs eine Meinung bilden kann.»
«Wissen, Aufklärung, Einordnung, Grundlage für die vielen täglichen Entscheidungen und hierzulande speziell auch für politische Entscheide, bei Abstimmungen und Wahlen»
oder auch
«Ist selbsterklärend :)»
Trotz dieser eindeutigen kollektiven Meinung in Bezug auf die Wichtigkeit des Journalismus für Demokratie und Gesellschaft, kam bei unserer Befragung die «Stärkung der Demokratie» auf den letzten Platz der Aufgaben des Journalismus.
Und wer bezahlt?
Journalismus kostet, das ist klar. Doch wer bezahlt für qualitativen Journalismus und gute Recherchen, in einer Zeit, in der durch das Internet zahlreiche Informationen gratis abrufbar sind? Die Werbeeinnahmen brechen weg und jährlich sterben etwa fünf Zeitungen. Verlage reagieren darauf, indem sie Redaktionen zusammenlegen und Sparmassnahmen einführen, darunter leidet der Journalismus.
Wir haben unsere Community gefragt, wer für Journalismus bezahlen sollte, denn als Gesellschaft brauchen wir ihn weiterhin. Zur Auswahl standen dabei: Die Konsument:innen, die Werbetreibenden, der Staat (über Steuern), oder doch Spender:innen. Den ersten Platz machten dabei die Konsument:innen, gefolgt vom Staat auf dem zweiten Platz. Spender:innen und Werbetreibende wurden auf den vierten Platz gewählt. Zuletzt sollten «andere» für die Finanzierung aufkommen, wer das genau sein sollte, blieb dabei unklar.
Wie weiter mit dem Journalismus?
Das haben wir uns zu Beginn gefragt und dieser Frage wollen wir weiter nachgehen. Wenn du dich das auch fragst, dann besuche doch an die Pitch-Night oder eine der Podiumsveranstaltungen. Willst du auf dem Laufenden bleiben was unsere Recherche betrifft? Abonniere hier den Tsüri-Newsletter.
Alle Infos zum Fokusmonat Journalismus findest du hier: tsri.ch/journalismus
Fokus Journalismus |
Der Journalismus kriselt, wir reden darüber! Während des Monats April setzen wir uns intensiv mit dem Journalismus auseinander. Dabei beleuchten wir Themen wie Gleichstellung im Journalismus, die Rolle von Diversität im Journalismus bei der Integration (und inwiefern es sie überhaupt gibt) und die Grenzen zwischen Klimajournalismus und Aktivismus. Im Rahmen des Fokusmonats finden eine Pitch-Night sowie drei thematische Podiumsveranstaltungen statt. Alle Infos findest du auf tsri.ch/journalismus |