Sandra Gallizzi (EVP): «Wir arbeiten daran, unser Image zu verbessern»

Sie fand über die Kirchenpflege in die Politik, nun sitzt Sandra Gallizzi für die EVP im Gemeinderat. Über die Zukunft der kleinsten Partei im Rat macht sie sich grosse Sorgen.

Gallizzi foti
Jeden Montag begleitet sie eine demente Person aus der Nachbarschaft auf Spaziergängen: Sandra Gallizzi.

«Uns gibt es auch noch», schrieb die Gemeinderätin Sandra Gallizzi in einer Nachricht an die Redaktion von Tsüri.ch. Der Anlass: In einem Bericht über ein eingereichtes Postulat ging ihre Partei, die EVP, schlichtweg vergessen – lediglich die Mitte, mit der die EVP die Fraktion teilt, wurde erwähnt. Auf diesen Fauxpas folgte umgehend die Einladung zum Gespräch, welche Gallizzi annahm. 

«Die Medien kehren uns immer wieder unter den Teppich», sagt Sandra Gallizzi. Es seien jedoch nicht nur die Journalist:innen, welche die EVP, die aktuell im Gemeinderat mit drei Sitzen vertreten ist, aussen vor lassen. Auch Kolleg:innen aus dem Parlament wüssten zum Teil nicht, wer sie sei und welcher Partei sie angehöre. Erst kürzlich sei sie das von einer Ratskollegin gefragt worden, erzählt Gallizzi. Dabei muss bemerkt werden, dass Gallizzi erst seit einem Jahr Ratsmitglied ist. 2023 rückte sie für Peter Anderegg nach.

«Die Entwicklung der Wählerstärke der EVP ist bedauerlich, besonders in der Stadt. Auf dem Land sind wir noch wesentlich stärker vertreten», sagt Gallizzi. Viele junge Menschen hätten heute weniger Bezug zum Evangelium. Das mache sich auch in den Ortsgruppen bemerkbar, in denen es an Nachwuchs fehle. «Wir arbeiten aber daran, unser Image zu verbessern, ohne dabei unsere Werte zu verraten.» Eine Arbeitsgruppe des Kantonalvorstands beschäftige sich aktuell mit dieser Thematik.

«Unsere Stadt und Region versinkt immer mehr im Verkehr»

Sandra Gallizzi

Persönlich liegt Gallizzi der Umweltschutz und die Sozialhilfe sehr am Herzen. «Es geht mir um die Menschen und Tiere auf unserem Planeten – eben um die Schöpfung», sagt sie. Dies zeigt sich auch in ihrem privaten Engagement: Jeden Montag begleitet sie eine demente Person aus der Nachbarschaft auf Spaziergängen, und alle zwei Wochen übernimmt sie den Einkauf für eine weitere hilfsbedürftige Person. So sei sie zum Verein Nachbarschaftshilfe Seebach gekommen, in dessen Vorstand Gallizzi heute aktiv ist.

Neben ihrem Engagement im Verein und ihrem Beruf als diplomierte Fusspflegerin ist es vor allem die Politik, die ihren Alltag bestimmt. Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Gemeinderätin amtet sie als Parteipräsidentin für die Kreise 11 und 12 sowie Co-Präsidentin der EVP Stadt Zürich. Ausserdem ist sie Mitglied der Geschäftsleitung der EVP Kanton Zürich. Auf die Frage nach ihren zentralen politischen Themen antwortet Gallizzi, dass sie grundsätzlich «alles interessiere», betont jedoch auf Nachfrage die Themen Verkehr und Sicherheit. Sie ist Mitglied der Sachkommission Sicherheitsdepartement und Verkehr.

«Unsere Stadt und Region versinkt immer mehr im Verkehr», kritisiert sie. Eine mögliche Lösung sieht sie in der Förderung von Fahrgemeinschaften. Gemeinsam mit Reto Brüesch (SVP) reichte sie Ende Mai ein Postulat ein, das den Stadtrat auffordert, zu prüfen, ob auf der Hardbrücke das Zusatzschild «Mitfahrgemeinschaft» aufgestellt werden kann. Autos mit mehreren Insass:innen könnten dann die Busspur nutzen. Derzeit ist das Postulat noch beim Stadtrat pendent.

Sorgen bereitet ihr auch die Sicherheit in der Stadt. «Wir haben immer wieder Demonstrationen, immer wieder Ausschreitungen. Das finde ich bedenklich», so Gallizzi. Besonders die Ausschreitungen bei Fussball- oder Eishockeyspielen fände sie problematisch. Mit der Arbeit der Polizei ist sie aber zufrieden – «Die Polizei hält den Kopf für uns hin». Nützlich wäre aber, wenn beim Personal aufgestockt würde, damit sie ihren Auftrag noch besser erfüllen könnte. 

Ihre politische Zukunft sieht Gallizzi im Gemeinderat, auch wenn es in zwei Jahren möglich sei, dass ihr Name auch auf der Liste für die Kantonsratswahlen steht. «Sollte ich gewählt werden, würde ich das Amt natürlich annehmen. Aber ich fühle mich auch im Gemeinderat sehr wohl», sagt sie.

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Politisch interessiert war ich schon immer, doch habe ich mich lange Zeit nicht aktiv engagiert. Das änderte sich, als ich in der Kirchenpflege der reformierten Kirche in Seebach tätig war und dann von der EVP für ein Amt in der Schulbehörde Glattal angefragt wurde. Dadurch wurde mein Interesse an der Politik geweckt und ich entschied mich 2018 erstmals, sowohl für den Gemeinderat als auch für den Kantonsrat zu kandidieren. 2023 bot sich mir schliesslich die Gelegenheit, als ich für Peter Anderegg in den Gemeinderat nachrücken konnte.

Mit welchem Ratskollegen oder welcher Ratskollegin der politischen Gegenseite würden Sie gerne einmal ein Bier trinken gehen?

Sehr interessant finde ich Jehuda Spielman (FDP). Ein Treffen mit ihm könnte ich mir gut vorstellen. Er ist jüdisch, und andere Glaubensrichtungen finde ich spannend – besonders die Art und Weise, wie sie ihren Glauben praktizieren und welche Feiertage sie haben, interessiert mich. Doch auch sonst gibt es viele spannende Menschen im Rat, mit denen ich mir vorstellen könnte, einmal etwas trinken zu gehen. 

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Besonders ärgerlich fand ich die Entscheidung zum Harsplen-Areal in Witikon. Ursprünglich wollte die Swisscanto-Anlagestiftung dort 370 Wohnungen bauen, doch die notwendige Umzonung wurde von Rot-Grün blockiert, um mehr gemeinnützige Wohnungen zu realisieren. Letztlich kaufte die Stadt das Areal zu einem sehr hohen Preis, um selber zu bauen. Wann die Wohnungen nun gebaut werden, ist jedoch noch unklar. Mich frustriert, wie lange sich das nun hinzieht und dass bislang noch ungeklärt ist,  wie dort – angesichts der hohen Quadratmeterpreise – gemeinnütziges Wohnen überhaupt realisiert werden kann.

Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 1500 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Natürlich jederzeit kündbar.

Jetzt unterstützen!

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare