Serap Kahriman (GLP): «Die Stadt ist bereit für einen zweiten GLP-Sitz»

Vor zwei Jahren versuchte Serap Kahriman den Sprung in den Zürcher Stadtrat – und scheiterte. Mittlerweile mischt die GLP-Politikerin im Gemeinderat mit, doch die Arbeit der Regierung findet sie nach wie vor «interessant».

Serap Kahriman GLP-Gemeinderätin
Früher wählte sie die SP, heute politisiert Serap Kahriman für die GLP. (Bild: Kai Vogt)

Die GLP will einen zweiten Stadtratssitz, Serap Kahriman wäre eine mögliche Anwärterin: Bevor sie im Februar 2022 in den Gemeinderat gewählt wurde, kandidierte sie bereits für den Stadtratsposten. Kahriman trat für die Junge GLP an, ohne Unterstützung der Mutterpartei, und holte unerwartet über 20'000 Stimmen. Mehr als die beiden SVP-Kandidaten. 

2026 bietet sich eine zweite Chance: Neben Andreas Hauri will die Partei am liebsten eine junge Person im Stadtrat, wie sie Anfang November verkündete. Mit 34 Jahren würde Kahriman diesen Wunsch erfüllen können, sie sagt aber auch: «Ich finde die strategische Führung in einer Regierung extrem interessant. Doch ob ich erneut kandidiere, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.»

Ihr Alltag sei dafür momentan zu ausgefüllt – mit einer jungen Tochter, dem Job und der Politik. Doch sie findet es richtig, dass ihre Partei dieses Ziel anstrebt. «Ich glaube, die Stadt ist bereit für einen zweiten GLP-Sitz. Die Zeit ist reif», so Kahriman. 

«Die Verkehrswende braucht mehr als den Abbau von Parkplätzen und neue Velowege.»

Serap Kahriman (GLP)

Heute fühlt sie sich bei GLP zuhause, früher war sie aber eine «klassische SP-Wählerin». Kahriman wuchs im Toggenburg auf, einer SVP-Hochburg, in einem liberal-muslimischen Elternhaus. Durch ihren türkischen Hintergrund habe sie in der Kindheit und Jugend immer wieder Rassismus und Diskriminierung erlebt.

Eine einschneidende Erfahrung sei ihr erster Einbürgerungsversuch gewesen: Mit 13 Jahren wollte sie Schweizerin werden, doch der Schuldirektor stellte sich dagegen. Er kritisierte, dass sie sich «nicht wie es sich gehört» verhalte und noch keine Lehrstelle habe – obwohl sie dafür zu jung war. Erst ein Jahr später, mit einer Lehrstelle als Gärtnerin, klappte es mit dem roten Pass.

Diese Erfahrung prägt eines ihrer zentralen Anliegen: Kinder sollen einfacher eingebürgert werden können. «Es ist erstaunlich, dass unsere Gesellschaft kein Interesse daran zeigt, migrantische Kinder früh einzubinden, statt sie auszugrenzen.»

Im Gemeinderat setzt sie sich für viele Themen ein, unter anderem für den Schutz von Kindern in der digitalen Welt. Ein weiteres Anliegen ist die Einführung einer City-Maut, also einer Gebühr für Autos, die in die Stadt fahren. Ihre entsprechende Einzelinitiative wurde 2022 abgelehnt, doch Kahriman bleibt dran: «Solche Lösungen gibt es schon in Städten wie London oder Stockholm. Die Verkehrswende braucht mehr als den Abbau von Parkplätzen und neue Velowege.»

Als Leiterin der Koordinationsstelle für Umweltschutz beim Kanton Schaffhausen weiss sie, wie träge die politischen Prozesse sind. «Neue Lösungen brauchen manchmal Geduld», sagt sie.

Obwohl ihr der Umweltschutz am Herzen liegt, sympathisiert Kahriman nicht immer mit den Forderungen der Grünen. Diese Woche – Mitte November – diskutiert der Rat über die Zukunft seiner Heimat. Das Ratshaus an der Limmat wird saniert, weshalb das Stadtparlament in der Bullingerkirche tagt.

Nun wollen die Grünen die Kirche als fixen Ort für den Ratsbetrieb kaufen. Kahriman ist dagegen: «Das Ratshaus ist ein wunderschönes Gebäude und erinnert mich an das britische Unterhaus.» Es sei enger als die Bullingerkirche, dadurch würde man zusammenrücken müssen, sagt sie schmunzelnd. «Vielleicht erleichtert dies auch neue Kompromisse.»

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Es gibt viele Möglichkeiten, Veränderungen in unserer Gesellschaft voranzutreiben. Ein politisches Amt ist nur eine davon. Jede Person hat unterschiedliche Lebensrealitäten. Besonders Frauen mit Migrationsgeschichte sind jedoch kaum in politischen Institutionen vertreten.

Nach der Teilnahme an der historischen zweiten nationalen Frauensession 2022 war es daher ein logischer Schritt, ein politisches Amt anzustreben, um diese Vielfalt in den Institutionen – die für breite, zukunftsorientierte Lösungen wichtig ist – endlich sichtbar zu machen.

Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Bier trinken?

Fast überall bin ich Verfechterin des Prinzips: «More is more!» Deshalb bevorzuge ich nicht ein Bier mit einer Ratskollegin, sondern viele Biere mit vielen Ratskolleginnen. Ich verbringe gerne Zeit mit lebensbejahenden Menschen, die sich selber nicht so ernst nehmen, wie ich mich selber.

Falls sich einer meiner Ratskolleginnen angesprochen fühlt: meldet euch doch beim Ratssitzplatz Nummer 31. Ah ja, und die männlichen und alle dazwischen sind natürlich mitgemeint.

Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

Auf Stadtebene die Einführung der Tagesschule. Dies war ein notwendiger und längst überfälliger Schritt, um einer tatsächlichen Gleichstellung näherzukommen.

Und welches Ergebnis hat Sie am meisten geärgert? 

Meine Einzelinitiative für ein Pilotprojekt zur Internalisierung der externen Kosten des motorisierten Individualverkehrs durch eine City-Maut wurde abgelehnt. Aber solange wir in einer funktionierenden Demokratie leben, gibt es die Chance, diese Idee mehrheitsfähig zu machen – inshallah.

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