Seebahnhöfe kommen vors Volk – Bauherrschaft bedauert die Entwicklung

Nach zwei Jahrzehnten der Planung genehmigte der Gemeinderat diesen Frühling den Neubau der Seebahnhöfe. Doch ein eben zustande gekommenes Referendum will dies verhindern.

Seebahnhöfe ABZ BEP
Um die alten Arbeiter:innenhäuser im Kreis 4 wird seit zwei Jahrzehnten gerungen. (Bild: Isabel Brun)

Seit 2005 planen die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP) an der Seebahnstrasse im Kreis 4 einen Ersatzneubau. Bis zu 1000 Personen sollen dereinst in den Neubauten wohnen – 500 mehr als bisher.

Doch nun könnte das Projekt wieder zurück auf Feld eins gehen. Wie die Stadtkanzlei Zürich am Mittwoch bekanntgegeben hat, kommt das Referendum gegen den privaten Gestaltungsplan «Seebahnhöfe» zustande.

Ein Sprecher der IG «Seebahnhöfe retten» freut sich über diesen ersten Erfolg. Am geplanten Ersatzbau kritisiert er, dass das Projekt Mitte der 00er-Jahre entstanden sei. Damals sei der Anspruch an den Neubau gewesen, dass es das Quartier aufwerte – was heute gar nicht mehr nötig sei. «Man muss loslassen von diesen alten Plänen und neu anfangen, auch wenn es ärgerlich ist», sagt er. Um die Volksabstimmung zu gewinnen, plant die IG «Seebahnhöfe retten» möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren und Alternativen zum Abriss aufzuzeigen.

Für die Genossenschaften ist das Referendum ärgerlich. BEP-Präsidentin Claudia Vontobel schreibt in der Medienmitteilung: «Wir bedauern sehr, dass es zu einer weiteren Verzögerung kommt. Unsere Bauprojekte sind zeitgemäss und werden mit grosser Sorgfalt immer wieder den sich ändernden Begebenheiten angepasst. Ich bin überzeugt, dass nach Stadtrat und Gemeinderat auch die Stimmbevölkerung ein klares Zeichen für die neuen Seebahn-Höfe setzen wird.»

Die ewige Geschichte der Seebahnhöfe

Wäre alles nach Plan gelaufen, wären die 350 neuen Wohnungen vor über vier Jahren bezugsbereit gewesen. Doch ein langwieriger Bewilligungs- und Planungsprozess verzögerte die Umsetzung.

Schliesslich formierte sich Widerstand gegen das Projekt. Die Gründe für den Ersatzneubau hätten sich in der langen Planungsphase aufgelöst, argumentieren die Initiant:innen der Interessengemeinschaft (IG) «Seebahnhöfe-retten».

Am 9. April dieses Jahres hatte der Gemeinderat den Gestaltungsplan für den Ersatzneubau der Seebahnhöfe genehmigt. In der Debatte bot sich damals das seltene Bild, dass sich mit der AL-Fraktion und einer Minderheit der Grünen, ausgerechnet Teile der Linken gegen mehr Wohnraum aussprachen.

Hauptkritikpunkt war, dass ein Abriss der Gebäude statt des Umbaus ökologischer und sozialer Unsinn sei.

Trotzdem stimmte der Gemeinderat mit 100 Ja- zu 11 Nein-Stimmen dem privaten Gestaltungsplan zu. 

Dagegen ergriffen die «IG Seebahnhöfe-retten» das Referendum. Die Gegner:innen des geplanten Neubaus sind der Ansicht, dass der Erhalt von günstigen Wohnungen im Quartier langfristig mehr Nutzen bringt. Der Erhalt von Bausubstanz statt eines Abrisses, so argumentieren sie, leiste einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz und sei die sinnvollere Lösung im Vergleich zum Neubau. «Die Meinung, ein Neubau sei ökologischer als eine Sanierung, ist veraltet. Der grosse Hebel zur Reduktion von Treibhausgasen liegt im Erhalt von Bausubstanz», schreiben die Initiant:innen in einer Medienmitteilung.  

Statt einen Ersatzneubau zu errichten, der den totalen Abriss der bestehenden Gebäude vorsieht, um eine ähnliche Struktur wieder aufzubauen, fordern die «IG Seebahnhöfe-retten» eine kreativere und ressourcenschonendere Lösung.

Die Volksabstimmung findet voraussichtlich am 30. November 2025 statt.

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